Saarbruecker Zeitung

Der Donbass-Konflikt setzt EU und USA unter Druck

Die Spannungen zwischen Moskau und Kiew um die Ostukraine nehmen zu. Die Augen richten sich nun auf die nächsten Schritte von Kremlchef Putin.

- VON ANDREAS STEIN, ULF MAUDER UND ANSGAR HAASE

(dpa) Seit vor sieben Jahren am Donbass mit dem Beginn einer ukrainisch­en Anti-Terror-Operation der Krieg ausbrach, läuft in den von Separatist­en kontrollie­rten Regionen vieles wie in Russland. Der Rubel ist offizielle­s Zahlungsmi­ttel, nur Russisch ist noch Amtssprach­e. Mehr als 400 000 Menschen haben nach Putins Angebot nun einen russischen Pass.

Doch es gibt neue Spannungen. Der Anführer der „Volksrepub­lik“Donezk, Denis Puschili, beklagt, dass die Ukraine ihre Truppen für neue Kämpfe aufstelle. Tatsächlic­h wiesen zuletzt auch die Beobachter der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) in der Region auf wachsende Aktivitäte­n beider Konfliktse­iten hin. Vor allem die jüngsten Meldungen über getötete ukrainisch­e Soldaten lenken die westliche Aufmerksam­keit auf den Konflikt mitten in Europa. Mehr als 13 000 Menschen kamen dort bisher nach Angaben der Vereinten Nationen ums Leben. Das Kommando der US-Streitkräf­te in Europa (EUCOM) beobachtet die Lage seit kurzem nicht mehr nur als „mögliche Krise“, sondern als „potienziel­l unmittelba­r bevorstehe­nde Krise“.

Nach Meinung vieler Beobachter in der Ukraine ist das auch im Sinn des ukrainisch­en Präsidente­n Wolodomyr Selenskyj. Bei seiner Wahl vor zwei Jahren versprach er, den Konflikt friedlich zu lösen. Erfolge kann der frühere Schauspiel­er aber bisher nicht vorweisen. Der ukrainisch­e Armeechef Ruslan Chomtschak ist überzeugt, dass Selenskyj kein Problem damit habe, eine neue Offensive im Donbass zu befehlen. Gegen die derzeitige­n Kräfte der moskautreu­en Separatist­en rechnete er sich Siegchance­n aus, wie er sagte. Allerdings weiß auch Chomtschak, dass Russland einer militärisc­hen Lösung nicht zusieht.

Wenn die Separatist­enführunge­n in den Großstädte­n Luhansk und Donezk

zum Schutz ihrer neuen russischen Staatsbürg­er im Donbass Moskau offiziell um Hilfe anriefen, wäre Putin im Zugzwang. Der 68-Jährige ist bekannt dafür, dass er keinen Konflikt scheut. Schon jetzt gilt als gesichert, dass aus Russland nicht nur Waffen in die Region gelangen, sondern auch Söldner. Der Donbass sei für Russland vor allem als Druckmitte­l für die ukrainisch­e Führung nützlich, aber auch zur Lösung demografis­cher Probleme, wie die Denkfabrik Moskauer Carnegie Center schreibt. Russland erhalte aus der Ukraine weiter eine große Anzahl Migranten.

Für die EU und die USA wird der Konflikt zwischen Moskau und Kiew so oder so wieder zum Testfall für die Beziehunge­n zu Russland. Präsident Selenskyj musste zuletzt lange auf ein Telefonat mit dem neuen US-Präsidente­n Joe Biden warten, der als Freund der Ukraine gilt.

Doch auf einen offenen Konflikt mit der Atommacht Russland dürfte sich weder in Washington noch im Nato-Hauptquart­ier in Brüssel jemand einlassen. Die Nato reagiert deshalb zunächst zunehmend beunruhigt und beobachtet die russischen Truppenbew­egungen genau. Dabei gilt aktuell als ein Horrorszen­ario, dass Russland mit den Aufständis­chen in der Ostukraine eine Großoffens­ive planen könnte, um sich den Zugriff auf den Nord-Krim-Wasserkana­l bis zum Fluss Dnipro zu sichern. Die ukrainisch­e Führung macht seit langem keinen Hehl daraus, dass sie den Westen dafür braucht, um Russland unter Druck zu setzen. In Kiew gilt es als möglich, dass Selenskyj eine Eskalation des Konflikts mit Moskau riskiert, um bei einer russischen Annexion des Donbass noch mehr Druckmitte­l zu haben. Die Ukraine will die EU dazu bringen, die russische Ostsee-Gaspipelin­e Nord Stream 2 zu stoppen. Sie fürchtet um ihre bisherigen Milliarden­einnahmen aus dem Transit von russischem Gas nach Europa. Beim Aufflammen des Konflikts in der Ostukraine, so das Kalkül in Kiew, könnte Nord Stream 2 doch noch scheitern.

Mehr als 13 000 Menschen kamen im Konflikt am Donbass nach Angaben der Vereinten Nationen ums Leben.

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