Zwischen Bund und Ländern droht Ungemach
In der ARD-Sendung „Anne Will“übte die Kanzlerin Kritik am Vorgehen einzelner Länderchefs. Dafür erntet sie nun Widerspruch.
Einen Tag nach dem denkwürdigen Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der ARD-Sendung „Anne Will“nimmt die Debatte zwischen Bund und Ländern um den richtigen Kurs in der Corona-Bekämpfung weiter an Fahrt auf. „Jeder will, dass die Infektionszahlen runtergehen, und jeder hat für sein Land entsprechende Maßnahmen gemacht“, sagte Laschet am Montag in Berlin nach einer Sitzung des CDU-Präsidiums. Er räumte ein, dass diese Maßnahmen „sehr unterschiedlich“seien. Ausdrücklich verteidigte der CDU-Chef auch das unter anderem in Berlin geplante Konzept, Einkaufsmöglichkeiten mit Terminvergabe und Vorlage eines negativen Corona-Tests zu schaffen. Das sei eine Möglichkeit unter vielen, mehr infizierte Menschen zu entdecken und Infektionsketten zu durchbrechen.
Dagegen hatte Merkel in der ARD-Sendung gesagt: „Ich weiß jetzt wirklich nicht, ob Testen und Bummeln, wie es jetzt in Berlin heißt, die richtige Antwort auf das ist, was sich zur Zeit abspielt.“Merkel kritisierte in dem Interview, dass manche Länder die vereinbarte Notbremse bei Sieben-Tage-Inzidenzen über 100 nicht umsetzen. Auch Laschet tue das nicht, er sei aber nicht der Einzige, so Merkel. Wörtlich sagte die Kanzlerin: „Wir müssen mit einer großen Ernsthaftigkeit jetzt die geeigneten Maßnahmen einsetzen. Und einige Bundesländer tun das, andere tun es noch nicht.“Merkel deutete in der ARD an, dass der Bund über das Infektionsschutzgesetz national einheitliche Regelungen schaffen könnte. Laschet wies die Kritik für sein Land zurück. „Nordrhein-Westfalen hat die Notbremse flächendeckend verpflichtend für alle Landkreise per Verordnung umgesetzt.“
Merkel hatte auch den saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU) namentlich kritisiert, weil er für sein Bundesland ein Modellprojekt mit mehr Tests statt schärferem Lockdown nach Ostern angekündigt hatte. Hans entgegnete am Montag, dass an die Stelle von Beschränkungen dabei nicht Lockerungen, sondern Testauflagen treten würden. „Das wird uns langfristig helfen, das Infektionsgeschehen besser in den Griff zu bekommen“, sagte Hans. Die Öffnungsschritte nach Ostern seien an einen tagesaktuellen negativen Schnelltest geknüpft und böten dadurch Sicherheit. „Wir folgen damit dem von der MPK beschlossenen Plan“, so Hans.
Immer klarer zeichnet sich nun ab, dass es eine Vertrauenskrise der Regierungschefs in den Ländern untereinander und im Verhältnis zum Bund gibt. Für die Zukunft der Ministerpräsidentenkonferenz, die sich in den vergangenen Monaten zum wichtigsten Entscheidungsgremium zur Bekämpfung der Pandemie entwickelt hat, bedeutet das eine Zäsur. So forderte Laschet am Montag, dass die weiterhin erst für den 12. April geplante Ministerpräsidentenkonferenz in Präsenz stattfinden müsse, nicht wie bislang zumeist als Videoschalte. „Es ist die Auffassung des CDU-Präsidiums, dass eine Ministerpräsidentenkonferenz wie die letzte so nicht mehr stattfinden kann.“Auch müsse die Teilnehmerzahl wieder deutlich reduziert werden „Dass 60, 70, 80 Leute an einer solchen Konferenz beteiligt sind, trägt nicht zur Effektivität und zum Krisenmanagement in diesen Zeiten bei“, sagte Laschet. Während die meisten Länder also bei ihrer Linie bleiben wollen, zeigten sich erste Ministerpräsidenten
offen für eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes und mehr Kompetenzen des Bundes. So sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in den ARD-„Tagesthemen“, er könne sich mehr Kompetenzen in Bundeshand vorstellen, die die Länder zu klaren Regeln zwängen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), der mit hohen Inzidenzwerten zu kämpfen hat, forderte in dem Zusammenhang einen Stufenplan, wie ihn nun auch Merkel im TV-Interview in Aussicht gestellt hatte. „Ich bin verwundert, dass die Frau Bundeskanzlerin bis Anfang April braucht, um Forderungen aus Schleswig-Holstein, aus Niedersachsen und aus Thüringen für einen einheitlichen Stufenplan aufzugreifen“, sagte Ramelow. Er sprach sich zudem dafür aus, den russischen Impfstoff V nach Abschluss eines Rahmenvertrages auch in Deutschland produzieren zu lassen.
Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, kritisierte, dass die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu wenig ausgewertet würden, wodurch sich keine klaren Perspektiven nach vorne zeichnen ließen. „Eine Prognose darüber abzugeben, welche Maßnahmen zielführend sind, halte ich aktuell für schwierig. Das liegt auch daran, dass die Instrumentarien, die immer wieder herangezogen werden, nicht ausreichend evaluiert wurden“, sagte Weigeldt. „Stattdessen hangelt man sich von Maßnahme zu Maßnahme, wobei weder ein klarer Plan noch eine verlässliche Perspektive zu erkennen sind“, kritisierte er und forderte eine positivere Ansprache der Bürger. „Kommunikation ausschließlich über Drohszenarien ist mit Sicherheit nicht geeignet, die Menschen mitzunehmen. Damit muss dringend Schluss sein!“
„Ich weiß jetzt wirklich nicht, ob Testen und Bummeln die richtige Antwort auf das ist, was sich zur Zeit abspielt.“Angela Merkel (CDU) Bundeskanzlerin