Die Wolle ist runter – endlich!
Die Friseurmeisterin ist erleichtert, ihren Salon wieder öffnen zu dürfen. Der Kunde freut sich, dass seine wilde Mähne gezähmt wird. Eine Win-win-Situation im Laden von Tanja Puhl in Riegelsberg.
langen Haare hängen ihm ins Gesicht, sein letzter Haarschnitt liegt drei Monate zurück, der nächste ist überfällig. Und jetzt ist der Moment da, auf den er so lange hingefiebert hat: Die Wolle kommt runter.
„Ich freue mich riesig, dass ich wieder meinen Beruf ausüben darf“, sagt Tanja Puhl und legt beschwingt los. Während sie meiner Haarpracht zu Leibe rückt, unterhalten wir uns über ihre Lage. Das heißt, wir versuchen es, werden aber beinahe im Minutentakt unterbrochen. Entweder klingelt das Telefon oder Menschen mit langer Mähne werden direkt im Laden vorstellig, um einen Termin zu ergattern. „Diese Woche bin ich ausgebucht, und für nächste Woche wird’s auch schon knapp“, antwortet die 48-jährige Friseurmeisterin aus Kutzhof geduldig.
Niemand wird abgewiesen, nach meist kurzer Verhandlung ist für jeden ein Termin gefunden. Tanja Puhl reagiert flexibel, lässt auch über längere Öffnungszeiten mit sich reden. Diese Woche greift sie auch am Montag, an dem Friseursalons sonst geschlossen haben, zu Kamm und Schere. Wenn’s eng wird, bleibt sie abends länger im Geschäft, und samstags ist auch später Schluss.
Dabei hat Tanja Puhl keinerlei Unterstützung. Ihr Salon an der Saarbrücker Straße in Riegelsberg ist ein Eine-Frau-Betrieb. Und das seit mittlerweile zwei Jahren, nachdem die langjährige Kollegin an ihrer Seite ausgestiegen ist. Bei der steten Suche nach einer Nachfolgerin hat Tanja Puhl einige Enttäuschungen erlebt. Bewerberinnen gab es, hängengeblieben ist niemand.
Gerade hatte sie eine Frau ausfindig gemacht, die ihr zur Seite springen wollte, dann kam eine Operation dazwischen. Es ist wie verhext. Also schuftet Tanja Puhl umso mehr, um möglichst alle Wünsche zu erfüllen und keine Kunden zu verlieren. Und sie setzt diesen Hilferuf ab: „Ich suche wirklich dringend Verstärkung.“
Die langen Wochen, in denen Tanja Puhl zur Untätigkeit verurteilt war, waren hart. Das Geschäft blieb dicht, die Kasse leer. Die Miete für den Laden lief aber weiter, auch wenn der Vermieter hilfsbereit war, wie die Friseurin lobend erwähnt. Sie hat durchgehalten, auch weil ihr Ehemann in seinem Beruf Geld verdient hat, wie die Mutter zweier Söhne berichtet.
Tanja Puhl nutzte die Zeit, um Calvin (12) und Marlon (8) beim Homeschooling zur Seite zu stehen. „Null Cent staatliche Hilfe“habe sie bisher erhalten, nun aber beantragt, fügt sie hinzu.
Ihren Job hat Tanja Puhl, seit Sommer 2000 Friseurmeisterin, nicht verlernt. Der erste Kunde nach langer Zwangspause ist mit dem Ergebnis höchst einverstanden, als er in den Spiegel schaut und gleich nach dem nächsten Termin fragt. Als er nach Hause kommt, nickt die bessere Hälfte anerkennend. „Sieht schick aus, noch besser als sonst“, lautet der knappe Kommentar. Kann es für eine Friseurin ein schöneres Kompliment geben?