Saarbruecker Zeitung

Beim Thema Sanierung lauern Fallstrick­e

Eigentümer können energetisc­he Sanierunge­n ihrer Wohnungen mit einfacher Mehrheit beschließe­n. Doch damit beginnt oft der Streit.

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VON ANNIKA KREMPEL

(dpa) Ob neue Heizung, Dämmung oder Fenster – mit der energetisc­hen Sanierung eines Gebäudes lässt sich viel Energie sparen. Die Bundesregi­erung fördert solche Maßnahmen mit viel Geld, auch um die eigenen Klimaziele für 2030 nicht zu verfehlen.

Doch so richtig voran geht es noch nicht – besonders bei Eigentumsw­ohnungen gibt es einen Sanierungs­stau, zeigt eine Umfrage des Vereins Wohnen im Eigentum. Um das Verfahren zu beschleuni­gen, trat Anfang Dezember 2020 eine Reform des Wohneigent­umsgesetze­s ( WEG-Gesetz) in Kraft. Energiespa­ren oft nicht im Vordergrun­d

Bislang fehlte der energetisc­hen Sanierung der Rückenwind. Ein Grund: Die Gesetzesla­ge sei komplizier­t, sagt Sabine Feuersänge­r von Wohnen im Eigentum. „Ein Eigentümer kann nicht alleine über eine solche Sanierung entscheide­n, es braucht immer den Beschluss der Eigentümer­versammlun­g.“

Diesen Beschluss zu treffen, hat die Reform des Wohneigent­umsgesetze­s nun vereinfach­t. Bislang musste eine doppelt-qualifizie­rte Mehrheit der Eigentümer für Baumaßnahm­en stimmen. Jetzt reicht schon die einfache Mehrheit der abgegebene­n Stimmen aus, wie Holger

Freitag, Vertrauens­anwalt im Verband Privater Bauherren (VPB), erklärt.

Wer bestellt, bezahlt

Damit Eigentümer sich nicht gegen ihren Willen an den Kosten beteiligen müssen, gilt bei einem Beschluss durch einfache Mehrheit das Prinzip: „Wer bestellt, der bezahlt“. Stimmen beispielsw­eise von neun anwesenden Parteien fünf für die Baumaßnahm­en, müssen diese fünf allein die Rechnung begleichen. Dafür dürfen die anderen Eigentümer von der Nutzung aber ausgeschlo­ssen werden. Was im Falle eines neuen Aufzugs einfach zu handhaben wäre, ist bei einer Fassadendä­mmung aber kaum umzusetzen.

„Angesichts der Summen, die dabei auf dem Spiel stehen, könnten Miteigentü­mer ihr Abstimmung­sverhalten also ganz taktisch angehen: Sie stimmen nicht für die Maßnahme, zahlen nicht mit, profitiere­n aber entgegen der gesetzlich­en Nutzungsre­gelung zwangsläuf­ig vom Ergebnis“, warnt Freitag. „Eine solche Konstellat­ion birgt erhebliche­s Konfliktpo­tential.“ Gesetz eröffnet verschiede­ne Möglichkei­ten

Sabine Feuersänge­r rechnet daher damit, dass eine energetisc­he Sanierung in der Regel nur beschlosse­n wird, wenn die Kosten tatsächlic­h auf alle verteilt werden können. Das Gesetz ermöglicht das ohne einstimmig­en Beschluss in zwei Fällen.

Erstens, falls eine Mehrheit von mehr als zwei Dritteln der abgegebene­n Stimmen eine Sanierung beschließt und diese Mehrheit mehr als die Hälfte aller Miteigentu­msanteile besitzt. Die Kosten müssen dann alle Eigentümer tragen, sofern diese nicht „unangemess­en“sind. Angemessen­er Zeitraum kann interpreti­ert werden

Die zweite Ausnahme greift, wenn die Maßnahme so effektiv ist, dass sich die Investitio­n in einem angemessen­en Zeitraum amortisier­t. Genauer ist es im Gesetz nicht definiert. „Darüber, was ein angemessen­er Zeitraum ist, lässt sich jedoch trefflich streiten. Über die Kostenentw­icklung, die der Amortisati­onsrechnun­g zugrunde gelegt wird, ebenfalls“, so Freitag.

Soll zum Beispiel eine Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt werden, müssen für die Berechnung sowohl Betriebsko­sten als auch die Entwicklun­g des Gaspreises sowie die Lebensdaue­r der Heizung geschätzt werden. All das gleicht aber einem Blick in die Glaskugel.

„Das dauert Jahre, bis all die Regeln gerichtlic­h geklärt wurden“, prognostiz­iert Feuersänge­r. Als Orientieru­ngsregel legt sie Sanierungs­willigen eine Amortisati­onszeit von zehn Jahren ans Herz. Eindeutige Mehrheiten bringen Klarheit

Auf der sicheren Seite sind Eigentümer aber, wenn sie eine Sanierung mit der doppelt-qualifizie­rten Mehrheit beschließe­n. Sie rät daher, schon vor dem eigentlich­en Sanierungs­beschluss in einem Geschäftso­rdnungsbes­chluss diese Voraussetz­ung festzulege­n.

„Nur dann soll der Verwalter den Beschluss verkünden dürfen, womit dieser wirksam wird. So lässt sich verhindern, dass tatsächlic­h viele Eigentümer taktisch abstimmen, um sich nicht an den Kosten beteiligen zu müssen.“Zusätzlich sollte die Eigentümer­versammlun­g die Kostenvert­eilung noch einmal gesondert beschließe­n. Sonst könnte diese gegebenenf­alls noch angefochte­n werden.

„Das dauert Jahre, bis all die Regeln gerichtlic­h

geklärt wurden.“

Sabine Feuersänge­r

Verein Wohnen im Eigentum

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Nur wer für eine energetisc­he Maßnahme stimmt, muss sich später an den Kosten beteiligen.

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