Stefan Kuntz auf der Erfolgsspur
Mit einem 0:0 gegen Rumänien zittert sich die deutsche U21 ins Viertelfinale der EM. Die Defensive überrascht positiv.
(dpa) In der riesigen Freude über das erreichte EM-Viertelfinale schaute Stefan Kuntz liebend gern auf spannende Monate voraus. „Ich bin froh, dass wir zumindest mal noch einen Auftritt auf der großen Bühne haben“, sagte der Nationaltrainer der deutschen U21-Fußballer nach dem erreichten Minimalziel. Wie seine Jung-Nationalspieler wirkte der Neunkircher Kuntz, der nach dem 0:0 gegen Rumänien in Budapest einmal mehr zu seinen Bundestrainer-Ambitionen befragt wurde, extrem erschöpft – und erleichtert.
Ende Mai kann sich seine Auswahl nun in der K.o.-Phase im Duell mit anderen Topteams messen, Halbfinale und Endspiel sollen bis zum 6. Juni folgen. „Das tut den jungen Spielern in ihrer Entwicklung gut. Und es tut diesem Jahrgang gut, um zu zeigen, ob noch mehr in ihm steckt“, sagte Kuntz, dessen als schwächer eingestufte EM-Garde absolute Turnier-Tauglichkeit bewies. Zur Party-Mucke „Bierkönig“wurde in der Kabine und im Flieger verdientermaßen gefeiert.
Die große Feier soll im Idealfall nach der K.o.-Runde des wegen der Corona-Pandemie zweigeteilten Turniers folgen – eine der nächsten Herausforderungen in diesem ungewöhnlichen Jahr für Kuntz. Der 58-Jährige bleibt im Kandidatenkreis für die Nachfolge von Bundestrainer Joachim Löw. „Wenn jemand beim DFB denkt, wir reden mal mit dem Stefan, dann werden die mich anrufen, und dann gehe ich auch dran“, sagte der Neunkircher und lachte. Sein Erfolg mit der U21-Generation,
die über deutlich weniger Erfahrung und Talente verfügt als ihre Vorgänger, könnte als Bewerbungsschreiben interpretiert werden. „Aber über mehr habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.“
Zwei Monate Zeit hat Kuntz bis zur K.o.-Phase der EM, im Viertelfinale am 31. Mai in Szekesfehervar ist Dänemark, Sieger der Gruppe C, der Gegner. „Jetzt analysieren wir das in Ruhe, und dann gehen wir an die Arbeit“, sagte Kuntz. Er darf im Mai einen neuen Kader nominieren, auf gesetzte Spieler oder Wackelkandidaten wollte er sich am Dienstagabend nicht festlegen. „Was beim Fußball in zwei Monaten passieren kann, ist schon enorm“, sagte Kuntz. Sechs Wochen nach dem EM-Finale wartet dann die nächste Herausforderung – die Olympischen Spiele in Tokio.
Begleitet wird die Planung des turbulenten Jahres durch die Unsicherheiten der Corona-Pandemie. „Im Moment sind so viele Sachen ungewöhnlich, dass man einfach schauen muss, wo liegt die Chance für mich, und wie mache ich das Beste daraus“, sagte der 58-Jährige. Immerhin: Auf die K.o.-Phase der EM kann Kuntz sein Team wohl mit einem Trainingslager vorbereiten, was vor der Gruppenphase nicht möglich war. „Dann haben wir die Chance, uns weiterzuentwickeln“, sagte der Trainer, der vor allem mit seiner Defensive zufrieden war.
Amos Pieper, Nico Schlotterbeck, Josha Vagnoman und David Raum etablierten sich in den drei Partien in Ungarn als stabile Viererkette, davor überzeugten Kapitän Arne Maier und Niklas Dorsch im defensiven Mittelfeld. „Es war eine Stabilität in der Defensive, die so nicht zu erwarten war“, lobte Kuntz seine Abwehr. Das einzige Gegentor in den drei Vorrunden-Partien resultierte aus dem schweren Patzer von Torwart Finn Dahmen beim 1:1 gegen die Niederlande.
Offensiv dagegen hat Kuntz noch einiges an Arbeit vor sich, wie er selbst zugab: „Da gibt es viele Sachen zu verbessern. Aber das dauert am längsten, das mit einer Mannschaft zu erarbeiten“, sagte der Ex-Stürmer. Vier Tore erzielte seine Auswahl in drei Spielen, doch vor allem gegen Rumänien wäre deutlich mehr drin gewesen. Lukas Nmecha setzte einen Handelfmeter an den Pfosten (72. Minute), Pieper scheiterte an der Latte. Auch deshalb musste die U21 lange zittern.
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U21-Debüt feiern und für mehr Torgefahr sorgen kann, ließ Kuntz offen. Die Gruppenspiele hatte der 16-Jährige von Borussia Dortmund, der bei einem Einsatz jüngster deutscher U21-Nationalspieler wäre, wegen einer Schienbeinprellung verpasst. „Kein Spieler kriegt von mir jetzt eine Zusage, dass er beim nächsten Mal wieder dabei ist“, sagte der U21-Trainer. „Dazwischen liegen zwei Monate.“Zeit genug für Kuntz, um an seinem Kader zu basteln – und offene Fragen zu beantworten.