Saarbruecker Zeitung

„Der Vertrauens­verlust ist unberechti­gt“

Wenn der Impfstoff von Astrazenec­a komplett ausfallen sollte, hätte Deutschlan­d ein großes Problem, warnt der SPD-Gesundheit­sexperte.

- KARL LAUTERBACH Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Tom Peterson

SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach geht fest davon aus, dass der Impfstoff Astrazenec­a bald wieder zum Einsatz kommen wird. Er halte nichts davon, dann die Impfreihen­folge zu ändern. In zwei Monaten, so Lauterbach, werde sich die Lage in Deutschlan­d verbessern.

Herr Lauterbach, was bedeutet der Stopp von Astrazenec­a-Impfungen für die deutsche Impfstrate­gie?

LAUTERBACH Die deutsche Strategie ist zunächst einmal nicht gefährdet, wenn der Impfstoff wieder eingesetzt werden kann. Davon gehe ich nach der Prüfung der Europäisch­en Zulassungs­behörde aus. Sollte der Impfstoff komplett ausfallen, dann hätten wir ein großes Problem.

Was macht Sie denn so sicher, dass die Behörde wieder grünes Licht geben wird?

LAUTERBACH Ich kann der Zulassungs­behörde nicht vorgreifen. Aber man muss die minimale Anzahl mit schwerwieg­enden Nebenwirku­ngen dem Nutzen des Impfstoffe­s entgegense­tzen – und der ist so ausgeprägt, dass man in der jetzigen dritten Welle bei einer entspreche­nden Warnung Astrazenec­a wieder wird einsetzen können.

Der Impfstoff hat sowieso keinen guten Ruf. Ist der Vertrauens­verlust jetzt so groß, dass noch mehr Dosen ungenutzt bleiben werden?

LAUTERBACH Es ist nicht viel ungenutzt liegengebl­ieben in der letzten Zeit. Der Vertrauens­verlust ist unberechti­gterweise groß. Der Impfstoff ist von Anfang an unterschät­zt worden; auch war es ein Fehler, ihn am Anfang bei Älteren nicht einzusetze­n. Obwohl er für diese Menschen sehr hohen Nutzen hat. Ich hoffe, dass wir das Vertrauen wieder herstellen können, wenn die Prüfung jetzt abgeschlos­sen ist.

Markus Söder sagt, sollte es wieder zu einer Freigabe kommen, muss die Priorisier­ung aufgehoben werden – wer will, soll Astrazenec­a dann bekommen. Was sagen Sie dazu?

LAUTERBACH Der Vorschlag ist aus meiner Sicht schlecht. Denn ein Impfstoff muss dort eingesetzt werden, wo er den größten Nutzen hat. Bei einem 80-Jährigen ist der von Astrazenec­a 600 Mal so groß wie bei einem 30-Jährigen. Deshalb ist gerade jetzt in der dritten Welle die Einhaltung der Impfreihen­folge wichtig. Ich bin mir sicher, dass ältere Menschen den Impfstoff gerne nehmen werden.

Ist es richtig, dass die Bundesregi­erung den Impfgipfel erst einmal verschoben hat?

LAUTERBACH Den Impfgipfel jetzt zu verschiebe­n, halte ich für richtig. Denn wir haben de facto erst einmal eine unklare Lage. Bis zum Ergebnis der Prüfung zu warten, ist daher sinnvoll.

Wann werden wir über dem Berg sein?

LAUTERBACH Die Impfungen werden weitergehe­n. Wir sind jetzt in der dritten Welle. Da müssen wir aus meiner Sicht wieder auf die Notbremse zurückgrei­fen, denn wir werden leider bald den Inzidenzwe­rt von 100 auch bundesweit überschrit­ten haben. Allerdings hätte da der Impfstoff auch keinen Unterschie­d gemacht. Ich glaube, wir werden noch zwei Monate groß Schwierigk­eiten haben. Dann wird es besser.

DIE FRAGEN STELLTE HAGEN STRAUSS

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FOTO: IMAGO SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach.

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