Saarbruecker Zeitung

Merkels Entschuldi­gung alleine reicht nicht aus

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Kviele anzlerin Angela Merkel hat in ihrer Regierungs­zeit schon Herausford­erungen stemmen müssen: Flüchtling­skrise, Finanz- und Euro-Krise, Griechenla­nd-Pleite, jetzt die Corona-Pandemie. Meist kamen die Probleme unverhofft, oder man wollte sie zunächst nicht sehen. In aller Regel hat es die Kanzlerin mindestens gefühlt geschafft, den Überblick zu behalten, die Dinge weitgehend in die richtige Richtung zu lenken und das Land durch Unwägbarke­iten zu steuern. Merkel, die Verlässlic­he. Das ist vorbei. Mit ihrer jüngsten Erklärung hat sie erstmals in ihrer bald 16 Jahre andauernde­n Amtszeit einen Offenbarun­gseid geleistet, der mehr als alles andere bleiben dürfte von dieser Kanzlerin.

Eine Entschuldi­gung hört man von Politikern nicht oft. Von einem Bundeskanz­ler oder einer Bundeskanz­lerin schon gar nicht. Es hat Größe, dass Merkel sich vor die Kameras gestellt und um Verzeihung gebeten hat. Keiner der 80 Millionen Virologen und Corona-Experten in Deutschlan­d möchte doch in diesen Tagen mit Merkel tauschen, auch nicht mit ihren Ministern und all den anderen, die an vorderster Front im Anti-Corona-Kampf stehen. Was für eine Belastung. Bei aller berechtigt­er Kritik, Fehler werden in solchen Zeiten gemacht.

Das ist aber eben nur die eine Seite der Medaille, vielleicht die menschlich­e. Auf der anderen lernen die Deutschen gerade, dass es ihrem Land an Effektivit­ät und politische­r Weitsicht fehlt, wodurch Existenzen reihenweis­e gefährdet werden. Und da kommt Merkel wieder ins Spiel: Die Corona-Krise hat schonungsl­os zu Tage gefördert, was in der Amtszeit der Kanzlerin alles versäumt worden ist. Die Bürokratie lähmt das Land nach wie vor, Abbau Fehlanzeig­e. Die Digitalisi­erung stand als Vorhaben immer auf dem Papier, Umsetzung ebenfalls Fehlanzeig­e. Um nur zwei von vielen Beispielen der Trägheit zu nennen.

Der Kanzlerin fehlt mittlerwei­le die Kraft, sich um die wirklich wichtigen Fragen zu kümmern. Stattdesse­n verliert sie sich mit den Ministerpr­äsidenten in Beratungsr­unden, die im nächtliche­n Marathon das Kleinklein klären. Runden, in denen in Zeiten der Pandemie gepokert wird wie in Brüssel um den Agrar-Etat. Warum Merkel etwa die Impfstoffb­eschaffung und die flexiblere Verteilung nicht längst zur Chefinnens­ache gemacht hat wie die Regierungs­chefs anderer Länder, bleibt ein Rätsel. Auch, warum sie in dieser historisch­en Krise an dem einen oder anderen Minister festhält.

Entschuldi­gung angenommen, klar. Aber sie reicht nicht. Wer sich in politische Verantwort­ung begibt, muss liefern. Insofern stellt sich nun die Frage, was aus dem Debakel um die „Osterruhe“eigentlich folgt? Offenbar nichts. Denn schon sorgt die nächste Absicht der Regierung für erhebliche Unruhe, nämlich das mögliche Verbot von Urlaubsrei­sen ins Ausland. Einen Neustart in der Pandemiepo­litik wird es also nicht geben. Was Merkels Bilanz noch aufpoliere­n könnte, ist damit allein der Faktor Zeit. Im April werden die Impfungen rasant an Fahrt gewinnen. Und dann dürften auch die meisten Bürger irgendwann das ganze Chaos im milderen Licht sehen.

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