Japan debattiert über weibliche Thronfolge
Mit nur einem Prinzen in der jüngsten Generation droht die japanische KaiserFamilie auszusterben. Nun wird debattiert, ob auch wieder Frauen auf den Thron dürfen.
Das japanische Kaiserhaus sorgt sich um die Thronfolge von Kaiser Naruhito. Durften bisher nur männliche Nachfahren die Regentschaft antreten, so soll dies nach der Meinung vieler Japaner auch für Frauen möglich sein.
(dpa) Stirbt Japans Monarchie aus? Die Frage klingt ungeheuerlich, doch abwegig ist sie nicht. Nicht nur altert Japans Gesellschaft so rasant wie die keiner anderen Industrienation. Zugleich geht auch der Erbmonarchie des Landes allmählich der Nachwuchs aus. Das Problem: Nur männliche Nachfahren der männlichen Familienlinie dürfen nach gegenwärtiger Gesetzeslage auf den Thron. Als Nachfolger für Kaiser Naruhito – dessen Tochter Prinzessin Aiko der Thron somit verwehrt ist – stehen deswegen lediglich drei Kandidaten parat: Der Bruder des Tenno, Kronprinz Akishino, dessen 14 Jahre alter Sohn Prinz Hisahito und Naruhitos Onkel Masahito – der bereits 85
Jahre alt ist. Sollte also Prinz Hisahito, das einzige verbliebene männliche Mitglied der jüngsten Generation der Kaiserfamilie, eines Tages nicht für männlichen Nachwuchs sorgen, „hört das Kaiserhaus auf zu existieren“, stellt der Tenno-Experte Ernst Lokowandt nüchtern fest.
Damit genau das nicht passiert, hat die konservative Regierung von Ministerpräsident Yoshihide Suga eine neue Kommission einberufen, die sich jetzt mit der ernsten Thronfolgeproblematik befassen soll. Bis zu einem Jahr dürften die Beratungen laut japanischen Medienberichten dauern. Dabei war man einer Lösung eigentlich schon vor Jahren zum Greifen nahe gewesen. Ein vom damaligen Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi einberufener Weisenrat hatte 2005 empfohlen, die weibliche Thronfolge einzuführen. Denn wären auch die Frauen der Kaiserfamilie Teil der Erbfolge, wäre das Nachwuchsproblem auf einen Schlag gelöst. Doch es sollte anders kommen. Denn als der Entwurf zur Gesetzesänderung fast im Parlament eingebracht werden konnte, verkündete plötzlich Kiko, die Frau von Kronprinz Akishino, dass sie noch ein weiteres Kind erwarte. „Natürlich war es ein Junge. Und schon war das Thema Kaiserin wieder vom Tisch“, erklärt Lokowandt.
Erst als Kaiser Akihito, der Vater des heutigen Tenno, seinen Wunsch nach Abdankung 2016 kundtat und das Parlament ihm dies im Jahr darauf per Sondergesetz ermöglichte, kam das Thema wieder auf. Warum sich die Regierung für die Beratungen
jedoch ein ganzes Jahr Zeit nehmen will, ist Beobachtern wie Lokowandt ein Rätsel. Schließlich hatte ja schon einmal ein Weisenrat das Thema debattiert und eine Lösung angeboten. Doch den Nationalisten in Japans Regierung ist die Vorstellung von Frauen auf dem Thron ein Graus – obwohl 80 Prozent der Japaner laut Umfragen das gut fänden. Japans Nationalisten würden lieber die Wiederaufnahme einiger Kaiserhausfamilien sehen, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Status verloren und zu Privatpersonen geworden waren.
Was also tun? Zum einen wird erwogen, Prinzessinnen zu ermöglichen, am Hof zu bleiben und eigene Familienzweige zu gründen. Sollten sie dann Söhne bekommen, so scheint die Überlegung von Befürwortern, könnten die ja dann auf den Thron. Doch das ist den erzkonservativen Tenno-Verehrern zuwider. Sie beharren darauf, dass es ein Mann der männlichen Linie sein muss. Geschieht nichts, wäre eines
Tages der heute 14 Jahre alte Prinz Hisahito als künftiger Kaiser gezwungen, eine Frau zu heiraten, die bereit sein müsste, einen Jungen zu gebären. „Und sollte das nicht nach einer gewissen Zeit klappen, müsste er eine neue Frau ausprobieren“, so Lokowandt.
Zu welcher Lösung die Regierungskommission am Ende kommt, bleibt abzuwarten. Viele glauben jedoch, dass Japans Politik nicht darum herumkommt, die weibliche Thronfolge wieder zuzulassen.