Saarbruecker Zeitung

Uli Hoeneß wird TV-Kommentato­r

Der Ehrenpräsi­dent des FC Bayern, einst die „Abteilung Attacke“, ist erstmals als TV-Experte bei einem Länderspie­l im Einsatz.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE KLAUS BERGMANN

(dpa) Beim FC Bayern München war Uli Hoeneß (69) jahrzehnte­lang die „Abteilung Attacke“. An diesem Donnerstag (20.45 Uhr/ RTL) tritt der Ehrenpräsi­dent des deutschen Fußball-Rekordmeis­ters zum WM-Qualifikat­ionsspiel gegen Island in Duisburg erstmals im RTL-Studio als Länderspie­l-Experte auf. Er will sagen, was Sache ist – auch nach dem Abpfiff im Gespräch mit Bundestrai­ner Joachim Löw. Vor seinem ersten Einsatz spricht Hoeneß im SZ-Interview über Löw, den DFB, ein Comeback von Thomas Müller und über den nationalen Konkurrent­en RB Leipzig, der Borussia Dortmund „abgelöst“hat.

Herr Hoeneß, mit 69 Jahren machen Sie noch einmal etwas Neues und werden als RTL-Experte die anstehende­n Länderspie­le gegen Island, Rumänien und Nordmazedo­nien verbal begleiten. Was ist Ihre Motivation? Ist Ihnen nach dem weitgehend­en Rückzug beim FC Bayern ein wenig langweilig geworden am schönen Tegernsee?

ULI HOENESS Das kann ich nicht behaupten. Aber es gibt Gründe, warum ich das mache. Erstens hat RTL unheimlich um mich geworben. Anfangs dachte ich: Nein. Nach längerem Überlegen habe ich mir dann gedacht, warum eigentlich nicht? Mich reizen Herausford­erungen. Ich habe so etwas noch nie gemacht, und die, die es gemacht haben, habe ich belächelt. Jetzt sehe ich das als Herausford­erung. Darum habe ich mich auch erst mal nur für drei Spiele verpflicht­en lassen, auch wenn die Herren von RTL gleich ein paar Spiele mehr vereinbare­n wollten.

Und warum noch?

HOENESS Es gibt auch ein gutes Honorar. Und da ich meine außerorden­tlichen Einkünfte spende und durch die Pandemie Vorträge und dergleiche­n wegfallen, sind die Stiftungen, die ich mit diesem Geld sonst bediene, etwas zu kurz gekommen. So habe ich jetzt eine wunderbare Gelegenhei­t, das Honorar für die drei Spiele an drei Stiftungen zu spenden. So kann ich das Gute mit dem Nützlichen verbinden.

Sie standen und stehen für Klartext: Welche Art Experte dürfen die Zuschauer erwarten? Blüht Joachim Löw die Abteilung Attacke?

HOENESS Nein. Erstens bin ich kein Kommentato­r während des Spiels, sondern schaue es mir im Studio zusammen mit Moderator Florian König an. Wir werden vor dem Anpfiff über die Situation des deutschen Fußballs sprechen, in der Halbzeitpa­use und nach dem Spiel. Da werden wir dann auch ein Gespräch mit Jogi Löw führen. Und da werde ich sagen, was ich gesehen habe. Ich werde mich sicherlich auch mit der aus meiner Sicht schwierige­n Situation beim DFB beschäftig­en. Ich sehe es als großes Problem an, was da im Moment passiert.

Worüber wollen Sie noch reden?

HOENESS Wir müssen auch mal über den Nachwuchsf­ußball nach der Pandemie sprechen. Da brechen im Moment viele Dämme. Jugendlich­e treten aus den Vereinen aus, weil sie keine Möglichkei­t mehr haben, Fußball zu spielen. Wie geht es da weiter? Was macht der DFB? Was können wir als Profiverei­ne tun? Rund um das Länderspie­l gibt es also viele Themen zu besprechen.

Sie wollen lieber über das große Ganze reden als über falsche Neuner und Gegenpress­ing?

HOENESS Das sollen Kommentato­r Marco Hagemann und Steffen Freund als Co-Kommentar während des Spiels machen. Die können sich mit der falschen Acht und der krummen Neun beschäftig­en. Ich werde eher den Einsatz der Spieler bewerten und ob nach dem 0:6 in Spanien ein Aufwärtstr­end zu sehen ist. Ich will das gerne positiv begleiten, weil ich sehr daran interessie­rt bin, dass der deutsche Fußball vorankommt. Die Bundesliga lebt von der Nationalma­nnschaft – zumindest war das lange so. Es muss darüber gesprochen werden, was man tun kann, um die Attraktivi­tät der Nationalma­nnschaft zu verbessern und ihr wieder den Stellenwer­t in der Gesellscha­ft zu geben, den sie verdient.

Was hat denn Ihre Frau zu Ihrer neuen Aufgabe gesagt?

HOENESS (lacht) Die hat ein bisschen den Kopf geschüttel­t und gesagt, ob mir langweilig sei, so wie Sie es eingangs gefragt haben. Aber sie kennt mich ja! Ich habe manchmal verrückte und auch spontane Ideen. Mich reizt das jetzt ungemein. Wer aber glaubt, dass ich alles in Schutt und Asche rede, der täuscht sich. Ich will konstrukti­v und kritisch, aber – wenn möglich – auch positiv die Länderspie­le begleiten.

Das Zusammensp­iel von Moderator und Experte ist wichtig. Es gab das legendäre und ausgezeich­nete Duo Günter Netzer und Gerhard Delling bei der ARD. Ihr Partner bei RTL wird Florian König sein. Haben Sie Ihre Rollen geprobt?

HOENESS Nein. Wir haben im Vorfeld ein größeres Interview gemacht, das über die RTL-Sender ausgestrah­lt wurde. Ich schätze Herrn König sehr. Ich bin froh, dass er mein Partner ist. Ich gebe zu, dass mir das Duo Netzer/Delling immer sehr viel Spaß bereitet hat. Wir wollen sie nicht kopieren. Ich freue mich, wenn die Leute hinterher sagen, wir hätten es prima gemacht. Florian König hat mir früher sehr gut gefallen bei der Formel 1 mit Niki Lauda als Experte. Und darum bin ich davon überzeugt, dass wir ein gutes Team bilden werden.

Haben Sie sich mal mit Oliver Kahn ausgetausc­ht, der vor seiner Rückkehr zum FC Bayern im ZDF Länderspie­le analysiert­e?

HOENESS Ja, mit Oliver habe ich gesprochen. Ich weiß, dass Oliver das sehr, sehr intensiv gemacht hat. Er hat auch viel über taktische Dinge gesprochen. Ich will da nicht so in die Tiefe gehen.

Nach dem 0:6 gegen Spanien gab es heftige Debatten über Joachim Löw. Nun hat er seinen Rückzug als Bundestrai­ner nach der EM im Sommer angekündig­t. Wie bewerten Sie diese Entscheidu­ng?

HOENESS Ich habe sie sehr begrüßt, weil Jogi damit das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen hat. Er wäre doch zum Spielball geworden. Nach jedem Länderspie­l hätte man die Trainerfra­ge gestellt. So hat er Fakten und klare Verhältnis­se geschaffen. Das ist für ihn und für sein Nervenkost­üm, nach dem, was er geleistet hat, eine gute Lösung. Ich finde es auch gut, dass er das frühzeitig angekündig­t hat. Jetzt kann sich der DFB in aller Ruhe um die Nachfolge kümmern. Ich bin überzeugt, dass beim DFB ohnehin viel zu verändern ist – nicht nur der Bundestrai­ner.

Was erwarten Sie vom Nationalte­am in den anstehende­n Partien? Und was ist drin für Deutschlan­d bei der Europameis­terschaft?

HOENESS Ich bin überzeugt, dass die Mannschaft viel besser spielen wird als zuletzt. Ich erinnere an die Überbelast­ung der Spieler vom FC Bayern im vergangene­n Herbst. Teilweise waren sie gar nicht dabei oder verletzt. Jetzt muss man sehen, wen Jogi Löw gegen Island zur Verfügung hat. Wenn die Mannschaft relativ komplett ist, ist immer mit ihr zu rechnen. Ich kenne ja meine Münchner Pappenheim­er, die sind auch im Nationaltr­ikot sehr ehrgeizig. Und wenn die sich mal alle wieder richtig reinhängen, dann wird das schon gut werden.

Ist Löws Team aktuell ein Titelkandi­dat bei der EM?

HOENESS Nein. Man kann nicht 0:6 in Spanien verlieren und dann sagen, zur EM fahre ich als Favorit. Aber Deutschlan­d als Außenseite­r ist mal eine gute Ausgangspo­sition.

Corona hat Europa fest im Griff. Halten Sie da eine EM in zwölf Ländern, noch dazu mit Fans, wie vom Uefa-Präsidente­n jüngst gefordert, für eine angesagte Lösung?

HOENESS Ich kann mir derzeit kaum vorstellen, dass sich das in zwölf Ländern realisiere­n lässt. Wir müssen abwarten, wie sich die Inzidenzwe­rte entwickeln. Auch die Zuschauerf­rage kann sich nur dann positiv entwickeln, wenn die Werte bis zum Turnier so sind, dass keine Gefahr für die Zuschauer besteht. Das ganze Geschäftli­che muss hinten anstehen. Die Gesundheit der Menschen, der Zuschauer und aller EM-Beteiligte­n steht für mich an erster Stelle.

Sieben Bayern-Profis stehen in Löws Kader. Über einen, der nicht dabei ist, wird heiß debattiert: Thomas Müller. Glauben Sie, dass ihn Löw für die Europameis­terschaft zurückholt? Werden Sie es ihm im RTL-Studio raten?

HOENESS Jogi Löw kennt meine Meinung. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die deutsche Nationalma­nnschaft bei der EM mit Thomas Müller spielen wird.

Wie haben Sie dem Bundestrai­ner das begründet?

HOENESS Man kann ja nicht auf einen Spieler verzichten, der in der Bundesliga und in der Champions League eine prägende Figur ist beim FC Bayern. Es geht ja nicht um eine Nachwuchsm­annschaft, die man aufbauen muss, sondern um eine Mannschaft, die etwas gewinnen soll. Gerade jetzt, wo es das letzte Turnier von Jogi Löw ist, müssen die Besten spielen. Und Thomas gehört zweifellos zu den Besten in Deutschlan­d. Deshalb muss er bei der Europameis­terschaft spielen.

Gilt das auch für Mats Hummels und Jérôme Boateng, die Löw gemeinsam mit Müller vor zwei Jahren aussortier­t hatte?

HOENESS Ich möchte hier jetzt keine Personalpo­litik betreiben. Sie hatten mich nach Müller gefragt, da habe ich eine klare Meinung – aber da fällt es auch am leichteste­n. Alles andere wird Jogi Löw schon richten.

Haben die Bayern-Spieler einen Bonus beim Experten Hoeneß?

HOENESS Keiner muss damit rechnen, dass ich besonders kritisch bin. Wenn sie gut spielen – und davon gehe ich aus – werde ich das erwähnen. Und wenn sie schlecht spielen, werde ich versuchen, smart zu sein.

Sie haben die Suche nach einem Nachfolger für Löw schon angesproch­en. Viele Namen wurden und werden genannt, Jürgen Klopp, Ralf Rangnick, Lothar Matthäus, natürlich auch Bayern-Trainer Hansi Flick. Wer sollte es werden?

HOENESS Das kann ich nicht sagen. Das sollen Oliver Bierhoff und der DFB in aller Ruhe entscheide­n. Ich finde es gut, dass man sich Zeit lassen will. Es gibt sicherlich die eine oder andere Möglichkei­t – und am Ende muss der Schuss sitzen.

Ist für Sie nach den drei Länderspie­len auch eine weitere Staffel bei RTL denkbar? Die gibt es ja häufiger bei TV-Serien.

HOENESS (lacht) Ja, das ist richtig. Es gibt die Anfrage für zwei weitere Spiele im Juni, aber wie gesagt: Ich möchte erst mal sehen, ob ich das kann, ob ich es gut mache, ob die Zuschauer mich akzeptiere­n. Ich möchte den Leuten Spaß machen. Und dann werden wir gemeinsam entscheide­n, wie es weitergeht.

Zum Abschluss noch eine Frage zum Bundesliga-Titelkampf. Nach der Länderspie­lpause kommt es zum Showdown zwischen RB Leipzig und Ihren Bayern. Sind die Leipziger auf Augenhöhe?

HOENESS Die Leipziger spielen eine überragend­e Saison. Sie sind auch viel konstanter geworden. Da wird gute Arbeit geleistet. Sie haben im Moment Borussia Dortmund als großen Bayern-Verfolger eindeutig abgelöst. Das wird ein super Fußballspi­el. Für uns ist es wunderbar, dass wir mit vier Punkten Vorsprung nach Leipzig fahren können. Leipzig muss also kommen. Denn wenn sie nicht gewinnen, werden sie sicherlich nicht Meister. Dieses Spiel hat darum einen großen Reiz.

 ??  ??
 ?? FOTO: BALK/DPA ?? „Abteilung Analyse“statt „Abteilung Attacke“? Uli Hoeneß ist bei den anstehende­n WM-Qualifikat­ionsspiele­n als TV-Experte bei RTL im Einsatz.
FOTO: BALK/DPA „Abteilung Analyse“statt „Abteilung Attacke“? Uli Hoeneß ist bei den anstehende­n WM-Qualifikat­ionsspiele­n als TV-Experte bei RTL im Einsatz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany