Tests könnten Kommunen überfordern
Das Saarland baut bei den kostenlosen CoronaSchnelltests auf Städte und Gemeinden. Sie sollen bis zu 500 000 Menschen wöchentlich testen. Ist das realistisch?
Plötzlich stand der Ministerpräsident am Autofenster. Als das landeseigene Corona-Schnelltestzentrum am Bergwerk Ensdorf in Betrieb ging, zeigte sich Tobias Hans (CDU) bürgernah mit einem Testwilligen. Der Mann war am Donnerstag mit seinem Auto vorgefahren, um einen Schnelltest auf das Coronavirus machen zu lassen. Ein Foto dieser kurzen Begegnung mit FFP2-Maske verbreitete Regierungschef Hans über Twitter. „Unser Ziel: Allen SaarländerInnen einfache & wohnortnahe Testmöglichkeiten bieten“, lautete seine Botschaft.
Seit dem 8. März hat im Saarland jeder Bürger einen Anspruch auf wöchentlich einen kostenlosen Anitgen-Schnelltest. Theoretisch wären das bis zu eine Million Abstriche. Praktisch kann die Nachfrage noch niemand abschätzen. Am Montag ließen sich in den Landestestzentren etwas mehr als 2700 Menschen testen, mehr als die Hälfte am Standort für Grenzpendler an der Goldenen Bremm in Saarbrücken. Auf eine Woche hochgerechnet beliefe sich die Nachfrage auf knapp 19 000 Tests.
Um das theoretische Versprechen an alle Bürger einzulösen, setzt die Landesregierung auf ein Drei-Säulen-Konzept:
In den Landkreisen und im Regionalverband Saarbrücken gibt es landeseigene Schnelltestzentren. In diesen sollen wöchentlich rund 50 000 Abstriche möglich sein. Apotheken und Arztpraxen sollen Tests für weitere 25 000 Menschen anbieten. In der Summe sind das 75 000 Tests, eine überschaubare Zahl, misst man sie an den ambitionierten Zielen.
So kommt den Städten und Gemeinden in der Bewältigung der Pandemie erneut eine Schlüsselrolle zu. Sie bilden in der Teststrategie des Saarlandes die dritte Säule. Gemeinsam mit den Landkreisen, Hilfsdiensten und Privatanbietern sollen sie kommunale Schnelltestzentren einrichten. Zwar hat die Landesregierung den Rathäusern keine Zielvorgaben gemacht. Doch im Landtag kursieren Planungen, die das Gesundheitsministerium auf Nachfrage bestätigt. „Je nach Bedarf und Nachfrage“sollen die Kommunen und ihre Partner ein „Angebot von bis zu 500 000 Tests pro Woche“machen können. Das würde bedeuten: Schnelltests für die Hälfte der Bevölkerung im Saarland. Ist das machbar?
„Wir dürfen die Bürger hier nicht enttäuschen“, sagt Magnus Jung (SPD), der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Landtag. Wenn es so komme, dass Aktivitäten in Familie und Freizeit oder beim Einkauf davon abhängig seien, dass man einen aktuellen negativen Test vorweisen kann, werde die Nachfrage sehr groß sein, erklärt Jung. „Die Umsetzung der Struktur, dass das klappt, hat das Sozialministerium im Wesentlichen den Kommunen übertragen.“
In den Gemeinden befürchten nicht wenige Verantwortliche, in der Pandemie-Politik
ein weiteres Mal die größte Last tragen zu müssen. Das Ministerium bricht die hohe Zahl von einer halben Million Tests auf die 52 Kommunen herunter. Das entspreche „durchschnittlich ca. 10 000 Tests pro Gemeinde wöchentlich (1400 täglich)“. Zur Einordnung: Das Landestestzentrum auf dem Saarbrücker Messegelände, die größte Einrichtung in der Region, schafft pro Tag 1500 Schnelltests. Was denken die Kommunen über solche Zahlenspiele?
„Ich bin völlig platt“, sagt der Illinger Bürgermeister Armin König (CDU). „Das würde bedeuten, dass jede Gemeinde ein hochleistungsfähiges Testzentrum aufbauen müsste.“Das aus dem Boden zu stampfen, werde nicht möglich sein. Schon in der vergangenen Woche hatte der Saarländische Städte- und Gemeindetag (SSGT) gemahnt, die lokalen Testangebote bräuchten eine Vorlaufzeit.
Die Kommunen haben mit dem Aufbau von Testzentren längst begonnen, einige sind bereits eröffnet, trotz großer Unklarheiten. Werden ihnen die Bürger die Tests aus den Händen reißen, sobald sie mit einem negativen Ergebnis ins Restaurant dürfen? Oder bleibt der Ansturm aus, weil überall ein Test zu haben sein wird, am Arbeitsplatz, in Schulen oder vor Drogeriemärkten? Machen Schnelltests für den Hausgebrauch die im Eiltempo geschaffene Infrastruktur nach kurzer Zeit wieder überflüssig? „Da ist viel im Fluss“, sagt SSGT-Präsident Hermann Josef Schmidt (CDU). Nicht alles sei so planbar, wie man es gerne hätte. Von den hohen Zahlen aus dem Ministerium zeigt Schmidt sich unbeeindruckt. „Ich gehe davon aus, dass die Kommunen die Nachfrage befriedigen werden“, sagt er. Ohne sie wird Ministerpräsident Hans sein Ziel wohl nicht erreichen können.
„Wir dürfen die Bürger hier nicht enttäuschen.“
Magnus Jung (SPD) Vorsitzender des Gesundheitsausschus
ses im Landtag