Autobauer setzen auf Plug-In-Hybride – wie lange noch?
Bis Ende Februar mussten die Hersteller an die EU-Kommission die CO2-Werte ihrer Neuwagenflotten in 2020 melden. Es dürfte Herbst werden, bis die EU-Behörde die Daten geprüft hat und die Werte veröffentlicht. Es zeichnet sich doch ab, dass die Branche noch einmal mit einem blauen Auge davonkommt. Diesmal dürften nur VW und Jaguar-Land Rover die Hürde reißen, die im Schnitt der Hersteller bei einem Ausstoß von 95 Gramm je gefahrenen Kilometer liegt. Der britische Hersteller sowie VW haben bereits Rückstellungen von jeweils 100 Millionen Euro gemacht.
Beim Erreichen der Flottenziele hat allen Herstellern der Boom von Plug-In-Hybriden maßgeblich geholfen. Plug-In-Hybride gehen nicht mit den tatsächlichen Werten zum Kraftstoffverbrauch in die Statistik ein. Vielmehr schlagen sie mit Traum-Werten zu Buche: Etwa das Doppel-Antriebsmodell von Daimlers A-Klasse mit 32 Gramm je gefahrenem Kilometer, was einem Kraftstoffverbrauch von 1,4 Liter auf 100 Kilometern entspricht. Dabei wird unterstellt, dass die theoretische elektrische Reichweite von mittlerweile bis zu 100 Kilometern auch tatsächlich genutzt wird. Die
Praxis sieht häufig anders aus: Werden die schwereren Fahrzeuge nur im Verbrennermodus gefahren, sind die Verbräuche wesentlich höher als etwa bei den sparsamsten Nur-Dieseln.
Plug-In-Hybride sind der Verkaufshit – auch dank der bis Ende 2025 verlängerten Kaufprämie von bis zu 6750 Euro. Laut Kraftfahrtbundesamt wurden 2020 in Deutschland 200 777 Fahrzeuge neu davon zugelassen. Das waren 342 Prozent mehr als im Vorjahr. 194 163 vollelektrische Fahrzeuge wurden 2020 in Deutschland neu zugelassen. Alle Marken, vor allem die deutschen Premiumhersteller, haben viele neue Plug-In-Hybride in der Pipeline. Sie hoffen so, ohne Strafzahlungen auch bei den anstehenden Verschärfungen der CO2-Flottengrenzwerte davonzukommen.
Doch die Strategie ist riskant. Sie baut darauf, dass Plug-In-Hybride weiterhin so vorteilhaft von der EU-Regulierung bewertet werden. Genau das könnte sich bald ändern. Die EU-Regulierung unterstellt, dass Plug-In-Hybride zu 70 Prozent im Elektro- und zu 30 Prozent
im Verbrennermodus gefahren werden. Dieser sogenannte Nutzungsfaktor ist in der einschlägigen WLTP-Verordnung festgeschrieben. Studien zeigen aber, dass Privatleute im Schnitt nur auf einen E-Anteil von 43 Prozent kommen, Dienstwagenbenutzer, die womöglich noch eine Tankkarte haben, nutzen den E-Antrieb nur zu 18 Prozent.
„Man muss schon mit dem Klammersack gepudert sein, wenn man meint, dass die EU-Regulierung den Nutzungsfaktor nicht anpackt“, sagt ein Lobbyist eines deutschen Herstellers in Brüssel. Auch ein VW-Sprecher bestätigt gegenüber unserer Zeitung: „Für eine Diskussion der Nutzungsfaktoren erwarten wir gegenüber heute deutlich veränderte reale Fahrdaten.“
Die Kommission könnte die realitätsleere Nutzungsverordnung für Plug-In-Hybride relativ leicht anpassen. Sie muss dafür nicht einmal ein neues EU-Gesetz machen. Den Mitgliedsländern würden bei einer derartigen Operation nicht die vollen Mitspracherechte zustehen.
Wahrscheinlich ist, dass der für den Green Deal zuständige Vize von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das heiße Eisen schon recht bald angeht: Frans Timmermans hat angekündigt, die CO2-Flottenziele für die Jahre 2025 und 2030 noch einmal zu verschärfen. Nach bisherigem EU-Gesetz soll der Ausstoß von 2021 bis 2030 im Schnitt um 37,5 Prozent gesenkt werden. Timmermans will diesen Wert auf 50 Prozent erhöhen und dazu im Juni einen Gesetzgebungsvorschlag vorlegen. Im Zuge dessen, so die Erwartung in Brüssel, dürfte das Privileg für Plug-In-Hybride fallen. Die Hersteller müssen sich dann etwas Neues einfallen lassen.