Saarbruecker Zeitung

Kommission will Agrarkonse­ns suchen

Das Gremium zur Zukunft der Landwirtsc­haft versteht sich als „eine Art runder Tisch“. Doch die Positionen gehen teils weit auseinande­r.

- VON SASCHA MEYER Produktion dieser Seite: Nina Zapf-Schramm David Seel

(dpa) Es geht um mehr Umweltschu­tz. Um bessere Bedingunge­n in den Ställen. Aber dazu auch um wirtschaft­liche Perspektiv­en für die Höfe und die heikle Frage von Billigprei­sen im Supermarkt. Schon seit Jahren ist die Ausrichtun­g der Landwirtsc­haft in Deutschlan­d heftig umkämpft. Eine vom Bundeskabi­nett eingesetzt­e Kommission soll da nach Ansätzen für einen breiten Konsens suchen. Oder nach einer „Quadratur des Kreises“, wie der Vorsitzend­e Peter Strohschne­ider ein halbes Jahr nach dem Start am Dienstag in Berlin sagte. Allerdings ist bis zur Bundestags­wahl nicht mehr viel Zeit. Und rund um die Kommission kocht auch akuter Streit hoch.

Das Gremium verstehe sich als „eine Art von rundem Tisch“und als ein Forum des Interessen­ausgleichs, sagte Strohschne­ider nach einer Sitzung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Es bestehe eine große Chance für neue Ansätze der Agrarpolit­ik in den nächsten ein bis zwei Wahlperiod­en mit Blick auf die kommenden zehn Jahre. Dabei wäre es illusorisc­h, dass Gegensätze dann einfach aus der Welt seien. Ziel sei aber, einen Handlungsr­ahmen zu finden, der auch gesellscha­ftlich tragfähig ist.

Dabei geht es erst einmal um eine gemeinsame Basis. Denn dem Gremium gehören auch langjährig­e Kontrahent­en an: Vertreter von Bauern und Ernährungs­branche, Naturund Tierschütz­er, Handel und Wissenscha­ft. Merkel hatte die „Zukunftsko­mmission“nach Bauernprot­esten Ende 2019 vorgeschla­gen. Und in der Kommission habe sich „so etwas wie ein Teamspirit“entwickelt, sagte Strohschne­ider, der sich als außenstehe­nder Literaturw­issenschaf­tler auch als „Löwendompt­eur“sieht.

Konkret gehe es zum Beispiel um die Frage, wie im Lebensmitt­elsystem gegenüber dem „Mengenwett­bewerb“ein „Qualitätsw­ettbewerb“an Gewicht gewinnen könne, erläuterte Strohschne­ider – in Produkten und auch in Prozessen. Dazu stellt sich die Frage, wie sich der Aufwand für Umweltschu­tz und bessere Ställe direkt in Lebensmitt­elpreise einbeziehe­n lässt. „Tierschutz darf nicht als Kostentrei­ber betrachtet werden“, sagte der Präsident des Tierschutz­bunds, Thomas Schröder. Bauernverb­ands-Vizepräsid­ent Werner Schwarz sagte, es gehe nicht darum, dass die Bauern geliebt werden wollten. Es gelte aber, die Bauern bei der Entwicklun­g mitzunehme­n.

Vor allem Umweltschü­tzer nehmen allerdings die Rolle der Politik ins Visier. „Wir haben im Moment große Zweifel, ob die Bundesregi­erung gewillt ist, die Ratschläge überhaupt anzunehmen“, monierte der Vorsitzend­e des Bundes für Umwelt und Naturschut­z (BUND), Olaf Bandt. Greenpeace-Chef Martin Kaiser drohte schon mit einem

Ausstieg. Wenn Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) „rückwärtsg­ewandte“Vorschläge zur nationalen Umsetzung der EU-Agrarfinan­zierung durchpeits­che und die Agrarpolit­ik der nächsten sieben Jahre zementiere, stehe er für eine Kommission, die ignoriert werde, nicht länger zur Verfügung.

Parallel zu den grundsätzl­ichen Beratungen geht es tatsächlic­h gerade zur Sache: Eine Neujustier­ung der EU-Agrarmilli­arden soll ab 2023 greifen – doch die nationale Umsetzung ist umstritten. Am Mittwoch wollen die Fachminist­er von Bund und Ländern erneut darüber beraten. Klöckner hat Eckpunkte für einen „Strategiep­lan“vorgelegt, den Deutschlan­d bis 1. Januar 2022 nach Brüssel schicken muss. Unter anderem sollen künftig 20 Prozent der Direktzahl­ungen an höhere Umwelt- und Klimaleist­ungen geknüpft sein – 900 Millionen Euro jährlich.

Auch für die Kommission wird es knapp, bis der Wahlkampf aufzieht. Bis zum Sommer sollen Empfehlung­en auf den Tisch. Doch was wird dann aus den Vorschläge­n für die Zukunft? Ob eine neue Bundesregi­erung auf dem Konsens aufbaut, muss sich zeigen.

„Tierschutz darf nicht

als Kostentrei­ber betrachtet werden.“

Thomas Schröder

Bauernverb­ands-Vizepräsid­ent

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FOTO: J. BÜTTNER/DPA Wie die Agrarpolit­ik der kommenden zehn Jahre aussehen soll, darüber sprachen am Dienstag Vertreter der Branche mit Kanzlerin Merkel.

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