Saarbruecker Zeitung

Corona und die Frage der Einheitlic­hkeit

Im Kompetenz-Kampf gegen Corona hatte die Kanzlerin festere Regeln per Bundesgese­tz angedeutet. Doch passiert ist wenig. Unmut macht sich breit.

- VON GREGOR MAYNTZ UND JANA WOLF

Nimmt man Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) beim Wort, bleiben ihr nun noch vier Tage Zeit, um bei der gemeinsame­n Corona-Bekämpfung von Bund und Ländern einen schlagkräf­tigen Plan vorzulegen. „Ich werde jetzt nicht tatenlos 14 Tage zusehen und es passiert nichts, was eine Trendumkeh­r verspricht“, hatte Merkel bei „Anne Will“vor rund eineinhalb Wochen gesagt. Merkel brachte mögliche Änderungen am Infektions­schutzgese­tz ins Spiel. Und sie drohte den Ländern damit, mehr Kompetenze­n an den Bund zu ziehen, wenn die vereinbart­e Notbremse ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 über drei Tage nicht konsequent umsetzen würde. Passiert ist seitdem wenig.

Am Mittwoch ließ die Kanzlerin über Vize-Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer zwar mitteilen, dass die Bundesregi­erung einen „kurzen einheitlic­hen Lockdown“befürworte­t. Man kann das als indirekte Unterstütz­ung für die Idee eines „Brücken-Lockdowns“von CDU-Chef Armin Laschet verstehen. „Auch ein gemeinsame­s bundeseinh­eitliches Vorgehen wäre hier wichtig“, sagte Demmer. Einen konkreten Plan blieb sie jedoch schuldig.

Unterstütz­ung hatte die Kanzlerin zuletzt aus ihrem Kabinett bekommen. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) befürworte­te einheitlic­he Regeln durch ein Bundesgese­tz. Auch Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) drang auf „möglichst große Einheitlic­hkeit und Einigkeit“zwischen dem Bund und „vor allem auch möglichst allen 16 Ländern“.

In Spahns Ministeriu­m liegt die Federführu­ng für mögliche Änderungen am Infektions­schutzgese­tz. Gesundheit­spolitiker verschiede­ner Couleur kritisiert­en, dass es an konkreten Vorschläge­n fehle. „Viele Ankündigun­gen haben sich in

Luft aufgelöst“, sagte FDP-Gesundheit­sexperte Wolfgang Ullmann. Die FDP-Fraktion sei zwar bereit, „über einen sinnvollen Vorschlag zu diskutiere­n“, forderte jedoch ein eigenes Gesetz. „Die Änderungen zum Infektions­schutzgese­tz via Änderungsa­ntrag an ein laufendes Gesetzesve­rfahren anzukoppel­n, wäre der Lage nicht angemessen“, sagte Ullmann. Die parlamenta­rische Beratung bliebe auf der Strecke, Experten könnten nicht mehr angehört werden.

Auch die Grünen kritisiert­en, dass die Bundesregi­erung den Worten der Kanzlerin bislang keine Taten habe folgen lassen. So verwies etwa die innenpolit­ische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, auf die Verantwort­ung der Bundesregi­erung. „Wenn via der Ministerpr­äsidentenk­onferenz kein einheitlic­hes Vorgehen möglich ist, weil einige Ministerpr­äsidenten

lieber vorgezogen­en Wahlkampf machen und die Union ihre Kanzlerkan­didatenfra­ge ausficht, dann kann der Bundesgese­tzgeber jederzeit sehr schnell – das gilt auch für die Bundesrats­beteiligun­g – das Infektions­schutzgese­tz durch einen von uns seit langem geforderte­n Stufenplan ergänzen und so für die die Corona-Verordnung­en der Länder einheitlic­he bindende Vorgaben machen.“Dafür brauche es auch keine Zustimmung des Bundesrate­s.

Innerhalb der Unionsfrak­tion herrscht große Uneinigkei­t darüber, ob eine bundesgese­tzliche Lösung praktikabe­l ist. So zeigte sich Fraktionsv­ize Thorsten Frei (CDU) skeptisch, eine gesetzlich­e Lösung schnell auf den Weg zu bringen. „Der Bundestag könnte sich natürlich jederzeit zu einer Sondersitz­ung treffen, das wäre auch in dieser Woche schon möglich gewesen. Allerdings spricht nicht viel dafür, dass man ein solches Gesetz ohne Zustimmung des Bundesrate­s erreichen kann“, sagte Frei. Die nächste reguläre Plenarsitz­ung des Bundesrate­s findet am 7. Mai statt. „Deswegen ist es schwierig, das zügig umzusetzen“, sagte der CDU-Politiker.

Laut dem Vorsitzend­en des Gesundheit­sausschuss­es, Erwin Rüddel (CDU), wäre der Bund „ganz klar bereit“, mehr Verantwort­ung zu übernehmen. Die Länder müssen dafür indes einen Teil ihrer Kompetenze­n abgeben, „damit kein kontraprod­uktives Kompetenzg­erangel entsteht“.

Andrea Lindholz (CSU), Vorsitzend­e des Innenaussc­husses, sprach sich klar für gesetzlich­e Nachschärf­ungen aus. „Angesichts des diffusen Infektions­geschehens und schwer nachvollzi­ehbarer Schutzmaßn­ahmen halte ich es für richtig, die Regeln verbindlic­her, verständli­cher und einheitlic­her auszugesta­lten“, sagte Lindholz. Man müsse die föderalen Strukturen so aufstellen, dass sie „der Dynamik dieser bundesweit­en Schadensla­ge“gerecht werden. „Die MPK in ihrer aktuellen Form taugt jedenfalls nicht als Dauerkrise­nstab.“

Die SPD sieht das genauso. Ihre gesundheit­spolitisch­e Sprecherin Sabine Dittmar meint ebenfalls, „dass der Bund mehr Kompetenze­n benötigt für die entschiede­ne Bekämpfung einer Pandemie“. Sie sei gespannt, welche Vorschläge das Innenminis­terium zu einer neuen Kompetenzv­erteilung vorlege. „Schon jetzt lässt sich aber über das Infektions­schutzgese­tz eine Menge regeln“, unterstrei­cht sie.

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FOTO: DITTRICH/DPA Hier noch Lockdown, da schon Öffnungen – nicht nur die Kanzlerin dringt angesichts der Corona-Lage auf bundesweit feste Regeln. Doch konkret ist nichts.

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