Wie Galerien durchs Corona-Labyrinth kommen
Im Gegensatz zu Museen stehen die private Galerien in Zeiten von Corona scheinbar gut dar: Sie mussten kürzere Zeit schließen. Aber ohne Vernissagen und Kunsttouristen ist es auch für sie hart. Wie sie sich durchschlagen und wo sie Hoffnungsprojekte star
SAARBRÜCKEN/HOMBURG/ILLINGEN
Keine Kunstmessen, keine Vernissagen und weniger Austausch. Auch private Galerien leiden unter dem pandemiebedingten Stillstand, obwohl sie mit ihrem Status als Händler scheinbar noch gut davon kommen. Die rund 700 professionellen Galerien, die es in Deutschland gibt, dürfen ohne Anmeldung für Besucher und Besucherinnen öffnen, solange ausreichend Quadratmeter pro Gast zur Verfügung stehen. Ihre Zwitterstellung, Galerien bieten wie Kulturstätten ein Kunstprogramm, zählen aber wirtschaftlich zum Einzelhandel, macht es möglich. Im Saarland gab es seit Beginn der Pandemie die Schließungen zweier etablierter Galerien zu beklagen. Die von Michael Palz in Saarlouis – nicht ursächlich wegen Corona, „allenfalls noch davon bestärkt“–, wie er der SZ im vergangenen September erklärte. Und die Insolvenz der Galerie Zimmerling & Jungfleisch in Saarbrücken im vergangenen November – die wirtschaftlichen Hilfen seien zu gering gewesen, um die finanziellen Einbußen zu überstehen (wir berichteten). Aber wie ist es anderen Galeristen und Galeristinnen im Saarland ergangen?
„Wir haben, ohne weitere Schulden zu machen, überlebt, aber wir schaffen es jeden Monat gerade so“, sagt Mathias Beck, Co-Geschäftsführer der Galerie M Beck in Homburg. Neun von 13 Monaten war die Galerie geschlossen. Erster Kollateralschaden: Die 2018 in Offenburg gegründete Tochtergalerie schließt definitiv, die Fixkosten sind zu groß. „Der Verlust war so hoch, dass wir ihn in Jahren nicht hätten auffangen können“, berichtet Beck. Nun wird dort rückgebaut, die 13 000 Euro Materialkosten vom Umbau 2018 „in den Sand gesetzt“. Zweiter Kollateralschaden: Von ehemals 16 Mitarbeitern in Homburg sind zwei übrig, die beiden Geschäftsführer Susanna und Mathias Beck, und eine Mitarbeiterin in Kurzarbeit. „Im September haben wir sie noch gebraucht, aber wir hätten sie nicht mehr bezahlen können“, sagt Beck, und ergänzt, „alle haben einen neuen Job gefunden, aber nicht im Kulturbereich“. Auch vor diesem Hintergrund der Abwanderung in andere Branchen glaubt Beck, dass es Jahre dauern werde, bis der Kulturbereich wieder so lebendig wird, wie vor der Krise. „Der Kulturbereich dürfte der sein, der am Ende am meisten gebeutelt ist“, sagt der Galerist, der auch in der Ausstellungsorganisation an anderen Orten und in der Kunstberatung tätig ist.
An Homburger Standort hält Beck die nächste neue Ausstellung im Juli, eine nächste Vernissage im September für realistisch. „Ohne Vernissagen verpufft vieles einfach.“Die bisher letzte Vernissage hatte im Oktober stattgefunden. Immerhin: „Wir schaffen es, Kunst zu verkaufen, weil wir auch Sammler bedienen, an die man aufgrund der langjährigen Kontakte anders herantreten kann“. Aber eine gute Zeit der Kunstverkäufe sei es nicht. „Angestellte fürchten um ihren Job, Selbstständige kämpfen wie wir. Es ist eine sorgenvolle, bleierne Zeit, keine für Kunstkonsum.“Neue Künstler habe die Galerie nicht akquiriert, es mache so schlicht „keinen Sinn.“
Zuversicht schöpfen die Galeristen durch ein aufwändiges Projekt, dessen Umsetzung durch das Bundeshilfsprogramm „Neustart Kultur“möglich wird. Die Galerie will ein digitales Hybridprojekt anbieten, bei dem Besucher das Kunsthaus auch interaktiv entdecken können. „Mit 50 000 Euro bekommen wir 90 Prozent bezuschusst, 22 000 Euro braucht es für die Hardware wie Kameras, den Rest für Schulungen und die Software, die extra für uns programmiert wird“, berichtet Beck. Start für das Projekt soll im Juli oder August sein. „Wenn das nicht mein Eigentum wäre und ich eine Stadtmiete bezahlen müsste, hätte ich schon zumachen müssen, das hätte ich auch nervlich nicht ausgehalten“, sagt Ingeborg Besch, Gründerin der Galerie in der Alten Lateinschule in Illingen. Besch hat ihre neue vor zwei Jahren eröffnet, nach einem guten Start im Jahr 2019 durch die Pandemie eingeschränkt, macht sie jetzt im Sparmodus weiter, setzt etwa auf Ausstellungen aus eigenen Beständen und auf niedrige Transportkosten. „Man hält die Kosten niedrig, duckt sich und schaut, ob man durchkommt“, berichtet die erfahrene Galeristin, die im vergangen Jahr die Corona-Hilfen für Soloselbständige von Bund und Land in Anspruch nehmen musste. „Aber eine Galerie lebt von Eröffnungen und Events. Eröffnung, Midissage, Vernissage, das brauchen wir“, sagt sie.
Die Folge: zwei Drittel weniger Umsatz. Denn wo sonst 500 Kunstinteressierte im Jahr vorbeischauten und teilweise auch kauften, kommen nun zehn bis 20 Gäste pro Ausstellung. Und von denen konnte Besch im Vorjahr gerade mal zwei organisieren. Um den Kunstfans Sicherheit zu gewährleisten, bietet Besch weiter Besuch auf Termin an. Und räumt den Garten der Alten Lateinschule auf, damit sich Besucherinnen und Besucher der Galerie dort im Sommer auf Abstand ergehen können, bis sie sie nacheinander durch die Galerie führen kann. Nun noch einmal Corona-Hilfen beantragen, das müsse sie aber dennoch.
„Besser als erwartet, mit Umsatzeinbußen, aber nicht kurz vor dem Ruin“, lautet das bisherige Fazit des Saarbrücker Galeristen Philipp Elitzer. Das Ende des ersten Lockdowns im Frühjahr vergangenen Jahres habe sich weniger im Kunstkauf, als im Zusatzgeschäft bemerkbar gemacht. „Wir hatten viel Nachfrage nach Ein- und Umrahmungen, am Kunstkauf selbst hat sich wenig geändert“, sagt Elitzer. Als günstig hätten sich letzten Endes drei Dinge erwiesen: Dass die Galerie schon seit fünf Jahren einen Onlineshop hat und dieser bereits in den Suchergebnissen von Google gelistet wird, dass die Galerie in den sozialen Medien präsent ist und dass das Geschäft als Kunsthandlung eingetragen ist – damit also nicht als Ausstellungsfläche zählt und deshalb von der kürzeren Schließung des Handels, nicht der Kulturstätten betroffen war.
Was sich im Geschäft sehr stark bemerkbar gemacht habe, sei der Wegfall der Kunstmessen gewesen. „Auf den Messen sieht man, wie sich die Kunst entwickelt und was gefragt ist, jetzt sind wir auf das begrenzt, was die Künstler anpreisen, aber das spiegelt nicht den Markt wieder“, berichtet Elitzer. Deshalb habe die Galerie seit Beginn der Pandemie auch nur zwei, drei neue Künstler ins Programm aufnehmen können. Galerieprogramm mit Bestand also. Zwar ist man geöffnet, aber Vernissagen und Ausstellungen sind aus dem Alltag der Galerie Elitzer verschwunden. Für September und Oktober plant man nun, vorsichtig, neue Ausstellungen. Zudem leidet die Saarbrücker Galerie am langen kulturellen Stillstand um sie herum. „Dass die Museen lange geschlossen waren, haben wir gemerkt“, sagt Elitzer, und fährt fort, „Kunstinteressierte schlendern gerne zwischen Galerien und Museen, je weniger Museen und je weniger Galerien geöffnet sind, desto weniger Kunstinteressierte kommen gezielt“.
Was sich Elitzer wünscht? Vollen Normalbetrieb. Zumal er eines während der Pandemie einfach nicht nachvollziehen konnte: „Der Handel hatte auf, auch wenn wir davon profitieren, aber Museen, Kino und Theater, wo es entweder nummerierte Sitzplätze gibt oder die Fluktuation so einfach zu regeln ist, mussten schließen.“
„Für mich als Gründerin ist es ein sanfterer Einstieg“, sagt Eileen Scherer, die im November, vier Wochen vor dem Winter-Lockdown, die Galerie Eileen in der Mainzer Straße in Saarbrücken eröffnet hat. „In der Galerie waren immer nur ein paar Leute, so wächst das Netzwerk langsamer, aber ich kann Gespräche führen, die länger als fünf Minuten dauern“, sagt Scherer, welche die Galerie neben einer Beschäftigung bei einem Personaldienstleister betreibt. Bereut hat sie diesen Schritt nicht. „Für mich war es jetzt, trotz Pandemie, einfach ein guter Zeitpunkt“, sagt sie.
Die Eröffnung der ersten Ausstellung in der eigenen Galerie hat sie im November stattfinden lassen, und die Besucher dabei in Zeitfenstern über das gesamte Wochenende verteilt. „Viele sehen mich als positives Zeichen im dunklen Corona-Alltag, Besucher sagen mir auch, hier in der Galerie bunte Farben zu sehen, sei der Höhepunkt ihrer Woche“, erzählt die frischgebackene, nebenberufliche Galeristin. Über den ganzen Zeitraum der Ausstellung hat sie mehrere Werke verkauft. An unterschiedliche Personengruppen: seien es Unternehmer oder Kunstinteressierte von Ende 20 und 30 Jahren, sowie Senioren. „Ich biete auch kleinere Werke an, gehe offen auf die Leute zu, auch die Galerie habe ich deswegen bewusst mit meinem Vornamen benannt, da fällt die eine oder andere Hürde“, sagt Scherer. Zuletzt hat sie auch einen virtuellen Rundgang per WhatsApp und Facebook angeboten. Um aus der aktuellen Ausstellung von Ali Anvari noch etwas mehr rauszuholen. „Zwei, drei Besucher haben daran teilgenommen, aber ich dachte, dass sich mehr dafür interessieren würden.“
Alles in allem sei das erste halbe Jahr eine gute Schule und jeder Tag ein spannender gewesen. Am 23. April folgt mit „Dieter List – Powerful Perspectives, unerwartete Landschaften & Architektur“die nächste Ausstellung, ihr Programm für dieses und nächstes Jahr stehe. Danach wolle sie weitersehen, ob der Traum von der eigenen Galerie Bestand hat.
„Alle ehemaligen Mitarbeiter haben einen neuen Job gefunden,
aber nicht im Kulturbereich.“
Mathias Beck
Co-Geschäftsführer Galerie M Beck