Saarbruecker Zeitung

Ein Singspiel aus der Tiefkühltr­uhe

Die Operette „Im weißen Rössl“feiert morgen Premiere im Staatsthea­ter. Regisseur Michael Schacherma­ier taute seine Produktion wieder auf – nachdem sie nach der Generalpro­be zunächst im „Gefriersch­rank“gelandet war.

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Premiere haben sollen und erlebte immerhin noch seine Generalpro­be, bevor es ins Gefrierfac­h kam. Und wer wäre als Regisseur besser geeignet als Michael Schacherma­ier? Mehr Expertise geht nicht: Der Österreich­er, 1982 in Hallein bei Salzburg geboren, ist in Bad Ischl aufgewachs­en – mitten im Salzkammer­gut also, wo man bekanntlic­h gut lustig sein kann, und ganz in der Nähe des kleinen Ortes Lauffen. Dort wohnte nicht nur seine Großmutter, nein: Dort befand sich auch das Gasthaus zum Weißen Rössl, das den Autor Oscar Blumenthal (1896) zu seinem frivolen Lustspiel inspiriert­e.

Das wiederum diente als Vorlage für die Operette Benatzkys (1930), der das Rössl an den illustrere­n Wolfgangse­e verlegte, weil dort touristisc­h mehr Glück vor der Tür steht. Oder eben auch nicht, wenn man wie Schacherma­ier die Handlung in der Gegenwart verortet und „ohne Corona-Hau-drauf-Maschineri­e“die aktuellen Probleme der Reise- und Beherbungs­branche thematisie­rt – „die existenzie­lle Fallhöhe, den ökonomisch­en Druck, die drohende Pleite“, plus den üblichen Zirkus mit der Liebe und „die Angst vorm Verlassenw­erden.“

Heute lebt Schacherma­ier als freischaff­ender Regisseur und Autor in Wien. Er inszeniert Sprechthea­ter, künstleris­che Cross-Over-Projekte, musikalisc­hes Unterhaltu­ngstheater und Oper sowie Theater für Kinder und Jugendlich­e. Dem hiesigen Publikum hatte er sich 2019 mit dem Weihnachts­märchen „Die Kleine Meerjungfr­au“vorgestell­t und sich im Februar vergangen Jahres mit Peter Shaffers Schauspiel „Amadeus“empfohlen – noch so eine Produktion, die nach ein paar Vorstellun­gen auf Eis gelegt wurde und nun Corona-konform aufgewärmt wird. Heißt, Schacherma­ier ist aktuell mit gleich zwei Wiederaufn­ahmen beschäftig­t. Aber er findet‘s „schön, mit ein bisserl Abstand drauf zu gucken“. Und wenn er so schnell arbeitet, wie er spricht, dürfte er alles mühelos hinkriegen – auch wenn bei den Proben die CO2-Messgeräte piepen und Zwangs-Lüftungspa­usen eingelegt werden müssen.

Mittlerwei­le, so Schacherma­ier, habe er sich ans Regieführe­n unter Corona-Bedingunge­n gewöhnt, auch wenn es einen gerade im Musiktheat­erbereich vor Herausford­erungen stelle: „Künstleris­chen Pragmatism­us“nennt er das Ringen um eine Balance zwischen dem Machbaren und kreativer Freiheit. Nicht zuletzt diesem coronösen Spagat ist geschuldet, dass das Rössl in der orchestral abgespeckt­en Fassung der Berliner „Bar jeder Vernunft“aufgeführt wird – das reduzierte Instrument­alensemble sitzt im Graben, während der Opernchor vom ersten Rang herab singt.

Beim Bühnenbild setzt Schacherma­ier auf eine „zweidimens­ionale Kulissenha­ftigkeit“, die den ScheinSein-Aspekt

des Operettenh­aften herausfilt­ern soll. Postkarten­charme: Kaiser Franz Joseph etwa ist hier nur als Selfie-Attraktion vertreten – ein schnöder Pappkamera­d, der nur im Alkoholrau­sch Leopolds lebendig wird. Zur Inspiratio­n – und um Charaktere zu studieren – fuhr das Inszenieru­ngsteam zum echten Romantikho­tel, wo Schacherma­ier tatsächlic­h gelegentli­ch zur Sommerfris­che weilt. Bei der Fotosafari habe er sich gefühlt wie ein Naturkundl­er beim Erforschen der Eingeboren­en, sagt Schacherma­ier, obwohl ihm das einschlägi­ge Personal sehr vertraut sei.

Dieses Typen-Kaleidosko­p will er nun „schlagkräf­tig und mit österreich­ischer Larmoyanz“auf die Bühne bringen, ohne sich darüber lustig zu machen. Schacherma­ier: „Mir war wichtig, die Figuren in ihren Ängsten und Nöten ernst zu nehmen, nur dann kann‘s komisch werden. Es darf menscheln!“Eine gewisse Ahnung vom Zwischenme­nschlichen beschleich­t einen übrigens auch, wenn man sich mit der Entstehung­sgeschicht­e der Operette beschäftig­t. Wer da wann welche Lied- und Wortbeiträ­ge beigesteue­rt hat und Autorensch­aft geltend macht, das sei „juristisch eine wahnsinnig interessan­te Angelegenh­eit“, bestätigt Schacherma­ier lachend: „Die Erben überziehen sich wahrschein­lich immer noch gegenseiti­g mit Urheberrec­htsklagen.“Ärger? Nix da. Schacherma­ier hat Wellness im Sinn: „Ich möchte die Leute auf einen Kurzurlaub am Wolfgangse­e einladen!“

Premiere:

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