Viele Jugendliche sind deprimiert und einsam
Einsam, depressiv und resigniert: Eine Umfrage unter 170 Jugendlichen, die früher regelmäßig Jugendzentren besuchten, zeigt die Verheerungen, die die Kontaktbeschränkungen unter jungen Menschen anrichten.
Eine Online-Umfrage saarländischer Jugendzentren zum Leben unter Pandemie-Bedingungen kommt zu einem deprimierenden Ergebnis: Die Mehrzahl der 170 befragten Jugendlichen fühlt sich einsam, hat Zukunftsangst. Sozialarbeiter fordern die Öffnung der Zentren.
In einer Online-Befragung hat der Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung („juz-united“) junge Leute zu den Auswirkungen der Einschränkungen durch die Corona-Krise befragt. Dabei habe sich „ein erschreckendes Bild der Lebenssituation Jugendlicher“abgezeichnet, so Geschäftsführer Theo Koch. Die 170 Befragten im Alter zwischen zwölf und 29 Jahren aus selbstorganisierten Jugendtreffs gaben unter anderem an, sich sowohl von ihren Freunden als auch von ihrer Familie sozial isoliert und einsam zu fühlen. Zu den Antworten der Jugendlichen gehören Aussagen wie „Mein einziger sozialer Kontakt ist mein Hund“, „Jeder Tag fühlt sich ähnlich bis gleich an“und „Ich fühle mich leer und absolut nicht mehr glücklich. Hab‘ schon lange nicht mehr gelacht.“Die Befragung unterstreiche in erschütternder
Weise, was wissenschaftliche Studien über die prekäre Lebenssituation von Jugendlichen herausgefunden haben, nach denen ein Drittel der mittlerweile psychische Auffälligkeiten zeigte, erklärt Koch und ergänzt: „Zukunftsängste und Depressionen nehmen aufgrund der Restriktionen ein beängstigendes Ausmaß an.“
Ein großer Wunsch vieler der Befragten sei es, endlich nochmal unbeschwert die Freunde treffen zu können, so der Geschäftsführer weiter. Die allermeisten wünschten sich eine baldige Wiedereröffnung der Jugendclubs und stuften dies für sich persönlich als „sehr wichtig“ein. Rund 60 Prozent der Umfrage-Teilnehmer würden zudem das Ehrenamt im Jungendzentrum vermissen.
„Vor diesem Hintergrund fordert der Verband dringend eine schrittweise Öffnung der Jugendzentren und Jugendtreffs, damit diese zentralen Räume zur Bewältigung altersspezifischer Entwicklungsaufgaben den Jugendlichen wieder zur Verfügung stehen“, betont Koch. Mit 130 Einrichtungen seien die ehrenamtlich organisierten Zentren und Treffs im Saarland ein zentrales Feld jugendlicher Sozialisation.
Für Eva Möhler, Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Saarland, steht fest: „Der Geschäftsführer hat rundum recht, unsere Jugend ist hochbelastet und in ihren Entwicklungs-Möglichkeiten maximal beschnitten. Kindliche Basisbedürfnisse wie sozialer Kontakt waren so lange unerfüllt.“Dabei sei die so genannte Peer-Group, also die Gruppe von Gleichaltrigen mit großem Einfluss, der sich ein Individuum zugehörig fühlt, kein „Luxus-Party-Spaß“, sondern eine ganz essentielle Verbindung, ohne die die Ablösung aus dem Elternhaus nicht funktioniere.
Neben den Tatsachen, dass der Lockdown ein massiver Stress für junge Menschen sei und die Pandemie bei ihnen zu einer erheblichen Zunahme an psychischen Störungen führe, habe sich die Anzahl der vorher schon viel zu viel übergewichtigen und Online-süchtigen Kinder, verdoppelt. „Nicht alle dieser Effekte sind reversibel“, betont die Medizinerin.
Dass das Saarland Modellregion werden soll, die ermögliche, dass sich bis zu zehn junge Menschen wieder treffen können, ist für Möhler darüber hinaus „eine wirklich großartige Entscheidung, die letztlich der gesamtgesellschaftlichen Gesundheit – und dazu gehört nun mal auch die psychische – jetzt und auch langfristig sehr nutzen wird.“
Die Befragung von „juz united“bestätigte die bereits vorliegenden, wissenschaftlichen Befunde, sagt Stefan Behr Landesvorsitzender des Deutschen Kinderschutzbundes. Der Verein habe „die begründete Befürchtung, dass mit den politischen Maßnahmen, die getroffen worden sind, eine Generation Corona geschaffen wird.“Dies müsste unbedingt verhindert werden. „Wir dürfen auf gar keinen Fall die genannte Altersgruppe vergessen.“
Denn diese Jugendlichen würden sich in einer schwierigen Lebensphase befinden, noch mehr als andere Altersgruppen verlässliche Strukturen benötigen. Behr: „Wir erwarten ein klares Bekenntnis von der Politik zu den Kinder- und Jugendhilfe-Strukturen. Dazu gehört unbedingt die Wiederöffnung der Jugendzentren und -treffs unter Hygiene-Bedingungen“. Investitionen in diese Altersgruppe müssten Vorrang haben, wenn Schädigungen, die schon jetzt nachweislich entstanden sind, nicht noch weiter anwachsen sollen, appelliert der Landesvorsitzende.