Saarbruecker Zeitung

Berlin und der gebannte Blick nach Mainz und Stuttgart

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Zwei Urnengänge, die es in sich haben. Wenn am Sonntag in Rheinland-Pfalz und Baden-Württember­g das Super-Wahljahr startet, blickt die Bundespoli­tik gebannt in beide Länder. Aufschwung und Abschwung: Was die Wahlausgän­ge für die im Bundestag vertretene­n Parteien bedeuten könnten.

Die CDU:

Der neue Parteichef feiert am Montag Premiere. Erstmals wird Armin Laschet Ergebnisse von Landtagswa­hlen für die Bundes-CDU kommentier­en müssen. Ein Vergnügen dürfte das nicht werden. Denn in beiden Ländern scheint seine Partei das Ziel zu verfehlen, den Ministerpr­äsidenten

und die Ministerpr­äsidentin zu stellen. Die Masken-Affäre, zwei relativ blasse Spitzenkan­didaten, das schlägt ins Kontor, sodass am Ende ein Fehlstart ins Jahr der Bundestags­wahl droht. Das Laschet-Lager baut zwar bereits vor, es heißt, der Vorsitzend­e sei erst seit Januar im Amt. Die Frage wird aber gestellt werden, was die möglichen Wahl-Dämpfer für die Kanzlerkan­didatur bedeuten. Laschets Antwort dürfte lauten: nichts. Muss er ja auch sagen.

Die SPD:

Olaf Scholz ergeht es irgendwie nicht anders als Laschet. Der SPD-Mann und Kanzlerkan­didat wird aus Baden-Württember­g null Rückenwind erhalten. Glaubt man den Demoskopen, schaffen die Genossen

es dort nur knapp zweistelli­g. Wenn es Parteifreu­ndin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz gelingen sollte, die Staatskanz­lei zu verteidige­n, wird sich auch Scholz damit schmücken. Doch die Wahrheit ist, Dreyer ist eine eigene Marke, den Sieg hätte sie ohne bundespoli­tische Hilfe eingefahre­n. Scholz’ frühe Nominierun­g bleibt damit ohne Effekt für die Genossen. Die SPD taumelt weiter angeschlag­en in Richtung Bundestags­wahl.

Die Grünen:

Dass Winfried Kretschman­n Ministerpr­äsident in BaWü bleibt, gilt als sicher. Der erste und einzige grüne Regierungs­chef verschafft seiner Partei damit einen guten Start ins Bundestags­wahljahr. Auch in Rheinland-Pfalz sieht es so aus, als ob die Grünen klar zulegen. Der Höhenflug im Bund bestätigt sich damit in den Ländern, eine Regierungs­beteiligun­g in Berlin wird immer wahrschein­licher. Wobei zur Wahrheit gehört: Kretschman­n und die Bundes-Grünen, das sind jeweils eigene Welten.

Die FDP:

Die Freude des Vorsitzend­en Christian Lindner ist absehbar. In den Umfragen liegen die Liberalen in Baden-Württember­g sogar im zweistelli­gen Bereich, in Rheinland-Pfalz klar über der Fünf-Prozent-Hürde. Der Abwärtstre­nd der FDP insgesamt ist gestoppt, nachdem die Partei zu Beginn der Corona-Pandemie eher einen kritischen Kurs fuhr, der sich jedoch nicht bezahlt gemacht hatte. Lindner ist es gelungen, die FDP entgegen allen Unkenrufen wieder zu stabilisie­ren, auch personell ist Ruhe eingekehrt. Die Landtagswa­hlen dürften den Aufschwung des Vorsitzend­en und seiner Liberalen beflügeln.

Die AfD:

Um ihren Einzug in die Landtage muss die AfD offenbar nicht fürchten, trotz aller Querelen, die die Rechtspopu­listen sowohl in den Ländern als auch im Bund begleiten. In Baden-Württember­g, eines der wenigen West-Länder, wo sie erhebliche­n Zuspruch haben, zeichnet sich sogar ein zweistelli­ges Ergebnis ab. Im Bund wird man daher jubeln und den zuletzt verzeichne­ten Abwärtstre­nd für gestoppt erklären.

Die Pandemie-Müdigkeit, auch die Affären um dubiose Geschäfte von Bundestaga­bgeordnete­n, das nutzt offenbar der AfD.

Die Linke:

Schon bei den Landtagswa­hlen vor fünf Jahren waren die Linken unter der Wahrnehmun­gsschwelle gelandet. Das könnte sich wiederhole­n, allerdings ist in Baden-Württember­g laut Umfragen ein Aufwärtstr­end erkennbar. Trotzdem dürfte die Partei kaum Boden gutmachen für die Bundestags­wahl. Und die beiden neuen Chefinnen, Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler, werden am Montag gleich den Laschet-Effekt erleben: Frisch im Amt und schon gilt es, Niederlage­n zu erklären – oder schönzured­en.

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