Biergarten? Oder nicht Biergarten?
Eine knappe Mehrheit der Gastronomen werde erst mal nicht mit der Bewirtung draußen starten, sagt deren Verband.
Dass man in einem Biergarten sitzen und trotzdem nicht mal ansatzweise gut drauf sein kann, hätte sich Michael Schley vor gut einem Jahr höchstwahrscheinlich nicht vorstellen können. Diese Woche meldte sich der ansonsten sehr lebensfrohe Mann nun doch „sehr, sehr traurig“aus einem Biergarten. Aus seinem eigenen. Trotz herrlichem Frühlingswetter saß der Saarbrücker Gastronom ganz allein in seinem zum Güdinger Wirtshaus „Wilde Ente“gehörenden Gastgarten direkt an der Saar. Und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Michael Schley gehört zu den Wirten, die ihren Betrieb noch „ein paar Wochen“, wie er sagt, geschlossen lassen. Für ihn spielt es erst mal keine Rolle, was die Landesregierung in Sachen Corona-Lockdown-Lockerungen nach Ostern verkündet.
Er ist nicht der einzige Wirt, dem erst mal egal ist, ob die Landesregierung zumindest Gastronomie im Freien wieder erlaubt. Der saarländische Landesverband des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), in dessen Präsidium Michael Schley sitzt, hat seine Mitglieder befragt. Das Ergebnis: „Rund 60 Prozent der Dehoga-Kolleginnen und -Kollegen lassen erst mal zu“, sagt Schley. Das liege vor allem an der keineswegs berauschenden „Wetterprognose und der Ungewissheit, welche Entscheidung die Regierung kurzfristig trifft“. Für ihn kommt hinzu: „Mein Personal müsste sich je nach Wetter auf Abruf bereithalten. Das will ich niemandem zumuten.“Außerdem bedeute eine Biergartenöffnung ja nicht einfach, dass jemand die Tische abwischt und sich die Schürze umbindet. Speisen und Getränke müssen gekauft werden. Das sei ein Risiko: Wenn das Wetter nicht passt oder das Ganze den Gästen zu unsicher scheint, verkommt die Ware. „Viele Leute meinen, dass das bei uns Gastronomen ganz einfach ist: Schublade auf, Essen drin. So ist das aber nicht“, sagt Schley.
Anders sei die Lage bei den Restaurants, die eh „Essen außer Haus“anbieten, also einen Lieferservice betreiben oder das Essen von den Kunden abholen lassen. „Diese Kolleginnen und Kollegen können das gut machen“, weiß Schley. „Das“bedeutet: auf Zuruf der Regierung öffnen. Das Restaurant Quack in Alt-Saarbrücken macht das so. Nachdem die Villa Weissmüller ausgebrannt ist, musste sich das Team eh etwas Neues überlegen. Seit einigen Tagen steht nun eine Holzhütte neben der Villa. Dort gibt es auf Bestellung Essen zum Mitnehmen. „Das ist nicht unser Genre“, sagt Anne Quack, „aber wir werden weiter mit dieser Pandemie leben müssen.“Da bringe es nichts, die Situation zu beklagen. „Man muss da kreativ sein“, sagt sie. Außerdem habe man auch nach dem Brand das Stammpersonal nicht entlassen. Anne Quack: „Und die Leute wollen etwas tun. Wenn man nichts tut, wird man ja wahnsinnig.“
Ein anderer Saarbrücker Traditions-Wirt, Jürgen Petry vom Gasthaus
Zahm, das in diesem Jahr 110 Jahre alt wird, gehört zu denen, die noch nicht öffnen. „Es macht keinen Sinn, bei unbeständiger Wetterlage die Terrasse zu öffnen, das wäre speziell für die Küche kaum zu bewerkstelligen“, teilt er seinen Gästen mit.
Auch das Team vom Alten Bahnhof Völklingen winkt ab. „Die Voraussetzungen für einen Besuch der Außengastronomie wären einerseits ein tagesaktueller (nicht älter als 24 Stunden), negativer Test ab Gruppen von 10 Personen (bei Gruppen bis 5 Personen wird wiederum kein Test benötigt) und eine vorherige Terminbuchung. Dies bedeutet für die meisten Gastronomen erst einmal einen erheblichen Mehraufwand an Organisation, für den man extra Personal einstellen müsste, was wiederum Kosten verursacht, die dann erst einmal wieder eingenommen werden müssen“, heißt es auf der Facebookseite des Restaurants. Problematisch werde es auch dann, „wenn ein Gast bei Sonnenschein sein Essen bestellt und es eine halbe Stunde später anfängt zu regnen“. Normalerweise seien die Gäste dann ins Lokal gewechselt. Das ist aber nun nicht erlaubt.
Und wenn die Ansteckungszahlen im Saarland wieder steigen sollten, bleibe der Wirt auf den bereits eingekauften und bestellten Waren sitzen. Und überhaupt: „Wir wollen unseren Gästen eine schöne Zeit bieten können und nicht mit Kontrollen drangsalieren“, schreibt das Alter-Bahnhof-Team.
„Wir wollen nicht öffnen um des Öffnens Willen“, sagt Michael Schley. Auch wenn das Nichtstun nerve und man spüre, dass die Leute Lust aufs Essengehen haben. Aber er wirkt doch so zuversichtlich, dass man vermuten kann: Er hat bald wieder vergessen, dass es „sehr, sehr traurig“sein kann, in einem Biergarten zu sitzen.