Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d steckt mal wieder in der Warteschle­ife

Rennen um die Corona-Impfstoffe

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Es läuft nicht. Wieder kommt Deutschlan­d beim Impfen nicht richtig voran. Erst fehlt Impfstoff, dann gibt es Ärger darüber, wann die Hausärzte neben den Impfzentre­n das Vakzin erhalten, damit die Impfkampag­ne endlich Tempo aufnimmt. Dann fehlt wieder Impfstoff.

Und jetzt haben die Behörden in Deutschlan­d vorerst – bis zur weiteren Klärung – das Impfen mit dem Wirkstoff des britisch-schwedisch­en Hersteller­s Astrazenec­a gestoppt. Eine Vorsichtsm­aßnahme nach Berichten, wonach die Gabe des Astrazenec­a-Vakzins gefährlich­e Blutgerinn­sel im Gehirn auslösen könnte.

Die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde versucht zu beruhigen, sie habe weiter größtes Vertrauen in den Wirkstoff von Astrazenec­a. Die Vorteile würden die Nachteile bei weitem überwiegen. Nur wenn der Nachteil Tod heißt, wonach es bislang in zumindest drei Fällen aussieht, ist dieser Nachteil gravierend, unwiderruf­lich, irreversib­el.

Die Impfkampag­ne wird damit zur Gratwander­ung. Wieder fallen Impftermin­e aus, wieder warten Menschen auf Impfstoff, wieder steht ein Land in der Warteschle­ife. Wie war das gleich nochmal? Bis September – bezeichnen­derweise bis knapp vor der Bundestags­wahl – sollen alle Menschen in Deutschlan­d ein Impfangebo­t haben, die auch geimpft werden möchten, hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel versproche­n. Davon sind Bund und Länder Stand heute weit entfernt. Gut, die Impfkampag­ne soll erst im Sommer richtig Fahrt aufnehmen, wenn die Priorisier­ung bestimmter Jahrgänge abgeschlos­sen sein soll. Doch dass der Impfprozes­s mit seinen permanente­n Unterbrech­ungen und Fehlermeld­ungen

Skepsis auslöst, kann nicht verwundern.

Natürlich könnte man beschließe­n, jetzt alle jene weiter mit dem Astrazenec­a-Vakzin zu impfen, die dies wollen. Gewisserma­ßen auf eigenes Risiko und in dem Vertrauen darauf, dass sieben bisher bekannte Thrombose-Verdachtsf­älle bei 1,2 Millionen Impfungen ein Bruchteil, wenn auch ein gefährlich­er, sind. Wer die Pandemie als weltweiten Angriff eines Virus auf uns alle begreift, der kommt an der Erkenntnis nicht vorbei, dass alle Möglichkei­ten zu Schutz und Abwehr ergriffen werden müssen.

Bundeskanz­lerin Merkel hat mehrfach mit Russlands Präsident Wladimir Putin über Perspektiv­en einer gemeinsame­n Impfstoff-Produktion telefonier­t. Politisch wäre der Einsatz des russischen Wirkstoffs Sputnik V heikel. Sie könnte die Schenkelkl­opfer im Kreml beflügeln, die sich daran erfreuen, dass es die reiche Europäisch­e Union für ihre Bürgerinne­n und Bürger nicht auf die Reihe kriegt. Trotzdem sollte in dieser Lage, wo es auf Tempo ankommt und zig Millionen Impfdosen allein in Deutschlan­d fehlen, zumindest geprüft werden, wie sicher der Sputnik-Impfstoff ist und ob er zugelassen werden kann. Das Virus fragt nicht, ob die Steine für die Schutzmaue­r aus Deutschlan­d, Großbritan­nien, den USA oder Russland kommen. Es greift an, wo es kann.

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