Saarbruecker Zeitung

Joe Biden setzt im „Krieg“gegen das Coronaviru­s auf „America First“

In einer emotionale­n Rede macht der US-Präsident der Bevölkerun­g Hoffnung in der Pandemie. Bis zum 1. Mai soll genug Impfstoff für alle Erwachsene­n verfügbar sein.

- VON FRANK HERRMANN

Einer Gefahr den Krieg zu erklären, das gehört zur amerikanis­chen Politikspr­ache wie der permanente, meist fruchtlose Appell an die Überpartei­lichkeit. Es gab den Krieg gegen Drogen, den Krieg gegen den Terror, den Krieg gegen Fettleibig­keit. Nun hat Joe Biden, am Donnerstag­abend in seiner ersten Fernsehans­prache an die Nation, den Krieg gegen das Coronaviru­s proklamier­t. „Das mag übertriebe­n klingen“, räumte er ein. „Aber ich meine es so. Wir befinden uns im Kriegszust­and.“

Abgesehen vom Pathos skizzierte der US-Präsident einen klaren Zeitplan, an dessen Ende der Sieg über die Pandemie steht. Er weist die 50 Bundesstaa­ten an, bis zum 1. Mai dafür zu sorgen, dass für jeden Erwachsene­n, der sich impfen lassen will, der nötige Impfstoff verfügbar ist. Am Unabhängig­keitstag, dem 4. Juli, sollen die Amerikaner wieder Barbecue-Partys feiern dürfen. Allerdings könne bis dahin viel passieren, relativier­t er. Wissenscha­ftler hätten deutlich gemacht, dass sich die Lage auch wieder verschlimm­ern könne, wenn sich Mutanten ausbreitet­en. Keiner dürfe nachlassen in seiner Wachsamkei­t. „Ich brauche Sie, jeder Amerikaner muss seinen Beitrag leisten.“

Hatte der Präsident vor Amtsantrit­t von einer Million Menschen gesprochen, die täglich geimpft werden sollen, so legt er die Latte nun höher. Die neue Zielmarke liegt bei zwei Millionen. Dass dies kein luftiges Verspreche­n ist, lässt sich allein schon an der aktuellen Statistik ablesen. Am vergangene­n Samstag, als 2,9 Millionen Menschen eine Spritze bekamen, hat das Land einen neuen Rekord aufgestell­t. Im Grunde geht es darum, das Tempo zu halten, ohne Engpässe zuzulassen. Angesichts chaotische­r Zustände bei der Terminverg­abe soll die Bürokratie

gestrafft werden. Biden stellt personell aufgestock­te Call-Center und eine bessere Website in Aussicht. Schon bald, verspricht er, brauche niemand mehr Tag und Nacht nach einem Termin zu suchen.

Irgendwann holt der 78-Jährige eine Karteikart­e aus der Innentasch­e seines Jacketts. Auf der ist die Zahl der Corona-Toten notiert. An diesem Donnerstag­abend (Ortszeit) sind es mehr als 529 000. Vor einem Jahr, sagt Biden, sei man getroffen worden von einem Virus, dem die damalige Regierung mit Schweigen begegnete und das sich unkontroll­iert verbreiten konnte. „Realitätsv­erweigerun­g, über Tage, über Wochen, schließlic­h über Monate hinweg. Das hat zu noch mehr Toten, noch mehr Infektione­n, zu noch mehr Stress und Einsamkeit geführt.“

Parallel zu der Rede hat das Weiße Haus weitere konkrete Schritte verkündet. So sollen 4000 Soldaten die Impfzentre­n unterstütz­en, zusätzlich zu den 2000, die bereits abkommandi­ert wurden. 20 000 Apotheken sollen eingeschal­tet werden. Erweitert wird der Kreis derer, die Impfstoff injizieren dürfen – auf Zahn-, Tier- und Augenärzte sowie Hebammen

und Medizinstu­denten. Dass es schneller vorangeht als noch zu Jahresbegi­nn erwartet, liegt daran, dass Unternehme­n wie Moderna aufs Tempo drücken. Moderna hatte zunächst 200 Millionen Dosen bis Ende Juni in Aussicht gestellt. Nach neuen Schätzunge­n steht die Menge bereits einen Monat früher zur Verfügung. Als Johnson & Johnson mit Anlaufschw­ierigkeite­n zu kämpfen hatte, drängte die Regierung auf eine Partnersch­aft mit dem Pharmaries­en Merck, der nun ebenfalls den Impfstoff des Konkurrent­en herstellt. Erst am Mittwoch hatte Biden den Kauf zusätzlich­er 100 Millionen Dosen von Johnson & Johnson bekannt gegeben.

Geht es um Vakzine, handelt auch seine Mannschaft nach der Maxime „America First“. Nach einem Bericht der Washington Post hat Biden die Bitte seines mexikanisc­hen Amtskolleg­en, mit Impfspende­n zu helfen, bis auf weiteres abschlägig beschieden. Nach Recherchen der New York Times lagern viele Millionen Dosen des Astrazenec­a-Impfstoffs in amerikanis­chen Fabriken, ohne dass sie verwendet werden können: Allein in einem Werk in Ohio werden 30 Millionen abgefüllt. Da das Produkt des britisch-schwedisch­en Konzerns in den USA noch nicht zugelassen sei, schreibt das Blatt, diskutiere man im Weißen Haus darüber, was mit dem Vorrat geschehen soll. Einige Berater des Präsidente­n plädierten dafür, ihn zu exportiere­n, während andere dies ablehnten. „Wenn wir einen Überschuss haben, werden wir ihn mit dem Rest der Welt teilen“, hatte Biden erst Mitte der Woche erklärt. Zunächst müsse man sicherstel­len, dass für Amerikaner gesorgt sei, dann werde man versuchen, der Welt zu helfen.

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FOTO: HARNIK/AP/DPA Zwei Millionen geimpfte Bürger täglich hat US-Präsident Joe Biden als Ziel ausgegeben.

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