Saarbruecker Zeitung

Der Coup des „dreckigen Dutzend“

FC Bayern München schreibt mit Playoff-Einzug in der Euroleague deutsche Basketball-Geschichte.

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(dpa) Andrea Trinchieri zündete sich erst mal eine Zigarre an und freute sich witzelnd auf einen „olympische­n Pool voller Rotwein“. Solch ein sporthisto­rischer Abend wollte schließlic­h gefeiert werden. Mit seinem FC Bayern München hatte der Trainer am späten Donnerstag­abend die K.o.-Phase der Euroleague erreicht und Basketball-Geschichte geschriebe­n: Erstmals steht ein deutscher Club in den Playoffs des wichtigste­n europäisch­en Vereinswet­tbewerbs. „Das ist riesengroß“, schwärmte Trinchieri, „ein unglaublic­hes Resultat.“

Dem kühnen Ziel der Bayern-Bosse, nach dem Fußball irgendwann auch im Basketball die Nummer eins in Europa zu sein, kommen die Korbjäger also schon in der ersten Saison unter Trinchieri ein Stück näher. „Aber warum sollten wir jetzt aufhören zu träumen?“, fragte der Trainer. Ab sofort sei „alles offen“, meinte Sportchef Marko Pesic.

Und die Spielzeit ist nichts für schwache Nerven, wie der vorläufige Höhepunkt beim 71:70 gegen Zalgiris Kaunas einmal mehr zeigte. „Tausend Tode“starb Marko Pesic nach eigener Aussage neben dem Parkett, als seine Schützling­e einen Sieben-Punkte-Vorsprung im Schlussvie­rtel noch verspielte­n und erst in den letzten Sekunden das Match doch noch drehten. Nach der Schlusssir­ene fiel Pesic auf die Knie, ballte die Fäuste und weinte erleichter­t drauf los. „Es hätte mir das Herz gebrochen, wenn es nicht geklappt hätte“, sagte der Ex-Profi mit Verweis auf Team, Trainer und die vielen Betreuer drumherum.

So außergewöh­nlich die Spielzeit unter Corona-Bedingunge­n und ohne Zuschauer ist, so grandios waren die Erfolge der Münchner. Sich gegen internatio­nal erfahrener­e und finanziell deutlich potentere Rivalen durchzuset­zen und zu den besten acht Teams Europas zu gehören, das hievt die Bayern auf eine neue Stufe. Der Erfolg ist vergleichb­ar mit dem Gewinn des – zweitklass­igen – Korac Cups durch Alba Berlin 1995. Mit Pesic-Vater Svetislav als Trainer stand Alba 1998 immerhin im Viertelfin­ale der damaligen Europaliga.

„Das ist etwas Großes für den deutschen Basketball“, lobte auch der am Donnerstag unterlegen­e Zalgiris-Trainer Martin Schiller, der früher unter anderem Assistenzt­rainer beim Bundesligi­sten Ludwigsbur­g und der deutschen Nationalma­nnschaft war. Dabei hätte der Österreich­er mit seinem Team aus Litauen die Party in München fast verhindert. 2,3 Sekunden vor Schluss lagen die Gäste in Führung, ehe Vladimir Lucic (13 Zähler) mit zwei Freiwürfen das Spiel zugunsten der Bayern drehte. Mit der Schlusssir­ene hatte Zalgiris sogar nochmals die Chance zum Sieg – aber Matchwinne­r Lucic blockte den Versuch. Danach hüpften die Münchner wie sonst nur nach Meistertit­eln über das Feld, bei allen wich die Anspannung der Erleichter­ung. „Ich habe gerade keine Emotionen mehr“, stammelte Nationalsp­ieler Paul Zipser perplex.

Dass seine Schützling­e dem immensen Druck stand hielten, machte Trainer Trinchieri stolz. „Das war unser 16. Spiel in 34 Tagen. Das ist unmenschli­ch“, sagte der extroverti­erte Italiener. Vielleicht leuchte sein Team nicht wie andere, prominente­r besetzte Rivalen. „Wir holen immer Rückstände auf. Wir müssen uns immer aus einem Loch ausgraben. Aber wir sterben nicht, das ist unser Schicksal.“

Der Gegner im Viertelfin­ale ist noch offen. Die Bayern werden auf jeden Fall der Außenseite­r sein, aber das waren sie auch zu Beginn der Saison. Und diese Rolle haben sie einfach nicht akzeptiert, wie Trinchieri meinte. Seine Truppe sei „The Dirty Dozen“, das dreckige Dutzend, sagte er: „Wir sind nicht perfekt, sogar weit davon entfernt. Aber wir sind auch weit davon entfernt, gewöhnlich zu sein. Genau das braucht es, um einen Traum zu jagen.“

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