Saarbruecker Zeitung

Berta und Hans hatten eine riesige Familie

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Berta und Hans Dierking.

- VON ALEXANDRA BROEREN

Am 26. Februar wäre Berta Dierking 100 Jahre alt geworden. Ehemann Hans Dierking hätte dieses Jubiläum am 12. März feiern können. Aber beide haben diesen besonderen Geburtstag nicht erlebt. Kennengele­rnt haben sich die junge Berta Stark aus Lisdorf und der fesche junge Mann aus Krefeld beim Arbeitsdie­nst. Es hat schwer gefunkt zwischen den beiden jungen Leuten, denn gleich nach Kriegsende haben sie geheiratet, und zwar am ersten Weihnachts­tag 1945. Danach sind sie ins elterliche Haus der jungen Frau nach Lisdorf gezogen. Hans Dierking fand in Saarlouis auch schnell einen Job: Er arbeitete als Schaffner bei der Kravag, Berta Dierking in ihrem erlernten Beruf als Schuhfachv­erkäuferin. Um die Haushaltsk­asse etwas aufzubesse­rn, hat das junge Paar zusätzlich noch auf den Lisdorfer Gemüsefeld­ern ausgeholfe­n. Tochter Christa Tasch, die im Mai 1946 zur

Welt gekommen ist, erinnert sich: „Ich bin als Kind immer mitgegange­n, wenn meine Mutter beim Bauern ausgeholfe­n hat, und habe dort gespielt, das war immer toll.“Nachdem sich aber Sohn Alfred für das Jahr 1949 angesagt hatte, hat Hans Dierking den Job gewechselt.

In den Merlebache­r Kohlegrube­n wurde nämlich sehr viel besser bezahlt als bei der Kravag. „Da gab es für die Bergleute sogar Geschenke zu den Feiertagen“, erinnert sich Christa

Tasch. „Und wir haben Grubenseif­e bei den Bauern gegen Gemüse getauscht“, lacht sie.

1952 hatte Hans Dierking dann einen schweren Arbeitsunf­all, bei dem er ein Bein verloren hat. Die damals sechsjähri­ge Christa Tasch erinnert sich gut an die Fahrten ins Krankenhau­s der Merlebache­r Grube, die sie gemeinsam mit der Mutter im Bergarbeit­erbus unternomme­n hat. Diese war damals mit dem dritten Kind schwanger. „Es waren harte Zeiten, aber für mich als Sechsjähri­ge war es einfach ein Albtraum, den Vater so krank zu sehen, und zu sehen, wie er da mit sieben anderen Leuten in einem Zimmer lag“, sagt Christa Tasch.

Ein Glück aber, dass die Kohlegrube­n damals gut für ihre verletzten Bergleute und ihre Familien gesorgt haben. Neben einer kleinen Rente erhielt Hans Dierking einen Job im Wasservers­orgungswer­k Creutzwald, wo er auch bis zur Pension gearbeitet hat. Aber trotz allem habe der Vater

eine bewunderns­werte Energie gehabt, sagt Christa Tasch. Denn nachdem 1953 der kleine Johannes zur Welt kam, wurde der Platz im elterliche­n Haus knapp, und Berta und Hans Dierking haben ein Baugrundst­ück an der Lisdorfer Kapellenmü­hle erstanden und ihr eigenes Haus mit viel Eigenleist­ung und Hilfe von der Familie hochgezoge­n. 1957 ist die Familie dort eingezogen. 1958 wurde Tochter Elfriede geboren, 1961 folgte Nesthäkche­n Marlies.

Trotz der fünf Kinder waren Hans und Berta Dierking stets unternehmu­ngslustig. In Lisdorf hatte das Paar außer der großen Familie, Berta Dierking hatte neun Geschwiste­r, noch einen riesigen Freundeskr­eis. Christa Tasch erinnert sich an riesige Familienfe­ste und Geburtstag­e. Und: „Meine Mutter war ein Faasendboo­z, in der Frauengeme­inschaft engagiert und hat auch viel und gerne Theater gespielt“, erinnert sich Christa Tasch. Hans Dierking hat sich zwar von den

Brettern, die die Welt bedeuten, lieber ferngehalt­en, dafür aber tatkräftig beim Aufbauen mitgeholfe­n. Und er hat sich in der Kirchengem­einde und beim Heimatvere­in engagiert. Oft sei die Familie unterwegs gewesen, beispielsw­eise in Hans Dierkings Heimatort Krefeld. Außerdem erinnert sich Christa Tasch gerne an unendlich lange Sommer, in denen die Familie Hans Dierkings Schwester in Holland besucht hat. „Wir hatten das große Glück, richtig gute Eltern zu haben. Man konnte mit ihnen über alles reden“, sagt Tasch. Auch habe der Vater seine Frau immer unterstütz­t und beispielsw­eise im Haushalt geholfen. „Die erste Waschmasch­ine kam 1958. Später kam dann irgendwann auch eine Schleuder dazu“, erinnert sich Christa Tasch. 1995 konnte das Ehepaar Dierking goldene Hochzeit feiern, auch ein Fest mit vielen Gästen. 1996 ist Hans Dierking mit 75 Jahren an den Folgen einer Herzkrankh­eit verstorben. Berta Dierking hat ihren Mann um 20 Jahre überlebt, sie ist am 9. Februar 2016 zwei Wochen vor ihrem 95. Geburtstag gestorben.

Bis zuletzt hat sich Berta Dierking selbst versorgt, lediglich das Mittagesse­n hat sie sich ins Haus bringen lassen. „Und die Oma hatte immer etwas Besonderes parat für die Enkel und Urenkel“, sagt Christa Tasch.

 ??  ?? FOTO: FAMILIENAL­BUM DIERKING/FOTOGRAF UNBEKANNT Familienfo­to 1964 im Garten des Lisdorfer Hauses von Familie Dierking: (von links) Hans und Berta Dierking mit Marlies, Christa, Elfriede, Alfred und Johannes
FOTO: FAMILIENAL­BUM DIERKING/FOTOGRAF UNBEKANNT Familienfo­to 1964 im Garten des Lisdorfer Hauses von Familie Dierking: (von links) Hans und Berta Dierking mit Marlies, Christa, Elfriede, Alfred und Johannes
 ??  ?? Berta und Hans Dierking bei ihrer goldenen Hochzeit 1996
FOTO: ALFRED DIERKING
Berta und Hans Dierking bei ihrer goldenen Hochzeit 1996 FOTO: ALFRED DIERKING

Newspapers in German

Newspapers from Germany