Drängeln sich Lehrer beim Impfen vor?
Lehrkräfte an Gymnasien sollten nicht bevorzugt geimpft werden. Ihr Infektionsrisko sei zwar hoch – aber nicht höher als in anderen Berufen, sagt Daniel Bieber, Behindertenbeauftragter des Saarlandes.
Das Infektionsrisiko für Lehrkräfte an Gymnasien sei zwar hoch – aber nicht höher als in anderen Berufen, sagt Daniel Bieber, Behindertenbeauftragter des Saarlandes. Damt reagiert er auf den Wunsch der Lehrer, in die Impfgruppe 2 eingeordnet zu werden. 1
Nachdem am Freitag der Saarländische Philologenverband (SPhV) beim Verwaltungsgericht des Saarlandes Klage eingereicht hatte, wonach Gymnasiallehrer zur Priorisierungsgruppe 2 gezählt werden und damit wie ihre Kollegen an Grundund Förderschulen bevorzugt eine Corona-Schutzimpfung erhalten sollen, meldet sich nun der Behindertenbeauftragte des Saarlandes zu Wort.
Daniel Bieber ist im „höchstem Maße alarmiert“. Ohne Zweifel seien Lehrkräfte an Gymnasien einem deutlich höheren Infektionsrisiko ausgesetzt. Genauso aber „Kassiererinnen im Einzelhandel, Friseurinnen und unzählige andere, die in Berufen arbeiten, in denen Sie tagtäglich engen Kontakt zu vielen unterschiedlichen Menschen haben“, sagt Bieber Jede Abweichung von der Coronavirus-Impfverordnung des Bundes gehe zu Lasten von hochgradig vulnerablen Gruppen. „Durch jede Vergrößerung der Impfprioritätsgruppe 2 werden bereits anspruchsberechtigte Menschen mit schweren Vorerkrankungen und Behinderungen im Schnitt deutlich später geimpft, was in vielen Fällen über Leben und Tod entscheiden kann“, sagt Bieber. Es gebe auch Menschen mit Vorerkrankungen, die nicht in der Impfverordnung berücksichtigt würden, weil ihre Diagnosen zu selten seien. Für diese Fälle sei die Härtefall-Kommission eingerichtet worden
– auch Gymnasiallehrer mit erhöhtem Sterberisiko hätten die Möglichkeit auf eine Einzelfallprüfung. Der Philologenverband müsse seiner „Vorbildfunktion“gerecht werden. „Bitte vermeiden Sie unbedingt den Eindruck, sich vordrängeln zu wollen, indem Sie verlangen, dass eine große Zahl potenziell Gefährdeter geimpft wird, bevor medizinisch nachgewiesen stärker gefährdete Menschen geimpft werden“, appelliert Bieber. So lange es nicht genügend Impfstoff gebe, müsse die „Betroffenheit im Krankheitsfall“im Vordergrund stehen und nicht die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken. „Und die ist bei Gymnasien eindeutig geringer als in Förderschulen oder in vielen anderen Berufen“, so der Behindertenbeauftragte.
Das sieht der SPhV anders. Gymnasiallehrer hätten in unterschiedlichen Klassen Kontakt mit bis zu 200 Schülern. „Wohingegen Grundschullehrer lediglich eine einzige Klasse mit einer durchschnittlichen Klassenstärke von 20 Schülern unterrichten“, begründet der SPhV-Vorsitzende Marcus Hahn die Klage. „Wir im SPhV haben Verständnis für die Sorge um die durch Corona besonders gefährdeten Personengruppen, die Herr Bieber ausdrückt.“Der Vergleich mit anderen Berufsgruppen gehe aber an der Sache vorbei. „Die Regierung hat in der Impfverordnung unwidersprochen dargelegt, dass Lehrkräfte in höherem Maße gefährdet sind als die Berufsgruppen, die Herr Bieber erwähnt.“Deshalb werden Teile der Lehrerschaft höher priorisiert als andere Berufsgruppen. Die Klage ziele darauf ab, „dass diese Regelung auch im Saarland so wie etwa in Baden-Württemberg konsequent für alle Lehrkräfte angewendet wird“. Dass Bieber einen Zusammenhang mit hochgradig vulnerablen Menschen herstellt, sei falsch. Diese Personen hätten nach der Impfverordnung eine „hohe“Priorität – mit der Klage möchte man erreichen, Gymnasiallehrer in die Gruppe der Personen mit „erhöhter Priorität“einzustufen. Den Vorwurf des „Vordrängelns“ weist der SPhV deutlich zurück.
Mit seiner Forderung steht der Verband nicht alleine da. Der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband hatte zuvor eine „Ungleichbehandlung“von Lehrkräften kritisiert. „Den Lehrkräften dieser Schulform eine Impfpriorisierung zu verweigern, gleicht einem Schlag ins Gesicht“, wetterte Lisa Brausch, Landesvorsitzende SLLV. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Saarland fordert, Beschäftigten aller Schulformen sofort ein Impfangebot zu machen. „Als Vertreter von Lehrern an allen Schulformen fordern wir als Gewerkschaft Saar-Bildungsministerin Streichert-Clivot (SPD) auf, sich umgehend beim Gesundheitsministerium dafür einzusetzen, die entstehende Zwei-Klassen-Gesellschaft innerhalb der Lehrer im Saarland zu verhindern“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Birgit Jenni.
Das Saar-Gesundheitsministerium unter Ministerin Monika Bachmann (CDU) erklärt der SZ auf Nachfrage: „Wir können den Wunsch des Philologenverbandes nachvollziehen. Das Saarland orientiert sich, wie alle anderen Bundesländer auch, an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Dazu sind die Gesundheitsministerinnen und -minister des Bundes und der Länder in einem permanenten Austausch und bewerten die Situation fast täglich neu.“Im Geleitzug aller Bundesländer seien aus „infektiologischen Gründen“bisher nur die Grund- und Förderschullehrer höher priorisiert worden. „Die Gründe hierfür liegen in der Erfahrung, dass die Schüler dieser Schulformen in Anbetracht ihres Entwicklungsstandes in der Regel noch nicht in der Lage sind, Abstands- und Hygieneregeln im notwendigen Maße einzuhalten.“
Zwischen dem 29. März und dem 3. April sollen laut Gesundheitsministerium 2250 saarländische Lehrer aus Grund- und Förderschulen gesondert geimpft werden.