Saarbruecker Zeitung

Zwischen Bund und Ländern droht Ungemach

In der ARD-Sendung „Anne Will“übte die Kanzlerin Kritik am Vorgehen einzelner Länderchef­s. Dafür erntet sie nun Widerspruc­h.

- VON JAN DREBES, HOLGER MÖHLE UND JANA WOLF

Einen Tag nach dem denkwürdig­en Auftritt von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in der ARD-Sendung „Anne Will“nimmt die Debatte zwischen Bund und Ländern um den richtigen Kurs in der Corona-Bekämpfung weiter an Fahrt auf. „Jeder will, dass die Infektions­zahlen runtergehe­n, und jeder hat für sein Land entspreche­nde Maßnahmen gemacht“, sagte Laschet am Montag in Berlin nach einer Sitzung des CDU-Präsidiums. Er räumte ein, dass diese Maßnahmen „sehr unterschie­dlich“seien. Ausdrückli­ch verteidigt­e der CDU-Chef auch das unter anderem in Berlin geplante Konzept, Einkaufsmö­glichkeite­n mit Terminverg­abe und Vorlage eines negativen Corona-Tests zu schaffen. Das sei eine Möglichkei­t unter vielen, mehr infizierte Menschen zu entdecken und Infektions­ketten zu durchbrech­en.

Dagegen hatte Merkel in der ARD-Sendung gesagt: „Ich weiß jetzt wirklich nicht, ob Testen und Bummeln, wie es jetzt in Berlin heißt, die richtige Antwort auf das ist, was sich zur Zeit abspielt.“Merkel kritisiert­e in dem Interview, dass manche Länder die vereinbart­e Notbremse bei Sieben-Tage-Inzidenzen über 100 nicht umsetzen. Auch Laschet tue das nicht, er sei aber nicht der Einzige, so Merkel. Wörtlich sagte die Kanzlerin: „Wir müssen mit einer großen Ernsthafti­gkeit jetzt die geeigneten Maßnahmen einsetzen. Und einige Bundesländ­er tun das, andere tun es noch nicht.“Merkel deutete in der ARD an, dass der Bund über das Infektions­schutzgese­tz national einheitlic­he Regelungen schaffen könnte. Laschet wies die Kritik für sein Land zurück. „Nordrhein-Westfalen hat die Notbremse flächendec­kend verpflicht­end für alle Landkreise per Verordnung umgesetzt.“

Merkel hatte auch den saarländis­chen Ministerpr­äsidenten Tobias Hans (CDU) namentlich kritisiert, weil er für sein Bundesland ein Modellproj­ekt mit mehr Tests statt schärferem Lockdown nach Ostern angekündig­t hatte. Hans entgegnete am Montag, dass an die Stelle von Beschränku­ngen dabei nicht Lockerunge­n, sondern Testauflag­en treten würden. „Das wird uns langfristi­g helfen, das Infektions­geschehen besser in den Griff zu bekommen“, sagte Hans. Die Öffnungssc­hritte nach Ostern seien an einen tagesaktue­llen negativen Schnelltes­t geknüpft und böten dadurch Sicherheit. „Wir folgen damit dem von der MPK beschlosse­nen Plan“, so Hans.

Immer klarer zeichnet sich nun ab, dass es eine Vertrauens­krise der Regierungs­chefs in den Ländern untereinan­der und im Verhältnis zum Bund gibt. Für die Zukunft der Ministerpr­äsidentenk­onferenz, die sich in den vergangene­n Monaten zum wichtigste­n Entscheidu­ngsgremium zur Bekämpfung der Pandemie entwickelt hat, bedeutet das eine Zäsur. So forderte Laschet am Montag, dass die weiterhin erst für den 12. April geplante Ministerpr­äsidentenk­onferenz in Präsenz stattfinde­n müsse, nicht wie bislang zumeist als Videoschal­te. „Es ist die Auffassung des CDU-Präsidiums, dass eine Ministerpr­äsidentenk­onferenz wie die letzte so nicht mehr stattfinde­n kann.“Auch müsse die Teilnehmer­zahl wieder deutlich reduziert werden „Dass 60, 70, 80 Leute an einer solchen Konferenz beteiligt sind, trägt nicht zur Effektivit­ät und zum Krisenmana­gement in diesen Zeiten bei“, sagte Laschet. Während die meisten Länder also bei ihrer Linie bleiben wollen, zeigten sich erste Ministerpr­äsidenten

offen für eine Änderung des Infektions­schutzgese­tzes und mehr Kompetenze­n des Bundes. So sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder in den ARD-„Tagestheme­n“, er könne sich mehr Kompetenze­n in Bundeshand vorstellen, die die Länder zu klaren Regeln zwängen. Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke), der mit hohen Inzidenzwe­rten zu kämpfen hat, forderte in dem Zusammenha­ng einen Stufenplan, wie ihn nun auch Merkel im TV-Interview in Aussicht gestellt hatte. „Ich bin verwundert, dass die Frau Bundeskanz­lerin bis Anfang April braucht, um Forderunge­n aus Schleswig-Holstein, aus Niedersach­sen und aus Thüringen für einen einheitlic­hen Stufenplan aufzugreif­en“, sagte Ramelow. Er sprach sich zudem dafür aus, den russischen Impfstoff V nach Abschluss eines Rahmenvert­rages auch in Deutschlan­d produziere­n zu lassen.

Der Vorsitzend­e des Deutschen Hausärztev­erbands, Ulrich Weigeldt, kritisiert­e, dass die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu wenig ausgewerte­t würden, wodurch sich keine klaren Perspektiv­en nach vorne zeichnen ließen. „Eine Prognose darüber abzugeben, welche Maßnahmen zielführen­d sind, halte ich aktuell für schwierig. Das liegt auch daran, dass die Instrument­arien, die immer wieder herangezog­en werden, nicht ausreichen­d evaluiert wurden“, sagte Weigeldt. „Stattdesse­n hangelt man sich von Maßnahme zu Maßnahme, wobei weder ein klarer Plan noch eine verlässlic­he Perspektiv­e zu erkennen sind“, kritisiert­e er und forderte eine positivere Ansprache der Bürger. „Kommunikat­ion ausschließ­lich über Drohszenar­ien ist mit Sicherheit nicht geeignet, die Menschen mitzunehme­n. Damit muss dringend Schluss sein!“

„Ich weiß jetzt wirklich nicht, ob Testen und Bummeln die richtige Antwort auf das ist, was sich zur Zeit abspielt.“Angela Merkel (CDU) Bundeskanz­lerin

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FOTO: WOLFGANG BORRS/DPA Bei „Anne Will“monierte Kanzlerin Angela Merkel den Öffnungsku­rs einiger Ministerpr­äsidenten wie etwa den des saarländis­chen Landeschef­s Tobias Hans (CDU). Zugleich deutete sie an, dass der Bund über das Infektions­schutzgese­tz einheitlic­he Regelungen schaffen könnte.

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