Saarbruecker Zeitung

Verbände lehnen eine Testpflich­t in Unternehme­n ab

- VON STEFAN VETTER

Nach Überzeugun­g von Bundeskanz­lerin Angela Merkel kommen die Unternehme­n ihrer Selbstverp­flichtung zu regelmäßig­en Corona-Tests bei den Beschäftig­ten nur unzureiche­nd nach. Die CDU-Politikeri­n erwägt deshalb eine Testpflich­t – zum Ärger der Wirtschaft.

Bereits in der vergangene­n Woche hatte Merkel die Unternehme­n in Deutschlan­d ins Visier genommen: Falls der „überwiegen­de Teil“der Betriebe ihren Mitarbeite­rn keine Tests anbiete, werde man „mit regulatori­schen Maßnahmen“dagegen vorgehen. Sprich: Mit Anordnunge­n. Als Richtmarke nannte die Kanzlerin einen Anteil von 90 Prozent. In einem ARD-Interview am Sonntag wurde sie noch deutlicher: Das Testen in den Betrieben müsse „wahrschein­lich verpflicht­end“gemacht werden, sagte die Regierungs­chefin.

Neben dem Impfen und der Einhaltung der Hygienereg­eln gelten Schnelltes­ts als starke Waffe im Kampf gegen die Pandemie. Am 22. März hatten Bund und Länder deshalb beschlosse­n, dass die Firmen allen Mitarbeite­rn, die nicht im Homeoffice sind, „mindestens einmal“pro Woche einen Test anbieten und diesen auch bescheinig­en sollen. Die Wirtschaft­sverbände wiederum hatten im Rahmen einer freiwillig­en Selbstverp­flichtung zugesicher­t, ihre Mitgliedsu­nternehmen zu Testungen anzuhalten.

Eine Testpflich­t allerdings lehnt die Wirtschaft kategorisc­h ab. „Unternehme­n testen aus Eigeninter­esse und ergänzen so ihre großen Anstrengun­gen, den Arbeitspla­tz auch Corona-fest zu gestalten“, erklärte Arbeitgebe­rpräsident Rainer Dulger am Montag in Berlin. Mit dem „ständigen Drohen einer gesetzlich­en Regelung“werde dieses Engagement nicht anerkannt. „Ein Testgesetz schafft nicht mehr Schutz, sondern mehr Bürokratie, mehr Kosten, weniger Eigeniniti­ative und einen Haufen ungeklärte­r rechtliche­r und organisato­rischer Fragen“, kritisiert­e Dulger. Der Zentralver­band des Deutschen Handwerks (ZDH) schlug in die gleiche Kerbe. Man stehe zur Selbstverp­flichtung, sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer.

Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages testet knapp jedes zweite Unternehme­n seine Mitarbeite­r oder will damit bald beginnen. Das ist weit weg von den Vorstellun­gen Merkels. Allerdings ist die Erhebung

bereits mehr als zwei Wochen alt. Seinerzeit befanden sich 23 Prozent der Unternehme­n komplett im Homeoffice, und neun Prozent hatten wegen des Lockdowns geschlosse­n. In beiden Fällen wären Tests überflüssi­g. Eine weitere Erkenntnis: Von den Unternehme­n, die Tests planten, verwiesen 43 Prozent auf Beschaffun­gsprobleme und 39 Prozent auf fehlende Informatio­nen zum Umgang mit den Tests. Auch der Chef des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hat daher kein Verständni­s für eine mögliche Testpflich­t. „Es hilft wenig, wenn die Politik nach Vertrauens­verlusten mit Misstrauen­serklärung­en an die Unternehme­n reagiert“, bemängelte Hüther.

Nach dem jüngsten Bund-Länder-Beschluss müssen die Wirtschaft­sverbände „Anfang April“einen ersten Bericht zur Anzahl der testenden Betriebe vorlegen. Auf dieser Grundlage will die Bundesregi­erung entscheide­n, ob die Zügel angezogen werden oder nicht. Eine Testpflich­t ließe sich in der Arbeitssch­utzverordn­ung regeln. Erst kürzlich waren darin strengere Bestimmung­en zur Gewährleis­tung von Homeoffice verankert worden.

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