Die Suche nach der Volleyball-Kriegerin
Zwei saarländische Volleyball-Talente stehen vor dem Wechsel zu einem Bundesstützpunkt: Greta Mittler und Annika Burgard vom TV Holz überzeugten den Nachwuchskoordinator des Deutschen VolleyballVerbandes.
„Sumo!“– Immer wieder gibt Peter Pourie diese Anweisung. Bis sie sich in die Köpfe von Greta Mittler und Annika Burgard eingebrannt hat. Bis sie automatisiert abgerufen wird. Bis die beiden 14 Jahre alten Volleyball-Talente des TV Holz eine Position eingenommen haben, die an „Sumo“-Ringer kurz vor dem Start ihres Kampfs erinnert: Stand auf den Vorderfüßen, leicht gebeugte Beine, Oberkörper nach vorne gebeugt, Rücken gerade, Arme vor dem Körper. In dieser Haltung müssen die Nachwuchsspielerinnen bereit sein, um auf Angaben oder Angriffsschläge zu reagieren.
Peter Pourie ist Nachwuchskoordinator beim Deutschen Volleyball-Verband (DVV ). Annika Burgard und Greta Mittler sind die zwei von 60 Talenten, die der DVV für seinen Nachwuchskader sichtet. Bei einem Turnier des Thüringer Volleyball Verbands (TVV), dem TVV-Cup, der sozusagen „Ersatzveranstaltung“für den Corona-bedingt ausgefallenen Bundespokal war, war der DVV im Oktober 2020 auf die beiden Saarländerinnen aufmerksam geworden. Nach einer Vorauswahl nominierte der DVV Annika Burgard und Greta Mittler als einzige Saarländerinnen für den vorläufigen Nachwuchskader II, der 60 Spielerinnen aus dem Bundesgebiet umfasst.
Jetzt war Peter Pourie nach Saarbrücken gekommen. Er trainierte dort einen Tag, aufgeteilt auf eine Vormittagsund eine Nachmittagseinheit, mit den beiden 14-Jährigen. Der DVV-Nachwuchskoordinator ging mit Annika Burgard und Greta Mittler, die in der wegen Corona abgesagten Saison in der Landesligaund der A-Klassen-Mannschaft des TV Holz Einsatzzeiten hätten kommen sollen, unterschiedliche Aspekte des Volleyball-Spielens durch – „Sumo“inbegriffen.
„Wir hatten uns nur von Online-Workshops zum Beispiel zu Athletik oder Taktik gekannt. Wir haben Videos von Spielsituationen gezeigt bekommen. Uns wurden Powerpoint-Präsentationen vorgestellt, zum Beispiel wie Spieltaktiken angewendet werden können. Und auch andere Gebiete: Yoga, Meditation, Physiotherapie“, berichtet Annika Burgard, und schiebt nach: „Und wir durften sogar eine Fragestunde mit Nationalspielerinnen mitmachen.“Greta Mittler resümiert: „Es war von Anfang an sehr interessant. Die Workshops haben alle wirklich Spaß gemacht.“
Nun war das erste persönliche Treffen von Nachwuchskoordinator und Talenten. Nur, wenn man sich persönlich kennenlernt, ergebe sich ein vollständiges Bild, was für die weiteren Schritte erforderlich sei, erörtert Peter Pourie: „Wenn man nach Talenten sucht, sucht man immer nach denen, die irgendwie etwas Besonderes haben. Etwas, was andere nicht haben. Spielerinnen, die im Positiven verhaltensauffällig sind. Athletinnen, die vom Typ etwas Besonderes haben oder von den Parametern.“
Was die beiden Spielerinnen des TV Holz zeigten, überzeugte den Nachwuchskoordinator, der vor seiner Berufung zum 1. Januar 2021 viele Jahre als Landesund Stützpunkttrainer in Nordrhein-Westfalen gearbeitet hatte. „Ich glaube, Annika weiß gar nicht, wie gut sie werden kann. Sie hat unglaubliche Parameter“, urteilt Peter Pourie über die 1,86 Meter große Annika Burgard: „Sie hat ewig lange Arme, ein gutes Körpergefühl und ein gewisses Balltalent. Das als Paket befähigt sie, irgendwann mal ganz oben anzukommen.“
Auch Greta Mittler überzeugte den DVV-Nachwuchskoordinator. „Bei Greta ist das bisschen anders. Sie hat nicht diese herausragenden körperlichen Parameter, aber bringt halt andere Sachen mit: Sie ist ein extrem guter Sportler. Wenn sie ins Athletik-Training einsteigen wird, wird sie wie eine Rakete durch die Decke gehen. Sie springt hoch, ist extrem schnell und ist für Mädchen auch schon sehr groß“, sagt Peter Pourie über die 1,76 Meter große
Greta Mittler. „Und sie hat noch einen Vorteil: Sie ist einer der Typen, die wir suchen müssen. Einer der Typen, mit denen man einen Volleyball-Krieg gewinnen kann. Sie will immer gewinnen, ist hoch ehrgeizig, selbstbewusst, unbequem“, erklärt Peter Pourie
Aber um diesen Sprung zu schaffen, ist zeitnah eine Entscheidung nötig. Nur bis zu einem gewissen Punkt kann die persönliche Entwicklung bei einem kleinen Verein wie dem TV Holz fortgeführt werden. Wollen die beiden 14-Jährigen große Ziele erreichen – bestenfalls den Sprung in die 1. Bundesliga –, kämen sie früher oder später nicht um einen Wechsel zu einem Bundesstützpunkt herum. Geografisch am nächsten liegt der in Stuttgart.
Die Empfehlung des DVV-Nachwuchsbeauftragten ist eindeutig: Ein Wechsel in die baden-württembergische Landeshauptstadt sei unumgänglich. Je früher, desto besser, bestenfalls noch bevor das neue Schuljahr anfängt, denn: Nur an einem Bundesstützpunkt wäre der notwendige Trainingsumfang von wöchentlich 15 bis 18 Stunden mit gleichzeitiger schulischer Ausbildung zu stemmen.
Anfänglich könnten Greta Mittler und Annika Burgard parallel dazu auch noch für den TV Holz spielen.
Im Lauf der Zeit würde ein vollständiger Wechsel notwendig. Das stellt die beiden 14-Jährigen vor eine weitreichende Entscheidung.
„Ich fand das Training mit Peter Pourie war eine megatolle Erfahrung. Er ist superfreundlich, aber gleichzeitig auch direkt, was super für das Verbessern der Leistung ist“, meint Annika Burgard, die mit elf Jahren vom WC Warndt zum TV Holz gekommen ist. Sie hat ihre Pläne für eine Bewerbung auf einen der begehrten Plätze am Bundesstützpunkt schon gefasst: „Ich will mir Stuttgart auf jeden Fall mal anschauen und die Schnuppertage im März nutzen, um dort das Internat, die Schule, das Training und die Leute dort etwas kennenzulernen. Wenn es mir gefällt und es passt, nutze ich natürlich die Chance und werde hinziehen.“
Auch Greta Mittler, die mit elf Jahren beim TV Holz mit dem Volleyball angefangen hat, ist von dem Vorhaben überzeugt: „Wir haben nach dem Training noch mal mit Peter Pourie gesprochen. Wir haben eine Empfehlung vom DVV für den Stützpunkt bekommen. Ich werde mich dort bewerben. Ich sehe das als große Chance. Den Weg zurück kann man immer wieder gehen. Aber hin geht nur dieses eine Mal.“
„Wenn man nach Talenten sucht, sucht man immer nach denen, die irgendwie etwas Besonderes haben. Etwas, was andere nicht haben. Spielerinnen,
die im Positiven verhaltensauffällig sind. Athletinnen, die vom Typ etwas Besonderes haben oder von den
Parametern.“
Peter Pourie
Nachwuchskoordinator des Deutschen Volleyball-Verbandes