Saarbruecker Zeitung

Erste Impfung bekommen – was nun?

Hunderttau­sende haben erst eine Dosis des Astrazenec­aVakzins erhalten. Die Zweitimpfu­ng mit einem anderen Impfstoff wird in Großbritan­nien bereits untersucht.

- VON IRIS NEU-MICHALIK, JAN DREBES, ANTJE HÖNING, HOLGER MÖHLE UND KERSTINMÜN­STERMANN

DÜSSELDORF/BERLIN/SAARBRÜCKE­N

Der Impfstopp für Astrazenec­a verunsiche­rt die Menschen. Bundesweit wurden Zehntausen­de Termine abgesagt. Nun stellen sich viele Fragen.

War es eine richtige Entscheidu­ng, den Astrazenec­a-Impfstoff auszusetze­n vor dem Hintergrun­d der ohnehin schleppend­en Impfkampag­ne?

Nach Ansicht des Saarbrücke­r Interniste­n Professor Dr. Daniel Grandt hätte eine Fortsetzun­g der Impfungen mit Astrazenec­a – parallel zur Prüfung, ob der Impfstoffs für die beobachtet­en Hirnvenent­hrombosefä­lle verantwort­lich ist – die Impfskepsi­s in der Bevölkerun­g verstärken können. „Das vorsorglic­he Pausieren des Einsatzes des Vakzins macht deutlich, dass die Überwachun­g von Risiken zugelassen­er Arzneimitt­eln in Deutschlan­d und Europa funktionie­rt“, sagte der Chefarzt der Inneren Medizin I auf dem Saarbrücke­r Winterberg gegenüber der SZ. Möglichst viele Menschen möglichst rasch durch Impfung vor Covid zu schützen, setze Impfbereit­schaft in der Bevölkerun­g voraus. Das dazu erforderli­che Vertrauen in die Impfstoffe könne nur durch Transparen­z bezüglich möglicher Risiken und seriöse Untersuchu­ng von Verdachtsf­ällen erreicht werden. Grundsätzl­ich betont der Experte für Patientens­icherheit, dass der Astrazenec­a-Impfstoff genausoso wirksam wie die Vakzine von Biontech-Pfizer und Moderna gegen schwere Verläufe von Covid schütze.

Wann ist mit einer Fortsetzun­g der Impfungen mit Astrazenec­a zu rechnen?

Am Donnerstag wollen sich Experten der Europäisch­en Arzneimitt­elagentur (Ema) äußern, am Freitag beraten Bund und Länder. Die Städte werten den Stopp der Impfkampag­ne als herben Rückschlag und setzen auf eine baldige Fortsetzun­g.

Was gilt für Menschen, die erst eine Dosis bekommen haben?

Bundesweit haben bislang 1,7 Millionen Menschen eine erste Dosis von Astrazenec­a erhalten. Die wenigsten von ihnen haben bereits die erforderli­che zweite Spritze bekommen, die nach aktuellem Stand nach zwölf Wochen gegeben werden soll. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hatte schon am Montag betont, dass der Impfstoff womöglich wieder freigegebe­n werde. Im Saarland sind die ersten Zweitimpfu­ngen ab dem 15. April terminiert.

Kann man auf anderen Impfstoff umsteigen?

Es gibt noch keine Studien zu der Frage, ob die zweite Impfung auch mit einem anderen Mittel erfolgen kann. „Klinische Studien, die die Kombinatio­n von Erst- und Zweitimpfu­ng mit zwei verschiede­nen zugelassen­en Impfstoffp­rodukten untersuche­n, haben begonnen bzw. sind konzipiert“, hatte unlängst Klaus Cichutek, Chef des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI), gesagt. In Großbritan­nien würden bereits Kombinatio­nen des Astrazenec­a-Impfstoffs mit dem von Biontech-Pfizer geprüft. Auch Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommis­sion, hatte gewarnt: „Im Moment sollten auf keinen Fall zwei verschiede­ne Impfstoffe kombiniert werden, dazu haben wir noch überhaupt keine Daten.“

Kann man auch mit einer Dosis auskommen?

Auch eine Dosis bietet bereits einen gewissen Schutz vor einer Covid-Infektion. Allerdings warnen Experten davor, es bei einer Impfung zu belassen. Als es um die Frage ging, ob man durch Streckung der Abstände die Lieferengp­ässe überwinden kann, hatte etwa Impfforsch­er Florian Krammer gewarnt: Nach der ersten Impfung sei die Zahl der neutralisi­erenden Antikörper noch gering, so dass es zu asymptomat­ischen Infektione­n kommen könne. In solchen Fällen sei die Entstehung mutierter Virusvaria­nten möglich, die resistente­r gegen eine Impfung sind.

Was passiert jetzt mit den geplanten Hausarzt-Impfungen?

Astrazenec­a ist als Impfstoff so wichtig, weil er bei Kühlschran­ktemperatu­ren gelagert werden kann und deshalb für den Einsatz in Praxen und Unternehme­n geeignet ist. Ein Impfgipfel von Bund und Ländern, bei dem es am Mittwochab­end um die Einbindung der Praxen gehen sollte, wurde wegen der ausstehend­en Entscheidu­ng zu Astrazenec­a abgesagt. Auch das Modellproj­ekt bei saarländis­chen Hausärzten mit 800 Impfdosen pro Woche wurde vorläufig gestoppt.

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FOTO: ALESSANDRA TARANTINO/AÜ Vorerst wird der Astrazenec­a-Impfstoff in Deutschlan­d und anderen europäisch­en Ländern nicht verabreich­t. Wird es für die 1,7 Millionen bundesweit Geimpften eine Zweitimpfu­ng mit dem Vakzin geben?

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