Corona und die Frage der Einheitlichkeit
Im Kompetenz-Kampf gegen Corona hatte die Kanzlerin festere Regeln per Bundesgesetz angedeutet. Doch passiert ist wenig. Unmut macht sich breit.
Nimmt man Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Wort, bleiben ihr nun noch vier Tage Zeit, um bei der gemeinsamen Corona-Bekämpfung von Bund und Ländern einen schlagkräftigen Plan vorzulegen. „Ich werde jetzt nicht tatenlos 14 Tage zusehen und es passiert nichts, was eine Trendumkehr verspricht“, hatte Merkel bei „Anne Will“vor rund eineinhalb Wochen gesagt. Merkel brachte mögliche Änderungen am Infektionsschutzgesetz ins Spiel. Und sie drohte den Ländern damit, mehr Kompetenzen an den Bund zu ziehen, wenn die vereinbarte Notbremse ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 über drei Tage nicht konsequent umsetzen würde. Passiert ist seitdem wenig.
Am Mittwoch ließ die Kanzlerin über Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer zwar mitteilen, dass die Bundesregierung einen „kurzen einheitlichen Lockdown“befürwortet. Man kann das als indirekte Unterstützung für die Idee eines „Brücken-Lockdowns“von CDU-Chef Armin Laschet verstehen. „Auch ein gemeinsames bundeseinheitliches Vorgehen wäre hier wichtig“, sagte Demmer. Einen konkreten Plan blieb sie jedoch schuldig.
Unterstützung hatte die Kanzlerin zuletzt aus ihrem Kabinett bekommen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) befürwortete einheitliche Regeln durch ein Bundesgesetz. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) drang auf „möglichst große Einheitlichkeit und Einigkeit“zwischen dem Bund und „vor allem auch möglichst allen 16 Ländern“.
In Spahns Ministerium liegt die Federführung für mögliche Änderungen am Infektionsschutzgesetz. Gesundheitspolitiker verschiedener Couleur kritisierten, dass es an konkreten Vorschlägen fehle. „Viele Ankündigungen haben sich in
Luft aufgelöst“, sagte FDP-Gesundheitsexperte Wolfgang Ullmann. Die FDP-Fraktion sei zwar bereit, „über einen sinnvollen Vorschlag zu diskutieren“, forderte jedoch ein eigenes Gesetz. „Die Änderungen zum Infektionsschutzgesetz via Änderungsantrag an ein laufendes Gesetzesverfahren anzukoppeln, wäre der Lage nicht angemessen“, sagte Ullmann. Die parlamentarische Beratung bliebe auf der Strecke, Experten könnten nicht mehr angehört werden.
Auch die Grünen kritisierten, dass die Bundesregierung den Worten der Kanzlerin bislang keine Taten habe folgen lassen. So verwies etwa die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, auf die Verantwortung der Bundesregierung. „Wenn via der Ministerpräsidentenkonferenz kein einheitliches Vorgehen möglich ist, weil einige Ministerpräsidenten
lieber vorgezogenen Wahlkampf machen und die Union ihre Kanzlerkandidatenfrage ausficht, dann kann der Bundesgesetzgeber jederzeit sehr schnell – das gilt auch für die Bundesratsbeteiligung – das Infektionsschutzgesetz durch einen von uns seit langem geforderten Stufenplan ergänzen und so für die die Corona-Verordnungen der Länder einheitliche bindende Vorgaben machen.“Dafür brauche es auch keine Zustimmung des Bundesrates.
Innerhalb der Unionsfraktion herrscht große Uneinigkeit darüber, ob eine bundesgesetzliche Lösung praktikabel ist. So zeigte sich Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) skeptisch, eine gesetzliche Lösung schnell auf den Weg zu bringen. „Der Bundestag könnte sich natürlich jederzeit zu einer Sondersitzung treffen, das wäre auch in dieser Woche schon möglich gewesen. Allerdings spricht nicht viel dafür, dass man ein solches Gesetz ohne Zustimmung des Bundesrates erreichen kann“, sagte Frei. Die nächste reguläre Plenarsitzung des Bundesrates findet am 7. Mai statt. „Deswegen ist es schwierig, das zügig umzusetzen“, sagte der CDU-Politiker.
Laut dem Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), wäre der Bund „ganz klar bereit“, mehr Verantwortung zu übernehmen. Die Länder müssen dafür indes einen Teil ihrer Kompetenzen abgeben, „damit kein kontraproduktives Kompetenzgerangel entsteht“.
Andrea Lindholz (CSU), Vorsitzende des Innenausschusses, sprach sich klar für gesetzliche Nachschärfungen aus. „Angesichts des diffusen Infektionsgeschehens und schwer nachvollziehbarer Schutzmaßnahmen halte ich es für richtig, die Regeln verbindlicher, verständlicher und einheitlicher auszugestalten“, sagte Lindholz. Man müsse die föderalen Strukturen so aufstellen, dass sie „der Dynamik dieser bundesweiten Schadenslage“gerecht werden. „Die MPK in ihrer aktuellen Form taugt jedenfalls nicht als Dauerkrisenstab.“
Die SPD sieht das genauso. Ihre gesundheitspolitische Sprecherin Sabine Dittmar meint ebenfalls, „dass der Bund mehr Kompetenzen benötigt für die entschiedene Bekämpfung einer Pandemie“. Sie sei gespannt, welche Vorschläge das Innenministerium zu einer neuen Kompetenzverteilung vorlege. „Schon jetzt lässt sich aber über das Infektionsschutzgesetz eine Menge regeln“, unterstreicht sie.