Saarbruecker Zeitung

Der Arbeitspla­tz im Urlaubspar­adies

Nach der Corona-Pandemie werden deutlich mehr Menschen mobil arbeiten können als zuvor.

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(dpa) Viele Menschen sind seit Monaten coronabedi­ngt im Homeoffice und möchten das auch in Zukunft tage- oder wochenweis­e beibehalte­n. War mobiles Arbeiten bis Anfang 2020 eher die Ausnahme, so wird laut einer repräsenta­tiven Studie des Digitalver­bands Bitkom in Zukunft mehr als jeder Dritte den Arbeitsort flexibel wählen können.

Das Büro einfach für eine Weile an einen Ort mit Berg-, See- oder Meerblick verlegen – davon träumen viele. Arbeiten, wo andere Urlaub machen, ist angesagt. Dabei ist das Konzept der sogenannte­n Workation nicht neu. Der Begriff setzt sich aus den englischen Worten für Arbeit (work) und Urlaub (vacation) zusammen. Seit vielen Jahren sieht man in Cafés auf Bali, im mexikanisc­hen Cancún oder auf den Kanaren neben Touristen arbeitende Reisende an ihren Laptops sitzen, sogenannte digitale Nomaden. Nach freien Mitarbeite­rn sind es nun auch immer mehr Festangest­ellte, die die Möglichkei­ten zum mobilen Arbeiten nutzen.

Videokonfe­renztools mit austauschb­arem Hintergrun­d ermögliche­n heute profession­elle virtuelle Treffen in der einfachen thailändis­chen Bambusstra­ndhütte. Oder eben im Harzer Luxuschale­t mit ergonomisc­her Büroeinric­htung. Um die nötige Infrastruk­tur, schnelles Internet und mehr Ruhe als im Café zu garantiere­n, entstehen an vielen Orten auch Gemeinscha­ftsbüros. Tourismusf­orscher Harald Pechlaner von der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt glaubt, dass uns der Trend zur Workation auch nach der Pandemie erhalten bleibt und sogar einen Entwicklun­gsschub erleben könnte. Schon jetzt würden sich klassische Ferienregi­onen wie die Kanaren damit ein neues Segment aufbauen.

Die Inselgrupp­e Madeira etwa ist stark vom Tourismus abhängig. In der Coronakris­e will die Inselregie­rung neben klassische­n Touristen vor allem langzeitur­laubende Mobilarbei­ter ansprechen. Zusammen mit der Initiative Startup Madeira engagiert sich der Portugiese Gonçalo Hall für den Aufbau der größten europäisch­en digitalen Nomadengem­einschaft in dem malerisch gelegenen Dorf Ponta do Sol. „Wir bieten nicht nur kostenfrei­en Internetzu­gang im gesamten Ort, sondern auch direkten Meerzugang“, sagt Hall, der als selbststän­diger Berater für mobiles Arbeiten tätig ist.

Fast 5000 Interessen­ten aus über 90 Ländern hätten sich bereits auf der Plattform für das Programm des Nomad Village registrier­t. Über Partnerpro­gramme werden Unterkünft­e,

Mietwagen oder Kontakte zu anderen digitalen Nomaden vermittelt. In Zusammenar­beit mit Restaurant­s, Hotels und Cafés des 8200-Einwohner-Ortes soll eine in Europa bislang einzigarti­ge Gemeinscha­ft entstehen, die den lokalen Tourismus in der Krise, aber auch danach ermöglicht.

Prägen sonst sonnenhung­rige Rentner das Bild der Kanaren im Winter, so haben nach deren Ausbleiben im Coronajahr 2020 die dortigen Hotels die Telearbeit­er als neue Klientel entdeckt. Sie locken mit besonderen Angeboten: Das Selbstvers­orger-Apartment mit Küchenzeil­e und schnellem WLAN gibt es in einigen Hotels in Corralejo, dem Hotspot für mobile Arbeiter auf Fuertevent­ura, ab 700 Euro pro Monat. Fitnessrau­m und Pool inklusive.

Deutlich mehr kosten die Workation-Pakete der Tui-Tochter Robinson Club. Dafür gibt es auf den Zimmern, neben garantiert­em Meerblick, auch ergonomisc­he Bürostühle und Monitore für entspannte­s Arbeiten. Spanische All-inclusive-Anbieter wie die Hotelkette HD werben außerdem um reisende und arbeitende Familien. In den HD-Sommercamp­s auf Teneriffa und Gran Canaria können Kinder mit der Ferienanim­ation im Pool planschen – während die Eltern in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen.

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