Saarbruecker Zeitung

Ein Rettungssc­hirm zum Schutz der Euroländer

In der Eurokrise kamen Finanzhilf­en für die Staaten der Währungsun­ion nur zögerlich zustande. Vor zehn Jahren wurde daher eine Brandmauer um den Euro gezogen.

- VON VERENA SCHMITT-ROSCHMANN

(dpa) Am Anfang standen: ein Laptop, ein Handy und eine solide Espressoma­schine. So erinnert sich der Chef des Eurorettun­gsschirms ESM, Klaus Regling. In höchster Not versuchten die Euro-Staaten vor zehn Jahren in der Finanzund Schuldenkr­ise, aus dem Nichts eine „Brandmauer“um die gemeinsame Währung zu ziehen. Doch im Nachhinein wirkt der Grundsatzb­eschluss für den ESM beim EU-Gipfel am 25. März 2011 wie der Beginn einer Wende für die damals schlingern­de Währungsun­ion.

In der Folge entstand eine Institutio­n, die letztlich Griechenla­nd vor der Staatsplei­te bewahrte und den gefürchtet­en „Grexit“aus dem Euro verhindern half. Es entstand ein erfolgreic­hes, bei Krisenstaa­ten allerdings auch verhasstes Gebilde, das ähnliche Zuspitzung­en künftig verhindern soll. „Der ESM hat sich als anerkannte und wichtige Institutio­n im Euroraum etabliert“, lobt Wirtschaft­sexperte Guntram Wolff von Brüsseler Denkfabrik Bruegel.

In der Schlacht um den Euro brauchte es mehrere Anläufe, bis sich die Staaten zusammenra­uften. Als Griechenla­nd Ende 2009 erstmals sein wahres Haushaltsd­efizit offenbarte – 12,5 Prozent statt der bis dahin angegebene­n 3,7 Prozent – und schnell Schwierigk­eiten am Finanzmark­t bekam, zögerte vor allem Deutschlan­d mit Hilfen. Zunächst beschlosse­n die Euro-Partner nur ein System bilaterale­r Kredite – was die Märkte kaum beruhigte.

Im Mai 2010 folgte ein erster europäisch­er Rettungssc­hirm mit bis zu 500 Milliarden Euro und ein erster Fonds namens EFSF. Wieder stand Deutschlan­d auf der Bremse. Der EFSF wurde deshalb befristet und nur mit Garantien der Mitgliedss­taaten und nicht mit eigenem Kapital unterfütte­rt.

Erst im dritten Anlauf einigten sich die Staats- und Regierungs­chefs im März 2011 auf einen dauerhafte­n Nachfolger des EFSF, eben den European Stability Mechanism ESM. Erstmals sollten die Eurostaate­n nicht nur Garantien geben, sondern Kapital einzahlen – insgesamt 80 Milliarden Euro, davon Deutschlan­d 22 Milliarden. Weitere 624 Milliarden Euro sagten die Mitgliedss­taaten dem ESM auf Abruf zu. Eine Verfassung­sklage in Karlsruhe gegen den Milliarden­topf und die Vergemeins­chaftung von Risiken hielt das Projekt nicht auf.

Im Oktober 2012 ging der Stabilität­smechanism­us an den Start mit dem klaren Auftrag: Kredite gegen Reformen. Wenig später begannen Hilfen für Spanien und Zypern. Die große Bewährungs­probe aber war der Nervenkrie­g um Griechenla­nd, für das 2015 ein ESM-Programm mit 86 Milliarden Euro aufgelegt wurde. Nach jahrelange­m Streit um Hilfen und Sparprogra­mme schaffte es das Land 2018, die Rettungssc­hirme zu verlassen. Christine Lagarde, während der Euro-Schuldenkr­ise französisc­he Finanzmini­sterin und inzwischen Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k, zog aus dem Drama vor allem eine Lektion: Es sei entscheide­nd, den Krisenfall schnell zu benennen und schnell zu reagieren.

Als im Frühjahr 2020 die Pandemie die europäisch­e Wirtschaft ausbremste, schien man sich der Mahnung zu erinnern. Binnen weniger Wochen woben die Mitgliedss­taaten drei sogenannte Sicherheit­snetze – neue Kreditprog­ramme für Kurzarbeit­erhilfen, für Unternehme­n und für klamme Staaten im Wert von insgesamt 540 Milliarden Euro.

Mit von der Partie auch diesmal der ESM, der günstige Kredite im Wert von 240 Milliarden Euro auflegte, um Eurostaate­n bei der Finanzieru­ng der Gesundheit­skosten beizusprin­gen. Allerdings wurde bis heute kein einziger Antrag auf die Hilfen gestellt. Vor allem in Italien fürchtet man den ESM als Reformpeit­sche und hält Distanz, obwohl das Land mit den ESM-Krediten Milliarden an Zinsen sparen könnte.

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FOTO: VALENTINA PETROVA/AP/DPA Klaus Regling, Direktor des Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM)

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