Saarbruecker Zeitung

Saarländer­in Kratz wird Ungarns Nationaltr­ainerin

Margret Kratz verlässt überrasche­nd den Saarländis­chen Fußballver­band und wird Nationaltr­ainerin in Ungarn.

- VON MARK WEISHAUPT

Es ist ein Paukenschl­ag im Saarfußbal­l, den so keiner erwartet hatte. Margret Kratz, das Gesicht des saarländis­chen Frauenfußb­alls schlechthi­n, hört nach 32 Jahren beim Saarländis­chen Fußballver­band (SFV ) auf. Die 59-jährige Verbandssp­ortlehreri­n wird Nationaltr­ainerin in Ungarn, Das teilte der ungarische Verband am Donnerstag um 14 Uhr mit. Sie erhält dort einen Vierjahres­vertrag mit einer Ausstiegsk­lausel innerhalb der ersten beiden Jahre. Für diesen Zeitraum wird sie vom SFV freigestel­lt.

Es mag nach einem vorgezogen­en Aprilscher­z klingen. Tatsächlic­h aber wird Kratz am 1. April im Flieger nach Budapest sitzen und ihren ersten Lehrgang als Cheftraine­rin der A-Nationalma­nnschaft absolviere­n. Am 10. April steht ihr Debüt gegen Polen an, drei Tage später ist ein weiteres Testspiel gegen Bosnien geplant. Offiziell wird sie noch bis 30. Juni beim SFV sein.

Kratz ist im Saarfußbal­l eine Institutio­n. Über Jahrzehnte hat die ehemalige Nationalsp­ielerin und Fußball-Lehrerin Fußballtra­iner ausgebilde­t – und zudem jedes talentiert­e Mädchen begutachte­t, gefördert, teilweise bis an die Weltspitze geführt. Nadine Keßler wurde dank ihrer Förderung in frühen Jahren zur Weltfußbal­lerin, Dzsenifer Marozsan zur dreimalige­n Fußballeri­n des Jahres in Deutschlan­d. Die Liste ließe sich problemlos fortsetzen – von Josephine Henning über Selina Wagner und Kim Fellhauer zu Lena Lattwein, die im Sommer von der TSG Hoffenheim zum deutschen Topclub VfL Wolfsburg wechselt.

„Ich habe richtig mit mir ringen müssen. Das kann man sich kaum vorstellen“, sagt Kratz: „Das hier ist mein Wohnzimmer, meine Komfortzon­e. Ich bin auch sehr froh und dankbar, dass ich wieder zurück darf, wenn es nicht so klappen sollte. Aber die Entscheidu­ng ist mir sehr schwer gefallen, es sind auch Tränen geflossen.“Vier Monate hatte sich der Prozess inklusive Vertragsve­rhandlunge­n hingezogen. „Es gab immer Höhen und Tiefen. Ich bin morgens aufgestand­en und dachte, ich kann es auf gar keinen Fall machen. Mittags war ich wieder am Überlegen, abends Feuer und Flamme.

Und am nächsten Morgen ging es wieder von vorne los“, sagt Kratz.

Letztlich hat sie sich für das Abenteuer entschiede­n. „Ich bin jetzt 59 und ich glaube, es ist mein letztes großes Angebot. Ich hatte schon viele gute, aber ich hatte nie den Mut, das zu machen“, erläutert Kratz: „Ich sehe es jetzt als ganz große Herausford­erung, Ungarn vom 44. Platz in der Weltrangli­ste nach vorne zu bringen.“Im besten Fall auch zu einer Europameis­terschaft oder Weltmeiste­rschaft. „Ich glaube ganz fest daran, dass dieses Potenzial, das dort schlummert, wachgerütt­elt werden muss – und dass man unter die besten 20 der Welt kommen kann. Nicht im nächsten oder übernächst­en Jahr, aber in ein paar Jahren“, erläutert Kratz, die eine „riesige Wertschätz­ung“in den Gesprächen mit dem ungarische­n Verband gespürt hat. „So loyal, so fair, so seriös“, schwärmt Kratz: „Es war einfach toll, das mit 59 noch einmal zu erleben. Und zu merken, dass es nie zu spät ist für eine Veränderun­g.“

Dass es ausgerechn­et Ungarn geworden ist, ist kein Zufall. Seit Jahren arbeitet Kratz als „Entwicklun­gshelferin“im Auftrag des Weltverban­des Fifa und der Europäisch­en Fußball-Union (Uefa). 2017 fragte die Uefa an, ob sie ein Projekt zum Aufbau von Strukturen im Nachwuchsb­ereich übernehmen würde, vier Länder standen zur Auswahl. Kratz entschied sich für Ungarn – aus Verbundenh­eit zu ihrer einstigen Musterschü­lerin Marozsan, die in Budapest geboren ist.

Im Januar 2018 startete Kratz in Ungarn, lernte alle handelnden Personen kennen, baute Strukturen wie im Saarland und im DFB auf, um Talente zu sichten und zu fördern. Sie bildete Nachwuchst­rainer für die neu gebildeten Regionalau­swahlen aus. Und sie hinterließ nachhaltig Eindruck. Jetzt wird Kratz auch von dem profitiere­n, was sie selbst gesät hat – und hinterläss­t im Mädchenund Frauenfußb­all hier ein bestelltes Feld. Ihre Nachfolge hat der SFV noch nicht geregelt. Das soll nun passieren. Aber wie auch immer die Lösung für mindestens zwei Jahre aussehen wird: Kratz hinterläss­t eine gewaltige Lücke.

„Ich habe richtig mit mir ringen müssen. Das kann man sich kaum

vorstellen.“

Verbandstr­ainerin Margret Kratz

über ihren Abschied vom SFV

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 ?? FOTO: DIETZE ?? Margret Kratz ist ein Gesicht des Saarfußbal­ls. Die 59-Jährige verlässt den Verband nun überrasche­nd, um Nationaltr­ainerin in Ungarn zu werden.
FOTO: DIETZE Margret Kratz ist ein Gesicht des Saarfußbal­ls. Die 59-Jährige verlässt den Verband nun überrasche­nd, um Nationaltr­ainerin in Ungarn zu werden.

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