Der Fotograf mit den halbierten Zeitreisen
Horst Rauhoff kombiniert historische Ansichten Saarbrückens mit modernen Aufnahmen.
Ja, geht das denn? Durch Saarbrücken zu spazieren, wie es vor 100 Jahren aussah, gleichzeitig aber auch durch die Gegenwart zu laufen – und das an ein und der selben Stelle? Nein. Doch. Im echten Leben funktioniert’s natürlich nicht, in den Fotografien von Horst Rauhoff allerdings schon: Er hatte die Idee, historische Postkarten-Ansichten der Stadt aus heutiger Sicht nachzufotografieren, die
Bilder aber nicht bloß nebeneinander zu stellen, sondern die beiden Aufnahmen zu einem Bild zu kombinieren.
So entstand dann zum Beispiel eine Ansicht der Bahnhofstraße mit Blick Richtung Bergwerksdirektion beziehungsweise Europagalerie, über die der Betrachter im ersten Moment denkt: Na hoppla, irgendwas stimmt hier nicht... bis ihm klar wird, dass die linke Straßenseite die heutige Stadt zeigt, während die rechte Straßenseite einer alten Ansichtskarte entnommen ist und längst der Vergangenheit angehört.
Horst Rauhoff, 1949 in Saarbrücken geboren, erzählt, wie er auf die Idee gekommen ist: „Ich hatte vor einiger Zeit eine Foto-Ausstellung in St. Arnual, da ging es um alte Fotografien aus dem Stadtteil, denen ich heutige Aufnahmen gegenübergestellt habe.“Und das, sagt er mit einem Lachen, „hat mir ungeheuer viel Spaß gemacht“. Aber das Prinzip, auf diese Weise das Gestern und Heute miteinander zu vergleichen, sei da ja schon bekannt gewesen. Und so habe er sich gefragt – zumal er in Sachen Fotografie auch gerne experimentiert –, ob man das nicht auch auf eine andere Weise machen könne. So sei er schließlich auf die Idee gekommen, alte und neue Aufnahmen zu einem einzigen Foto zusammenzuführen: Die eingescannten Postkarten und die digitalen Aufnahmen werden in den Computer eingespeist und mit entsprechenden Programmen bearbeitet und zusammengesetzt.
Rauhoff nennt seine innerhalb von etwa zwölf Monaten entstandene Fotoreihe mit nun rund 60 Bildern „Metamorphose Saarbrücken“. Die meisten der so entstandenen Fotos sind schwarz-weiß, damit die neuen Teile des Fotos besser zu den alten Schwarz-Weiß-Ansichtskarten passen. Eigentlich war, im vorigen Herbst, auch eine Ausstellung im Stadtarchiv Saarbrücken geplant, doch die musste – wegen Corona – verschoben werden. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.
Rauhoff, ursprünglich Bankkaufmann, dann Diplom-Betriebswirt, Diplom-Handelslehrter und schließlich Lehrer an kaufmännischen Berufsschulen, ist für seine Metamorphose-Reihe sogar in die Luft gegangen: Für einige Vergleichsfotos brauchte er auch Luftaufnahmen, so hat er sich voriges Jahr eine Fotodrohne angeschafft und den „Drohnenführerschein“gemacht. Was auf Umwegen zu einer weiteren Ausstellung führen wird, und zwar beim Saarländischen Rundfunk auf dem Halberg: Dort hatte er seine Drohne für eine Luftaufnahme gestartet, was den SR-Pförtner dazu brachte, ihn anzusprechen, weil man da doch eigentlich keine Luftaufnahme machen dürfe. So kam der Fotograf mit den Verantwortlichen ins Gespräch, die offenbar angetan waren... aber auch hier ist wegen Corona der Ausstellungstermin noch offen.
Dass Rauhoff schon als Kind zur Fotografie kam, daran war ein Zufall Schuld – oder vielleicht auch das Christkind: Um 1960, als ein Fotoapparat noch keineswegs in allen Haushalten zu finden war, lag für ihn eine „Agfa Click“unter dem Weihnachtsbaum. Seither ist er bei der Fotografie geblieben, bildet sich auch ständig in Kursen weiter – „Ich will immer wieder etwas Neues finden“– und hat nach seiner Pensionierung als Berufsschullehrer sogar noch ein weiteres Berufsleben als Fotograf begonnen. Diverse Ausstellungen hat er zudem schon seit 1999 bestückt. Und als vor etwa fünf Jahren die Anfrage der Saarbrücker Künstlergruppe Schinkelkirche kam, ob Rauhoff nicht Mitglied werden wolle, hat er gerne zugesagt.
Und wo bekommt er eigentlich die alten Postkarten her? „Die findet man übers Internet“, verschiedene Anbieter handeln mit historischen Ansichten aus aller Welt – sogar aus Saarbrücken. www.rauhoff.eu
„Zu Weihnachten hatte ich eine ‚Agfa Click’ bekommen.“
Horst Rauhoff
darüber, wie seine Begeisterung für das Fotografieren vor rund 60 Jahren begann