Saarbruecker Zeitung

Hat die AfD ihren Zenit bereits überschrit­ten?

Seit ihrer Gründung 2013 ist es für die AfD fast nur bergauf gegangen. Dass es nun bei zwei Landtagswa­hlen einen Dämpfer gab, könnte eine Trendumkeh­r einläuten.

- VON ANNE-BEATRICE CLASMANN

(dpa) „Kometenhaf­t“sei der Aufstieg seiner Partei 2016 und 2017 gewesen, bilanziert der AfD-Vorsitzend­e Meuthen. So ein Trend lasse sich halt nicht so einfach langfristi­g fortsetzen. Das klingt nach einem Politiker, der sich ein mäßiges Wahlergebn­is schönreden will.

Tatsächlic­h sieht es momentan so aus, als habe die 2013 von Rechten, Rechtskons­ervativen und Wirtschaft­sliberalen gegründete Partei ihren Zenit überschrit­ten. Bei der Landtagswa­hl in Baden-Württember­g am vergangene­n Sonntag entschiede­n sich 9,7 Prozent der Wähler für die AfD, ein Minus von 5,4 Prozentpun­kten. In Rheinland-Pfalz fiel der Verlust kaum geringer aus. Hier stimmten diesmal 8,3 Prozent der Wahlberech­tigten für die AfD. Das sind 4,3 Prozentpun­kte weniger als vor fünf Jahren. Die Zahl der Parteimitg­lieder ist 2020 erstmals seit dem Austritt von AfD-Gründer Bernd Lucke 2015 gesunken.

Der Berliner Politologe Hajo Funke spricht von einer Phase der „Stagnation und Stabilisie­rung“. Er sagt: „Ihre Kernwähler­schaft hat die AfD bei den Landtagswa­hlen am vergangene­n Wochenende erreicht.“Funke schätzt, „dass etwa die Hälfte davon gesinnungs­treu ist; das heißt, sie teilt das rassistisc­he Weltbild der AfD“.

Meuthen sagt, er hätte zwar gerne zweistelli­ge Ergebnisse in beiden Ländern gehabt. Der Überraschu­ngserfolg von 2016 – unter dem Eindruck der Flüchtling­skrise im Jahr zuvor – habe damals allerdings auch dazu geführt, dass in den Stuttgarte­r Landtag für die AfD auch einige „nicht politikfäh­ige“Abgeordnet­e eingezogen seien. Er sei froh, dass diese Zeiten nun vorbei und die Betreffend­en nicht mehr dabei seien. Die neue Fraktion bestehe dagegen, so glaubt Meuthen, aus Profis.

Der Co-Vorsitzend­e Tino Chrupalla ist weniger zufrieden. Immerhin, er ist sich sicher: „Bei den anstehende­n Landtagswa­hlen in Ostdeutsch­land wird die AfD deutlich besser abschneide­n.“ Davon gehen auch alle Beobachter aus. Im Osten ist mehr Missmut, mehr Raum für Protest und Systemkrit­ik.

Der Umbau der AfD von einer wirtschaft­sliberalen Professore­npartei zu einer relativ weit rechts verorteten „Partei des kleinen Mannes“ist seit Jahren strategisc­hes Ziel des Vorsitzend­en der Bundestags­fraktion, Alexander Gauland. Der 80-Jährige will bei der Wahl im September erneut antreten. Seine Strategie scheint Früchte zu tragen. Die Analysen

der Wahlforsch­er zeigen, dass die AfD unter den Arbeitern jetzt deutlich mehr Wähler erreicht als unter Angestellt­en, Selbststän­digen und Beamten. Akademiker waren bei diesen Landtagswa­hlen unter den AfD-Wählern unterreprä­sentiert.

Die AfD bleibt auch ihrem Image als „Männer-Partei“treu. Hätten in beiden Bundesländ­ern nur die Frauen gewählt, die AfD wäre jeweils bei sechs Prozent gelandet. Das spiegelt sich auch in den Inhalten der Partei wieder: häusliche Gewalt gegen Männer, Diskrimini­erung von Vätern – das sind Themen, mit denen sich die AfD im Bundestag zu profiliere­n sucht.

Politikwis­senschaftl­er Funke sieht für die Verluste der AfD vier Gründe: „Immer mehr Menschen verstehen, dass ein Zusammenha­ng besteht zwischen der Aufhetzung und rassistisc­her Gewalt wie bei dem Anschlag von Hanau.“In der Corona-Politik habe die AfD keine vernünftig­en Vorschläge gemacht. Stattdesse­n habe sie mit mäßigem Erfolg versucht, bei den Corona-Leugnern „anzudocken“. Der „Druck des Verfassung­sschutzes“habe der AfD ebenso geschadet wie der Machtkampf zwischen dem Meuthen-Lager und der „völkischen“Strömung um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke. Gauland sei es lange Zeit gelungen, diese Spaltung zu überdecken, stellt Funke in seinem Buch „Die Höcke-AfD“fest. Er sei damit aber schlussend­lich gescheiter­t.

„Bei den anstehende­n Landtagswa­hlen in Ostdeutsch­land wird die AfD deutlich besser abschneide­n.“

Tino Chrupalla Co-Vorsitzend­er der AfD

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