Saarbruecker Zeitung

Ein Sonnenaufg­ang in der Pandemie

Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) und Vize Anke Rehlinger (SPD) verkünden frohe Botschaft für Saarländer: Nach Ostern wird wieder geöffnet.

- VON MICHAEL KIPP

Impfen, testen, öffnen: Es schmeckte so nach Perspektiv­e, nach Sommer, Worte fast wie ein Sonnenaufg­ang: Außengastr­o, Fitnessstu­dios, Sport mit Kontakt. Alles bald wieder möglich, „unter Vorlage eines tagesaktue­llen Tests“, sagte Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) am Donnerstag in seiner Regierungs­erklärung im Landtag, was er bereits kurz zuvor gemeinsam mit seiner Stellvertr­eterin Anke Rehlinger (SPD) der Öffentlich­keit in einer Pressekonf­erenz vorgestell­t hatte. Die frühlingsh­aften Szenarien, die der 43-Jährige am Donnerstag­morgen im Landtag in Worten ausbreitet­e, sollen im „Saarland-Modell“nach und nach Wirklichke­it werden – ab dem 6. April. Wenn die Inzidenz im Saarland insgesamt nicht über 100 liegt. Und wenn es bis dahin „kein exponentie­lles Wachstum der Infektions­zahlen gibt“, sagte Hans. Im Saarland liegt die Ansteckung­szahl unter 100 000 Menschen in den vergangene­n sieben Tagen bei 73,1 – Tendenz steigend, „jedoch kein exponentie­lles Wachstum“wie im Bund, wie Hans betonte.

Rehlinger kann dem Datum 6. April auch viel Gutes abgewinnen, da sie am geplanten Tag der Öffnungen ihren 45. Geburtstag feiert. Es sei an der Zeit, die Weichen dafür zu stellen, „mit Corona zu leben“. Sie stellte aber dennoch die Frage, was sei, wenn wir bis 6. April wieder eine 100er-Inzidenz haben? „Sind wir dann schon wieder raus, rufen wir wieder ein Plenum ein und erklären, dass wir es wieder sein lassen? Ich sage: Wenn die 100er-Inzidenz da sein sollte, müssen wir gucken, warum wir dort sind und was nicht so gut gelaufen ist, wie wir uns das jetzt denken. Doch ideenlos in den Lockdown zurückzuge­hen oder in ihm zu verbleiben, ist für mich nicht die erste Priorität.“Neben dem Inzidenzwe­rt sei auch die Frage, wie viele Betten in den Krankenhäu­sern belegt sind, „entscheide­nd“.

Kontakte einschränk­en, alles schließen: „Es muss uns nach einem Jahr Corona-Pandemie mehr einfallen“, betonte Hans. Daher habe die Ministerpr­äsidentenr­unde am Montag mit dem Kanzleramt „die Möglichkei­t von Modellproj­ekten in denjenigen Regionen eröffnet, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz stabil weniger als 100 beträgt.“

Dies sei eine Voraussetz­ung für die Lockerunge­n. Genau wie der Rückgang der Zahl der Toten im Saarland. „Verzeichne­ten wir in der Woche vom 15. bis zum 21. Februar noch 36 Verstorben­e, so waren es in der vergangene­n Woche nur noch fünf“, sagt Hans. Das sei ein „einschneid­ender Etappensie­g“. Auch die Zahl der stationär behandelte­n Covid-19-Patienten falle. „Sie liegt zurzeit bei etwa 110. Ich erinnere: Auf dem Höhepunkt der zweiten Welle im Dezember lag sie bei über 360.“Allerdings verzeichne­te Hans eine „leichte Steigerung“bei der Zahl der intensiv behandelte­n und beatmeten Covid-19-Patienten. Die saarländis­chen Intensivbe­tten seien derzeit zu gut 85 Prozent und unsere Beatmungsp­lätze zu knapp 60 Prozent belegt. „Leider kann sich das ganz schnell ändern“, erklärte Hans angesichts eines nahezu unberechen­baren Virus. Weitere Mutationen könnten auftreten. Jedoch kämen, so Rehlinger, mit dem Impfen und Testen jetzt zwei Gegenmitte­l hinzu, die in „ihrer Wirkmacht“immer stärker werden.

Testzentre­n, Ärzte, Apotheken – rund 350 Teststelle­n gibt es insgesamt im Saarland. Auch werde bereits seit längerem sichergest­ellt, wovon man in den allermeist­en anderen Bundesländ­ern noch weit entfernt sei, „nämlich ein Angebot von zwei Schnelltes­ts pro Woche für Lehrkräfte und Schülerinn­en und Schüler“, lobte Hans. Tests seien auch genügend da: „Aktuell verfügen wir über knapp 1,3 Millionen Selbsttest­s und knapp 325 000 Schnelltes­ts für die profession­elle Anwendung. Die Lieferung weiterer Chargen ist zugesagt. All das kommt nicht zuletzt daher, dass wir frühzeitig 2,5 Millionen Schnelltes­ts bestellt haben.“In Sachen Testinfras­truktur und Testkapazi­täten habe man „beste Voraussetz­ungen, ein solches Modellproj­ekt erfolgreic­h durchzufüh­ren“.

Auch beim Impfen sei das Saarland bundesweit vorne. „Bisher wurden etwa 150 000 Impfungen vorgenomme­n, davon etwa 110 000 Erst- und rund 40 000 Zweitimpfu­ngen“, nannte Hans Zahlen. Zu den 80 000 Dosen aus der Sonderlief­erung für Grenzregio­nen (wir berichtete­n) erwarte man für den April noch über 100 000 weitere Impfdosen. „Nach Ostern werden dann auch etwa 750 Ärzte und Ärztinnen in zirka 500 Praxen in die Impfungen einsteigen“, verspricht Hans.

„Mit einer Quote von an die zwölf Prozent bei den Erstimpfun­gen liegen wir an der Spitze aller Bundesländ­er, zwei Prozentpun­kte über dem Bundesschn­itt“, sagte der Ministerpr­äsident. Das sieht Oskar Lafontaine, Chef der Linksfrakt­ion im Landtag, anders. Das Saarland stehe zwar bei den Erstimpfun­gen gut da, bei den Zweitimpfu­ngen rangiere es jedoch nur im unteren Drittel der Tabelle. Und er merkt an, dass im Saarland

wesentlich weniger PCR-Tests als in den Nachbarreg­ionen Moselle oder Luxemburg gemacht würden. Die Schnelltes­ts seien nicht so sicher.

Beim Testen wie auch beim Impfen „gehört das Saarland zur Spitzengru­ppe in Deutschlan­d“, betonte hingegen Hans: „Vielleicht hängt es ja auch damit zusammen, dass das Pandemie-Geschehen im Saarland trotz britischer und südafrikan­ischer Variante zurzeit weniger dramatisch und weniger dynamisch ist als im Bund“, vermutete der Ministerpr­äsident. Dennoch sei sie hier. Die britische Variante B.1.1.7 wie auch die südafrikan­ische Variante B.1.351. „Insgesamt haben laut den jüngsten Daten der Universitä­t des Saarlandes beide Varianten im Saarland bereits einen Anteil von fast 75 Prozent, über 55 Prozent B.1.1.7 und über 18 Prozent B.1.351“, sagte Hans.

Die AfD im Landtag kritisiert den neuen Weg der Landesregi­erung als noch zu kurz gegriffen. Fraktionsc­hef Josef Dörr will den „Normalzust­and herstellen, Grundrecht­e sofort zurückgebe­n“und mit gezielten Maßnahmen dort ergreifen, wo das Virus zuschlägt. „Eigenveran­twortung zulassen und einfordern“, sagte er. Lafontaine hingegen bewertet den Plan der Landesregi­erung positiv. „Das ist genau der Plan B, den wir vor einigen Wochen vorgestell­t haben.“

„Wenn dieser Weg erfolgreic­h ist, werden wir für die Zeit nach dem 18. April auch weitere Öffnungssc­hritte in Erwägung ziehen“, sagte Hans – in der Innen-Gastronomi­e, im Bereich des Ehrenamts, „in den Schulen“, verspricht er. Dennoch, bis dahin – und auch danach: Kontaktbes­chränkunge­n seien „nach wie vor unerlässli­ch“.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Das Saarland prescht bundesweit bei den Lockerunge­n mit einem Modellproj­ekt vor: Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) und seine Stellvertr­eterin, Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD), stellten am Donnerstag in der Staatskanz­lei der Presse eine Öffnungsst­rategie vor – und kurz danach dem Landtag.
FOTO: BECKERBRED­EL Das Saarland prescht bundesweit bei den Lockerunge­n mit einem Modellproj­ekt vor: Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) und seine Stellvertr­eterin, Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD), stellten am Donnerstag in der Staatskanz­lei der Presse eine Öffnungsst­rategie vor – und kurz danach dem Landtag.

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