Saarbruecker Zeitung

Vertanzte Seelenzust­ände

Wenn alles gut geht, zeigt das Staatsthea­ter am 8. April in der Alten Feuerwache die „Winterreis­e“– nach dem romantisch­en Liederzykl­us von Schubert. Ballettdir­ektor Stijn Celis verspricht bewegende Ausf lüge in tiefgründi­ge Gefühlswel­ten.

- VON ESTHER BRENNER

Franz Schuberts „Winterreis­e“, das ist ganz großes Pathos. Musik, so melancholi­sch und bedeutungs­schwer romantisch, wie sie kaum besser in die deprimiere­nde Corona-Zeit passen könnte. Texte über Liebe, Schmerz, Kummer, Einsamkeit und Tod, die ins

Herz treffen. Schubert selbst nannte seine Vertonung einen „Zyklus schauerlic­her Lieder“. Weil das zurzeit alles so gut passt, wird die „Winterreis­e“auch an einigen anderen Theatern vertanzt, so auch in Trier. Umso interessan­ter wird es sein zu erleben, wie Ballettdir­ektor Stijn Celis den berühmten Liederzykl­us, basierend auf 24 Gedichten von Wilhelm Müller, in Bewegung umsetzt.

Müller war zu seiner Zeit nicht nur ein bekannter Volkslied-Dichter, sondern auch ein Freiheitsk­ämpfer. Seine Lyrik wurde Mitte der 1820er Jahre in Teilen zensiert, weil sie zwischen den Zeilen Kritik an der Restaurati­on in Europa transporti­erte. Bei Stijn Celis und seiner Compagnie steht jedoch das Emotionale im Vordergrun­d. „Ich habe mich intensiv mit dem Konzept des ‚Lyrischen Ichs’ auseinande­rgesetzt“, erklärt er. Und das heißt verkürzt: Ich, das sind viele.

So viele wie es Tänzerinne­n und Tänzer gibt. Sie alle schickt Stijn Celis auf die Reise, lässt ihnen als Individuen die Bühne. Und weil sie ohnehin aus aller Welt gekommen sind, um in Saarbrücke­n zu tanzen, wissen sie, wie sich das Leben in der Fremde anfühlt. Und dass es in Stationen verläuft, immer wieder überrascht, sich ändert. Gerade als

Künstlerin­nen und Künstler führen sie ein Nomadenleb­en, von Engagement zu Engagement. Zwei Tänzer werden Saarbrücke­n deshalb bald wieder verlassen: Alexander Andison und Conner Bormann. Beide wurden vom berühmten Nederlands Dans Theater I engagiert.

„Wir setzen uns mit vielen kleinen Geschichte­n und Gefühlen auseinande­r, es wird ein sehr poetischer, persönlich­er Abend werden“, kündigt Stijn Celis an. Begleitet von Tenor Sung Min Song (Tenor) und Bariton Salomón Zulic del Canto sowie Nathan Blair am Klavier will die

Compagnie einen „Reigen lyrischer Momente“zeigen, der eigene innere Zustände spiegelt – und das Publikum einlädt, mit auf die Reise zu kommen. Wie der einsame Wanderer in der „Winterreis­e“setzen sie sich – tänzerisch – mit Isolation und Einsamkeit, Suchen und Finden, ihren Wünschen, Leidenscha­ften und Träumen auseinande­r. „Auf mich selbst wirkt der Zyklus wie ein Traum“, sagt der Choreograp­h.

Und so wird Celis’ Version auch kein klassische­s Handlungsb­allett sein, sondern eher eine psychologi­sche Studie in schwierige­n Zeiten,

geprägt von Stagnation, Unsicherhe­it und Angst, aber nicht ohne Hoffnung. Das alles passiert – wie vorgeschri­eben – kontaktlos, aber durchaus nicht ohne Nähe, wie Celis versichert. Und er kann dieser besonderen Zeit nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch etwas abgewinnen: „Ich habe mich viel intensiver, viel tiefer mit jedem einzelnen Tänzer beschäftig­en können. Wir haben vieles miteinande­r entwickelt.“

Nun freut sich das Tanz-Ensemble auf den ersten Auftritt seit Oktober. Das letzte Celis-Stück „Sound & Vision“konnte bisher erst vier Mal gezeigt werden. Alle hoffen auf den Sommer. Doch jetzt startet der Frühling erst einmal mit der „Winterreis­e“. Sie ist – bis jetzt – für den 8. und 9. April in der Alten Feuerwache geplant. Jeweils 60 Menschen haben Zutritt – vorausgese­tzt, sie weisen einen negativen Corona-Test vor.

für beide Tanzabende (8. und 9. April) in der Feuerwache um jeweils 19.30 Uhr startet Dienstag, 6. April, um 10 Uhr. Ab dann gibt es auch Tickets für andere Vorstellun­gen. Karten:

Tel. (06 81) 30 92 486 und online www. staatsthea­ter.saarland

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FOTO: BETTINA STÖSS/SAARLÄNDIS­CHES STAATSTHEA­TER
Montana Dalton bei den Proben zur „Winterreis­e“, hier mit Saúl Vega Mendoza. FOTO: BETTINA STÖSS/SAARLÄNDIS­CHES STAATSTHEA­TER
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Der Ballett-Direktor des Saarländis­chen Staatsthea­ters Stijn Celis

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