Saarbruecker Zeitung

„Söder und Scholz haben auch mit entschiede­n“

Der FDP-Chef rät der Kanzlerin zur Vertrauens­frage und fordert innovative Konzepte gegen die Pandemie und regionale Lösungen wie in Tübingen oder Rostock.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE HAGEN STRAUSS Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Iris Neu-Michalik

FDP-Chef Christian Lindner zollt der Kanzlerin für ihre Entschuldi­gung Respekt. Zugleich rät er Angela Merkel, die Vertrauens­frage im Parlament zu stellen. Jetzt müsse es einen Neustart in der Pandemiepo­litik geben, meinte Lindner im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr Lindner, verzeihen Sie der Kanzlerin ihren Fehler?

LINDNER Es verdient Respekt, wenn Frau Merkel einen Fehler zugibt und ihn korrigiert. Es zeigt auch Größe, dass sie diese Fehlentsch­eidung auf sich nimmt. Allerdings saßen auch Herr Söder und Herr

Scholz neben ihr, die mit entschiede­n haben. Der Vorgang wirft aber vor allem ein Licht auf das Management der Pandemie insgesamt. Die Osterruhe wurde ja aus rechtliche­n Gründen zurückgeno­mmen, aber offenbar auch, weil Zweifel an der

Wirksamkei­t bestanden.

Was leiten Sie daraus ab?

LINDNER: Die Situation sollte Anlass für neue Verfahren und einen Neustart der Pandemiepo­litik sein. Der Bundesregi­erung fällt bislang nur eines ein: Wir bleiben alle möglichst lange zu Hause. Die sozialen Folgen für die Familien und die Existenzno­t in der Wirtschaft werden zu wenig gesehen. Die FDP ist dagegen sicher, dass schon heute mehr gesellscha­ftliches und wirtschaft­liches Leben auch mit Corona möglich wäre. Durch konsequent­es Maskentrag­en, durch die Hygienekon­zepte in Handel, Gastronomi­e, Sport und Tourismus, durch Schnelltes­ts und durch mehr Pragmatism­us beim Impfen.

Hat die Regierung abgewirtsc­haftet?

LINDNER Die Wahlperiod­e ist bald zu Ende. Und es ist gut, dass die Menschen bald neu über die Richtung des Landes entscheide­n können. Wir als Freie Demokraten möchten aus einer künftigen Bundesregi­erung heraus Beiträge leisten für eine wirtschaft­liche und gesellscha­ftliche Erneuerung. Wir müssen den Staat neu handlungsf­ähig machen in seinen Kernaufgab­en. Digitalisi­erung ist dabei kein Nebenthema.

Fordern Sie rasche Neuwahlen – oder zumindest die Vertrauens­frage der Kanzlerin?

LINDNER Nein, wir fordern keine Neuwahlen. Allerdings besorgt mich, wie die Kanzlerin offen aus ihrer eigenen CDU/CSU-Fraktion kritisiert wird. Manche haben Frau Merkel ja bereits zur Vertrauens­frage aufgeforde­rt. Das könnte ratsam sein, um sich des Vertrauens zu vergewisse­rn und Disziplin herzustell­en. Ich erwarte übrigens, dass die Unionsfrak­tion geschlosse­n stimmen und auch die Grünen zustimmen würden. Wir hingegen würden andere Grundlinie­n der Politik bevorzugen.

Was muss sich im Corona-Management jetzt zügig ändern?

LINDNER Die Planwirtsc­haft beim Corona-Management hat sich nicht als Erfolgsmod­ell erwiesen. Wir brauchen stattdesse­n innovative Konzepte und regionale Lösungen. Städte wie Tübingen oder

Rostock machen es vor: Mit Schnelltes­ts und guten Hygienekon­zepten könnten Handel und Gastronomi­e schon längst wieder geöffnet werden. Wir brauchen bessere Apps für die Kontaktver­folgung. Auch darf die Sieben-Tage-Inzidenz allein nicht mehr das zentrale Instrument sein, um die Pandemie-Politik zu steuern. Mit den zwar langsamen, aber doch vorhandene­n Fortschrit­ten beim Impfen sagt dieser Wert immer weniger aus über die Pandemiege­fahren. Zu wenig geschieht mir auch immer noch beim Impfen. Schon längst hätten wir mit unbürokrat­ischen Impfangebo­ten bei Haus-, Fach- und Betriebsär­zten beginnen sollen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Zeigt Respekt für die Entscheidu­ng Angela Merkels: FDP-Chef Christian Lindner (FDP).

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