Ein Sonnenaufgang in der Pandemie
Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und Vize Anke Rehlinger (SPD) verkünden frohe Botschaft für Saarländer: Nach Ostern wird wieder geöffnet.
Impfen, testen, öffnen: Es schmeckte so nach Perspektive, nach Sommer, Worte fast wie ein Sonnenaufgang: Außengastro, Fitnessstudios, Sport mit Kontakt. Alles bald wieder möglich, „unter Vorlage eines tagesaktuellen Tests“, sagte Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am Donnerstag in seiner Regierungserklärung im Landtag, was er bereits kurz zuvor gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD) der Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz vorgestellt hatte. Die frühlingshaften Szenarien, die der 43-Jährige am Donnerstagmorgen im Landtag in Worten ausbreitete, sollen im „Saarland-Modell“nach und nach Wirklichkeit werden – ab dem 6. April. Wenn die Inzidenz im Saarland insgesamt nicht über 100 liegt. Und wenn es bis dahin „kein exponentielles Wachstum der Infektionszahlen gibt“, sagte Hans. Im Saarland liegt die Ansteckungszahl unter 100 000 Menschen in den vergangenen sieben Tagen bei 73,1 – Tendenz steigend, „jedoch kein exponentielles Wachstum“wie im Bund, wie Hans betonte.
Rehlinger kann dem Datum 6. April auch viel Gutes abgewinnen, da sie am geplanten Tag der Öffnungen ihren 45. Geburtstag feiert. Es sei an der Zeit, die Weichen dafür zu stellen, „mit Corona zu leben“. Sie stellte aber dennoch die Frage, was sei, wenn wir bis 6. April wieder eine 100er-Inzidenz haben? „Sind wir dann schon wieder raus, rufen wir wieder ein Plenum ein und erklären, dass wir es wieder sein lassen? Ich sage: Wenn die 100er-Inzidenz da sein sollte, müssen wir gucken, warum wir dort sind und was nicht so gut gelaufen ist, wie wir uns das jetzt denken. Doch ideenlos in den Lockdown zurückzugehen oder in ihm zu verbleiben, ist für mich nicht die erste Priorität.“Neben dem Inzidenzwert sei auch die Frage, wie viele Betten in den Krankenhäusern belegt sind, „entscheidend“.
Kontakte einschränken, alles schließen: „Es muss uns nach einem Jahr Corona-Pandemie mehr einfallen“, betonte Hans. Daher habe die Ministerpräsidentenrunde am Montag mit dem Kanzleramt „die Möglichkeit von Modellprojekten in denjenigen Regionen eröffnet, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz stabil weniger als 100 beträgt.“
Dies sei eine Voraussetzung für die Lockerungen. Genau wie der Rückgang der Zahl der Toten im Saarland. „Verzeichneten wir in der Woche vom 15. bis zum 21. Februar noch 36 Verstorbene, so waren es in der vergangenen Woche nur noch fünf“, sagt Hans. Das sei ein „einschneidender Etappensieg“. Auch die Zahl der stationär behandelten Covid-19-Patienten falle. „Sie liegt zurzeit bei etwa 110. Ich erinnere: Auf dem Höhepunkt der zweiten Welle im Dezember lag sie bei über 360.“Allerdings verzeichnete Hans eine „leichte Steigerung“bei der Zahl der intensiv behandelten und beatmeten Covid-19-Patienten. Die saarländischen Intensivbetten seien derzeit zu gut 85 Prozent und unsere Beatmungsplätze zu knapp 60 Prozent belegt. „Leider kann sich das ganz schnell ändern“, erklärte Hans angesichts eines nahezu unberechenbaren Virus. Weitere Mutationen könnten auftreten. Jedoch kämen, so Rehlinger, mit dem Impfen und Testen jetzt zwei Gegenmittel hinzu, die in „ihrer Wirkmacht“immer stärker werden.
Testzentren, Ärzte, Apotheken – rund 350 Teststellen gibt es insgesamt im Saarland. Auch werde bereits seit längerem sichergestellt, wovon man in den allermeisten anderen Bundesländern noch weit entfernt sei, „nämlich ein Angebot von zwei Schnelltests pro Woche für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler“, lobte Hans. Tests seien auch genügend da: „Aktuell verfügen wir über knapp 1,3 Millionen Selbsttests und knapp 325 000 Schnelltests für die professionelle Anwendung. Die Lieferung weiterer Chargen ist zugesagt. All das kommt nicht zuletzt daher, dass wir frühzeitig 2,5 Millionen Schnelltests bestellt haben.“In Sachen Testinfrastruktur und Testkapazitäten habe man „beste Voraussetzungen, ein solches Modellprojekt erfolgreich durchzuführen“.
Auch beim Impfen sei das Saarland bundesweit vorne. „Bisher wurden etwa 150 000 Impfungen vorgenommen, davon etwa 110 000 Erst- und rund 40 000 Zweitimpfungen“, nannte Hans Zahlen. Zu den 80 000 Dosen aus der Sonderlieferung für Grenzregionen (wir berichteten) erwarte man für den April noch über 100 000 weitere Impfdosen. „Nach Ostern werden dann auch etwa 750 Ärzte und Ärztinnen in zirka 500 Praxen in die Impfungen einsteigen“, verspricht Hans.
„Mit einer Quote von an die zwölf Prozent bei den Erstimpfungen liegen wir an der Spitze aller Bundesländer, zwei Prozentpunkte über dem Bundesschnitt“, sagte der Ministerpräsident. Das sieht Oskar Lafontaine, Chef der Linksfraktion im Landtag, anders. Das Saarland stehe zwar bei den Erstimpfungen gut da, bei den Zweitimpfungen rangiere es jedoch nur im unteren Drittel der Tabelle. Und er merkt an, dass im Saarland
wesentlich weniger PCR-Tests als in den Nachbarregionen Moselle oder Luxemburg gemacht würden. Die Schnelltests seien nicht so sicher.
Beim Testen wie auch beim Impfen „gehört das Saarland zur Spitzengruppe in Deutschland“, betonte hingegen Hans: „Vielleicht hängt es ja auch damit zusammen, dass das Pandemie-Geschehen im Saarland trotz britischer und südafrikanischer Variante zurzeit weniger dramatisch und weniger dynamisch ist als im Bund“, vermutete der Ministerpräsident. Dennoch sei sie hier. Die britische Variante B.1.1.7 wie auch die südafrikanische Variante B.1.351. „Insgesamt haben laut den jüngsten Daten der Universität des Saarlandes beide Varianten im Saarland bereits einen Anteil von fast 75 Prozent, über 55 Prozent B.1.1.7 und über 18 Prozent B.1.351“, sagte Hans.
Die AfD im Landtag kritisiert den neuen Weg der Landesregierung als noch zu kurz gegriffen. Fraktionschef Josef Dörr will den „Normalzustand herstellen, Grundrechte sofort zurückgeben“und mit gezielten Maßnahmen dort ergreifen, wo das Virus zuschlägt. „Eigenverantwortung zulassen und einfordern“, sagte er. Lafontaine hingegen bewertet den Plan der Landesregierung positiv. „Das ist genau der Plan B, den wir vor einigen Wochen vorgestellt haben.“
„Wenn dieser Weg erfolgreich ist, werden wir für die Zeit nach dem 18. April auch weitere Öffnungsschritte in Erwägung ziehen“, sagte Hans – in der Innen-Gastronomie, im Bereich des Ehrenamts, „in den Schulen“, verspricht er. Dennoch, bis dahin – und auch danach: Kontaktbeschränkungen seien „nach wie vor unerlässlich“.