Suezkanal ist wieder befahrbar
Nach fast einer Woche ist die Blockade auf einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt aufgelöst. Doch nun warten hunderte Schiffe vor dem Suezkanal.
Mit Hilfe der Flut ist es Schleppern am Montag gelungen, das seit fast einer Woche den Suezkanal blockierende Containerschiff „Ever Given“wieder flott zu machen. Der Bug des 220 000-Tonnen-Schiffs wurde vom Sandufer geschleppt. Obwohl der Frachter wieder frei ist, könnte es noch Tage dauern, bis sich der Verkehr auf einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt wieder normalisiert hat. Zuletzt warteten rund 370 Schiffe auf Durchfahrt.
(dpa) Nach tagelanger Blockade durch ein riesiges Containerschiff ist der Suezkanal wieder frei. Die „Ever Given“wurde am Montagnachmittag wieder vollständig flottgemacht, wie das Bergungsunternehmen Boskalis am Montag mitteilte. Die niederländische Firma hatte Ägypten bei der Freilegung unterstützt. Helfer baggerten dafür rund 30 000 Kubikmeter Sand weg. Bis sich der Verkehr auf der wichtigen Handelsroute normalisiert, dürften aber noch Tage vergehen.
Auch der Schifffahrtsdienstleister Leth Agencies berichtete von der erfolgreichen Bergung des riesigen Frachters, der sich nach einem Sandsturm auf der Seestraße quergestellt hatte. Das 400 Meter lange Schiff bewegte sich nach der Bergung erstmals wieder aus eigener Kraft auf dem Kanal.
Die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd geht davon aus, dass sich der Stau innerhalb von vier Tagen auflöst. Die Fahrten durch den Suezkanal könnten demnach noch am Montagabend wieder aufgenommen werden.
Der Kanalbehörde zufolge warteten zuletzt rund 370 Schiffe auf beiden Seiten des Kanals auf Durchfahrt. Der Finanznachrichtendienst Bloomberg berichtete am Montag von 450 Schiffen im Stau. Mehrere Reedereien hatten bereits begonnen, ihre Schiffe über das Kap der Guten Hoffnung in Afrika zu schicken, was einen Umweg von Tausenden Kilometern bedeutet.
Wann die „Ever Given“ihre Fahrt in nördlicher Richtung auf dem Weg nach Rotterdam im Kanal fortsetzen kann, war zunächst unklar. Der Kanalbehörde zufolge soll das Schiff zunächst am Großen Bittersee am nördlichen Ende des Suezkanals untersucht werden. Zudem soll die Ursache für den Unfall geklärt werden. Der Frachter war am Dienstag auf Grund gelaufen. Bagger und Schlepper hatten seitdem versucht, ihn freizulegen.
Von der Blockade sind in Deutschland insbesondere die Chemie- und Autoindustrie sowie der maschinenund Anlagenbau betroffen. Die Branchen bekommen Teile für ihre Produktion aus Asien, die über den Suezkanal transportiert werden, wie es vom Deutschen Industrieund Handelskammertag hieß. Die Lage für die Industrie sei auch ohne die Sperrung bereits angespannt gewesen.
„Schon die Corona-Krise hat für Verwerfungen im maritimen Handel gesorgt und die Preise für den Container-Transport explodieren lassen“, sagte Vincent Stamer, Experte für den maritimen Handel beim InstitutfürWeltwirtschaft(IfW).Die Havarie und ihre Nachwirkungen seien hinzugekommen.
Die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie warnte vor langen Folgen. Die Normalisierung des Verkehrs von und nach Asien werde nur langsam vorangehen. „Die Lieferketten waren schon vor dem Ereignis unter Druck und werden es auch noch mehrere Wochen bleiben, auch weil der bestehende Engpass an Containern sich durch den Rückstau vor dem Kanal zunächst vergrößert“, sagte der Chefvolkswirt des Branchenverbands VCI, Henrik Meincke.
Der Suezkanal hat für die deutsche Wirtschaft eine große Bedeutung. Das gilt auch für die Chemie-Industrie mit rund 464 000 Beschäftigten hierzulande: Rund 16 Prozent der Chemieimporte kommen aus Asien
per Schiff durch den Suezkanal. Zugleich gehen 18 Prozent der Chemieexporte durch die Wasserstraße nach Asien. Darunter sind laut VCI Chemieprodukte wie Industriegase, Düngemittel, Farben, Kunststoffe, Chemiefasern, Pflanzenschutzmittel oder Klebstoffe.
Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und bietet damit den kürzesten Weg zwischen Asien und Europa. Im Jahr 2020 durchfuhren nach Angaben der Kanalbehörde fast 19 000 Schiffe die Wasserstraße.
„Die Lieferketten waren schon vor dem Ereignis
unter Druck.“
Henrik Meincke
Chefsvolkswirt beim Verband der Chemischen Industrie