Geiger und Kombinierer holen WM-Silber
Der Skispringer krönt seinen verrückten Winter mit dem zweiten Platz auf der kleinen Schanze bei der Heim-WM in Oberstdorf.
Bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft in Oberstdorf haben Skispringer Karl Geiger von der Normalschanze und die Kombinierer im Team-Wettbewerb mit jeweils Silber die ersten deutschen WM-Medaillen gewonnen.
OBERSTDORF (sid) Karl Geiger blickte bei der Siegerehrung am Fuße der Schattenbergschanze mit feuchten Augen hinab auf sein geliebtes Oberstdorf, wenige Meter entfernt schauten Ehefrau Franziska und Schwester Lucia zu. „Wahnsinn. Eine Weltmeisterschaft zu Hause wird es genau einmal in meiner Karriere geben. Und dann Silber – das ist einfach genial“, sagte Geiger nach seinem Skisprung-Coup vor der eigenen Haustüre, mit dem er selbst kaum noch gerechnet hatte.
Noch Mitte Februar hatte Geiger mit seiner Form gehadert, sechs Mal in Folge verpasste er die Top 10. „Wenn die WM vor drei Wochen gewesen wäre, hätte ich mich genauso auf die Nase gelegt wie im Weltcup“, sagte der 28-Jährige. Doch in seiner Heimat, auf seiner Schanze, vor seinen Freunden „aus der Grundschule“, den Helfern auf dem Gelände, fand er zurück zu alter Stärke.
Nur 180 Zentimeter fehlten zu Überraschungs-Weltmeister Piotr Zyla aus Polen, dem mit 34 Jahren ältesten WM-Sieger in der Skisprung-Geschichte, doch das war Geiger herzlich egal. Auch der überraschende, weil medaillenlose vierte Platz von Norwegens Überflieger Halvor Egner Granerud juckte ihn nicht. Denn spätestens seit dem denkwürdigen Flutlicht-Springen am Schattenberg ist sein Wunder-Winter perfekt. Was hatte er seit Dezember nicht alles schon erlebt: Gold bei der Skiflug-WM, die Geburt von Tochter Luisa, eine Corona-Quarantäne kurz vor der Vierschanzentournee, der überraschende Auftaktsieg bei der Tournee ebenfalls in Oberstdorf.
Und als wäre das alles noch nicht genug, folgte am Samstag als Krönung WM-Silber in seinem Geburtsort. Kein Wunder, dass die Freude riesig war. „Karl, du Maschine“, schrieb Ex-Weltmeister Severin Freund, Olympiasieger Andreas Wellinger nannte Geiger „eine geile Sau“, und der entfernt mit ihm verwandte Kombinierer Vinzenz Geiger grüßte als Edelfan: „Sauber Karle, einfach bockstark.“
Am lautesten jubelte aber Kumpel Markus Eisenbichler. Zwar zwingt Corona das „fliegende Doppelzimmer“derzeit zu Distanz, doch Eisenbichler fiel dem „Kleinschanzen-Karle“strahlend um den Hals. Wohl auch, weil sein eigener, etwas enttäuschender und von Windpech begleiteter 17. Platz dank Geiger gänzlich zur Nebensache wurde.
Geiger wusste derweil, bei wem er sich als allererstes zu bedanken hatte: bei seiner Frau. Weil diese im Organisations-Team der WM mitarbeitet, durften sich beide noch an der Schanze um den Hals fallen. „Das hat mich unglaublich gefreut. Wir haben nichts gesagt, uns nur umarmt und ganz feste gedrückt“, sagte Geiger: „Die Unterstützung von zu Hause, das ist das, was zählt.“
Eine Liebeserklärung schickte Geiger aber auch an „sein“Oberstdorf, das trotz leerer Tribünen eine bislang erstklassige WM auf die Beine stellt und die Silberflüge erst ermöglichte. „Ich bin extrem stolz auf meinen Ort. Die Organisation hier – Hut ab, genial“, sagte Geiger: „Jetzt bin ich froh, dass ich einen Teil zurückgeben konnte.“
Und das Gute ist: Die WM im eigenen Wohnzimmer ist noch lange nicht vorbei, weder für ihn noch für den Rest der deutschen Mannschaft. Denn auf der großen Schanze, wo Geiger im Dezember den Tournee-Tagessieg holte, stehen noch zwei Entscheidungen an. „Ich hoffe, dass jetzt der Stein ins Rollen kommt und der Knoten sich gelöst hat“, meinte Geiger, der vor zwei Jahren vom großen Bakken WM-Silber hinter Eisenbichler gewonnen hatte. Und auch jetzt ist er sich sicher: „Da ist noch was drin.“