Verbände lehnen eine Testpflicht in Unternehmen ab
Nach Überzeugung von Bundeskanzlerin Angela Merkel kommen die Unternehmen ihrer Selbstverpflichtung zu regelmäßigen Corona-Tests bei den Beschäftigten nur unzureichend nach. Die CDU-Politikerin erwägt deshalb eine Testpflicht – zum Ärger der Wirtschaft.
Bereits in der vergangenen Woche hatte Merkel die Unternehmen in Deutschland ins Visier genommen: Falls der „überwiegende Teil“der Betriebe ihren Mitarbeitern keine Tests anbiete, werde man „mit regulatorischen Maßnahmen“dagegen vorgehen. Sprich: Mit Anordnungen. Als Richtmarke nannte die Kanzlerin einen Anteil von 90 Prozent. In einem ARD-Interview am Sonntag wurde sie noch deutlicher: Das Testen in den Betrieben müsse „wahrscheinlich verpflichtend“gemacht werden, sagte die Regierungschefin.
Neben dem Impfen und der Einhaltung der Hygieneregeln gelten Schnelltests als starke Waffe im Kampf gegen die Pandemie. Am 22. März hatten Bund und Länder deshalb beschlossen, dass die Firmen allen Mitarbeitern, die nicht im Homeoffice sind, „mindestens einmal“pro Woche einen Test anbieten und diesen auch bescheinigen sollen. Die Wirtschaftsverbände wiederum hatten im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung zugesichert, ihre Mitgliedsunternehmen zu Testungen anzuhalten.
Eine Testpflicht allerdings lehnt die Wirtschaft kategorisch ab. „Unternehmen testen aus Eigeninteresse und ergänzen so ihre großen Anstrengungen, den Arbeitsplatz auch Corona-fest zu gestalten“, erklärte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger am Montag in Berlin. Mit dem „ständigen Drohen einer gesetzlichen Regelung“werde dieses Engagement nicht anerkannt. „Ein Testgesetz schafft nicht mehr Schutz, sondern mehr Bürokratie, mehr Kosten, weniger Eigeninitiative und einen Haufen ungeklärter rechtlicher und organisatorischer Fragen“, kritisierte Dulger. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) schlug in die gleiche Kerbe. Man stehe zur Selbstverpflichtung, sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer.
Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages testet knapp jedes zweite Unternehmen seine Mitarbeiter oder will damit bald beginnen. Das ist weit weg von den Vorstellungen Merkels. Allerdings ist die Erhebung
bereits mehr als zwei Wochen alt. Seinerzeit befanden sich 23 Prozent der Unternehmen komplett im Homeoffice, und neun Prozent hatten wegen des Lockdowns geschlossen. In beiden Fällen wären Tests überflüssig. Eine weitere Erkenntnis: Von den Unternehmen, die Tests planten, verwiesen 43 Prozent auf Beschaffungsprobleme und 39 Prozent auf fehlende Informationen zum Umgang mit den Tests. Auch der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hat daher kein Verständnis für eine mögliche Testpflicht. „Es hilft wenig, wenn die Politik nach Vertrauensverlusten mit Misstrauenserklärungen an die Unternehmen reagiert“, bemängelte Hüther.
Nach dem jüngsten Bund-Länder-Beschluss müssen die Wirtschaftsverbände „Anfang April“einen ersten Bericht zur Anzahl der testenden Betriebe vorlegen. Auf dieser Grundlage will die Bundesregierung entscheiden, ob die Zügel angezogen werden oder nicht. Eine Testpflicht ließe sich in der Arbeitsschutzverordnung regeln. Erst kürzlich waren darin strengere Bestimmungen zur Gewährleistung von Homeoffice verankert worden.