Leukämie-Kranker muss auf Impftermin warten
Der Quierschieder Bernhard Lehnert darf mit über 70 auf eine baldige Impfung hoffen. Weil für den an Leukämie Erkrankten aber jeder Tag zählt, stellte er einen Antrag auf höchste Priorisierung bei der Härtefallkommission. Erfolglos. Doch er will weiter kä
Sonja Lehnert-Martinello und ihr Mann Bernhard Lehnert (73), leben schon seit über einem Jahr in völliger Isolation. Der Grund: Bernhard Lehnert erkrankte 2019 an Blutkrebs. Im Februar 2020, noch bevor die Corona-Pandemie so richtig ausbrach, bekam er eine Stammzell-Transplantation. Nach einer solchen Transplantation ist der Körper geschwächt und anfällig für Infektionen. „Wir waren schon vor allen anderen vermummt“, erinnert sich Sonja Lehnert-Martinello. Corona zwang das Ehepaar dann weiter in die Einsamkeit. Töchter und Enkel wohnen zwar in der selben Straße in Quierschied – gesehen haben sie den Opa aber nur über den Balkon. Zu Weihnachten gab es gegrillte Würstchen auf Distanz: Die Familie traf sich unter einem neuen Heizstrahler auf der Terrasse.
In den letzten 14 Monaten gab es für Bernhard Lehnert nur zwei Orte abseits der eigenen vier Wände: Die Uniklinik in Homburg oder den Wald.
Bernhard Lehnert und seine Frau steckten nun große Hoffnung in die Impfung. Aufgrund der Schwere von Bernhards Erkrankung war sich das Paar sicher, dass der frühere Unternehmer einen schnellen Impftermin bekommt. Zunächst waren jedoch die über 80-Jährigen dran. Dann durfte sich der 73-Jährige anmelden. Die Registrierung erledigte seine Frau. Die Gruppe der über 70-Jährigen ist jedoch groß und Corona nicht für alle gleich bedrohlich. Bei ihrem Mann zähle jeder Tag, sagt Sonja Lehnert-Martinello. Eine Covid-Erkrankung würde für ihn den Tod bedeuten.
Kurz nach der Registrierung erfuhren die beiden davon, dass die saarländische Härtefallkommission ihre Arbeit aufnimmt (16. Februar). Die neue Instanz besteht unter anderem aus Medizinern und Politikern und bearbeitet Anträge auf schnelle Impfung. Dabei begutachtet sie mitgelieferte ärztliche Bescheinigungen, die belegen, dass eine Covid-19-Erkrankung des Patienten wohl tödlich enden würde. Eine solche Bescheinigung vom Arzt bekam Bernhard Lehnert. Seine Frau schickte die Dokumente an die Härtefallkommission – und bekam kurz darauf über ihren Hausarzt einen sogenannten Priorisierungscode.
In der Hoffnung, endlich schnell einen Termin zu erhalten, gab Sonja Lehnert-Martinello den Code in der Anmeldemaske ein. Dort zeigte das System jedoch an, dass Herr Bernhard Lehnert bereits angemeldet sei. Der Code wurde nicht angenommen. „Hätte ich meinen Mann vorher nicht schon als über 70-Jährigen angemeldet, hätte ich den Code eingeben können“, erklärt sie das Dilemma. Verhindert ein Fehler in der Programmierung also, dass Schwerkranke bevorzugt geimpft werden?
Die Ehefrau wandte sich daraufhin hilfesuchend an die Impfhotline des Saar-Gesundheitsministeriums, wo man ihr nicht weiterhelfen konnte. Daraufhin suchte sie nach weiteren Möglichkeiten und meldete ihren Mann schließlich als Bernard (ohne h) im Registrierungssystem mit dem neuen Code an. Das funktionierte.
Weil Frau Lehnert-Martinello fürchtete, dass ihr Mann nicht der einzige Betroffene ist, wandte sich die Quierschiederin auch an unsere Zeitung. Beim Gesundheitsministerium hieß es dazu auf SZ-Nachfrage, dass dies vereinzelt vorkomme. „Das Anmeldesystem lässt keine Doppelbuchungen zu, um Mehrfachanmeldungen auf der Impfliste präventiv zu vermeiden.“Laut Ministerium sei es aber völlig unerheblich, ob ein Impfling wegen seines Alters oder einer Vorerkrankung auf der Impfliste für die Priorisierungsgruppe 2 registriert ist. Innerhalb der Gruppe werde nämlich nicht weiter priorisiert.
Was heißt das nun für Bernhard Lehnert? Der Priorisierungscode vom Arzt ist für den Leukämiekranken völlig wertlos. Geholfen hätte ihm lediglich eine Höherpriorisierung durch die Härtefallkommission. Dem saarländischen Gesundheitsministerium zufolge könne die Härtefallkommission einem Antragssteller direkt einen Impftermin zuteilen, diesen in eine bessere Priorisierungsgruppe einstufen, oder ihn eben auch innerhalb der Gruppe als „bevorzugt zu impfen“klassifizieren.
In dem Entscheid, den Bernhard Lehnert von der Härtefallkommission bekommen hat, steht: „Anspruch auf Schutzimpfung mit hoher Priorität.“Was zunächst nicht nach einer Ablehnung klingt, bedeutet für den Blutkrebspatienten aber, dass er laut Härtefallkommission gegenüber anderen über 70-Jährigen nicht schneller an eine Impfung kommt. Im von Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) signierten Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, heißt es weiter: „Sollte eine Höherpriorisierung Ihrerseits begehrt oder aus Sicht ihres behandelnden Arztes angezeigt sein, wird um eine Präzisierung des Attests gebeten.“Sonja Lehnert-Martinello und ihr Ehemann können das nicht nachvollziehen. Der behandelnde Arzt am Uniklinikum hatte Bernhard Lehnert „aufgrund von Vorerkrankung und Blutkrankheit“schon das „höchste Risiko“attestiert und eine schnelle Covid-Impfung gefordert.
Die Härtefallkommission wollte ihre konkrete Entscheidungsfindung im Fall Lehnert aus Datenschutzgründen nicht mitteilen. Saar-Ärztekammerpräsident Dr Josef Mischo, der auch Mitglied der Härtefallkommission ist, erklärte aber auf SZ-Nachfrage, dass man sich bei allen Abwägungen an die Impfverordnung halte. Diese mache klare Vorgaben für bestimmte Erkrankungen – auch für Leukämie. Ist der Zustand des Blutkrebs-Patienten stabil, gebe es keinen Grund ihn zusätzlich noch weiter vorzuziehen. Einen
Unterschied mache es, wenn ein Krebskranker eine Lebenserwartung von nur noch wenigen Monaten habe. „Denjenigen würden wir dann sofort impfen“, sagt Mischo.
Für die sechsköpfige Kommission seien solche Entscheidungen nicht leicht. Er betont aber auch: „Wenn wir jemanden höher priorisieren, bedeutet das auch immer, dass jemand anderes nach hinten rutscht“, erklärt der Ärztekammerpräsident.
Die Lehnerts möchten sich nicht mit der Entscheidung abfinden. „Manchmal macht es Sinn, die Befunde nochmal gemeinsam mit dem Arzt durchzugehen“, sagt Mischo. Vielleicht sei noch ein entscheidender Aspekt vergessen worden. Es bliebe auch noch der Klageweg. Doch der koste häufig viel Zeit Das Paar aus Quierschied will weiter kämpfen Ein Termin irgendwann demnächst reicht ihnen nicht – in Isolation gelebt habe man schon lang genug.