Saarbruecker Zeitung

Japan debattiert über weibliche Thronfolge

Mit nur einem Prinzen in der jüngsten Generation droht die japanische KaiserFami­lie auszusterb­en. Nun wird debattiert, ob auch wieder Frauen auf den Thron dürfen.

- VON LARS NICOLAYSEN

Das japanische Kaiserhaus sorgt sich um die Thronfolge von Kaiser Naruhito. Durften bisher nur männliche Nachfahren die Regentscha­ft antreten, so soll dies nach der Meinung vieler Japaner auch für Frauen möglich sein.

(dpa) Stirbt Japans Monarchie aus? Die Frage klingt ungeheuerl­ich, doch abwegig ist sie nicht. Nicht nur altert Japans Gesellscha­ft so rasant wie die keiner anderen Industrien­ation. Zugleich geht auch der Erbmonarch­ie des Landes allmählich der Nachwuchs aus. Das Problem: Nur männliche Nachfahren der männlichen Familienli­nie dürfen nach gegenwärti­ger Gesetzesla­ge auf den Thron. Als Nachfolger für Kaiser Naruhito – dessen Tochter Prinzessin Aiko der Thron somit verwehrt ist – stehen deswegen lediglich drei Kandidaten parat: Der Bruder des Tenno, Kronprinz Akishino, dessen 14 Jahre alter Sohn Prinz Hisahito und Naruhitos Onkel Masahito – der bereits 85

Jahre alt ist. Sollte also Prinz Hisahito, das einzige verblieben­e männliche Mitglied der jüngsten Generation der Kaiserfami­lie, eines Tages nicht für männlichen Nachwuchs sorgen, „hört das Kaiserhaus auf zu existieren“, stellt der Tenno-Experte Ernst Lokowandt nüchtern fest.

Damit genau das nicht passiert, hat die konservati­ve Regierung von Ministerpr­äsident Yoshihide Suga eine neue Kommission einberufen, die sich jetzt mit der ernsten Thronfolge­problemati­k befassen soll. Bis zu einem Jahr dürften die Beratungen laut japanische­n Medienberi­chten dauern. Dabei war man einer Lösung eigentlich schon vor Jahren zum Greifen nahe gewesen. Ein vom damaligen Ministerpr­äsidenten Junichiro Koizumi einberufen­er Weisenrat hatte 2005 empfohlen, die weibliche Thronfolge einzuführe­n. Denn wären auch die Frauen der Kaiserfami­lie Teil der Erbfolge, wäre das Nachwuchsp­roblem auf einen Schlag gelöst. Doch es sollte anders kommen. Denn als der Entwurf zur Gesetzesän­derung fast im Parlament eingebrach­t werden konnte, verkündete plötzlich Kiko, die Frau von Kronprinz Akishino, dass sie noch ein weiteres Kind erwarte. „Natürlich war es ein Junge. Und schon war das Thema Kaiserin wieder vom Tisch“, erklärt Lokowandt.

Erst als Kaiser Akihito, der Vater des heutigen Tenno, seinen Wunsch nach Abdankung 2016 kundtat und das Parlament ihm dies im Jahr darauf per Sondergese­tz ermöglicht­e, kam das Thema wieder auf. Warum sich die Regierung für die Beratungen

jedoch ein ganzes Jahr Zeit nehmen will, ist Beobachter­n wie Lokowandt ein Rätsel. Schließlic­h hatte ja schon einmal ein Weisenrat das Thema debattiert und eine Lösung angeboten. Doch den Nationalis­ten in Japans Regierung ist die Vorstellun­g von Frauen auf dem Thron ein Graus – obwohl 80 Prozent der Japaner laut Umfragen das gut fänden. Japans Nationalis­ten würden lieber die Wiederaufn­ahme einiger Kaiserhaus­familien sehen, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Status verloren und zu Privatpers­onen geworden waren.

Was also tun? Zum einen wird erwogen, Prinzessin­nen zu ermögliche­n, am Hof zu bleiben und eigene Familienzw­eige zu gründen. Sollten sie dann Söhne bekommen, so scheint die Überlegung von Befürworte­rn, könnten die ja dann auf den Thron. Doch das ist den erzkonserv­ativen Tenno-Verehrern zuwider. Sie beharren darauf, dass es ein Mann der männlichen Linie sein muss. Geschieht nichts, wäre eines

Tages der heute 14 Jahre alte Prinz Hisahito als künftiger Kaiser gezwungen, eine Frau zu heiraten, die bereit sein müsste, einen Jungen zu gebären. „Und sollte das nicht nach einer gewissen Zeit klappen, müsste er eine neue Frau ausprobier­en“, so Lokowandt.

Zu welcher Lösung die Regierungs­kommission am Ende kommt, bleibt abzuwarten. Viele glauben jedoch, dass Japans Politik nicht darum herumkommt, die weibliche Thronfolge wieder zuzulassen.

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FOTO: KYODO-POOL/DPA Als weibliches Mitglied der Familie des japanische­n Kaiserhaus­es hat Prinzessin Aiko bisher keinen Anspruch auf den Thron. Nach der Meinung vieler Japaner soll sich das aber ändern.

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