„Juni oder Juli, das wäre ein Riesenschritt“
Noch haben die Arztpraxen wenig Impfstoff, doch das wird sich bald ändern. Der Vize-Chef der Kassenärzte skizziert einen Zeitplan.
800 Arztpraxen im Saarland haben sich gemeldet, um zu impfen, sowohl Haus- als auch Fachärzte. Zunächst stehen ihnen pro Woche nur 12 bis 18 Impfdosen zur Verfügung. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung, Dr. Joachim Meiser, rechnet im Mai mit einer deutlichen Beschleunigung.
Herr Meiser, was war am Dienstag in den Praxen los, als es hieß, es geht jetzt los?
MEISER In den Praxen haben massenweise Menschen angerufen und wollten einen Termin haben. Eine Kollegin hat mir erzählt, dass sie medizinische Fachangestellte an die Telefone setzen musste. Mir war klar, dass in den erstenWochen gewisse organisatorische Probleme entstehen werden. Da müssen wir durch.
Wie kommen Menschen denn an einen Impftermin bei ihrem Hausarzt?
MEISER Wir halten uns an die Priorisierungsvorgaben und werden zunächst die Priorität 1, die über 80-Jährigen, zu Ende impfen. Das sind die Bettlägerigen, die Schwerkranken, die einfach keine Gelegenheit hatten, in die Impfzentren zu gehen. Die sind jetzt in dieser Woche dran. Die Ärzte melden sich von sich aus bei ihnen.
Und wenn ein Arzt dann noch Impfdosen übrig hat?
MEISER Wenn jemand fünf Bettlägerige hat, aber 20 Impfdosen, dann weiß er genau, wen er aus der Prioritätsgruppe 2 alles noch anrufen kann, zum Beispiel Diabetiker oder Herzkranke. Es ist ein bisschen schwierig im Moment, weil es keine verbindlichen Lieferzusagen gibt. Deswegen rate ich den Ärzten, vorsichtig zu terminieren und Wartelisten zu führen.
Wann geht es denn richtig los mit den Impfungen in den Arztpraxen?
MEISER In der letzten April-Woche sollen die Praxen drei bis vier Mal so viel Impfstoff bekommen. Dann wird jede Praxis 50 bis 60 Dosen pro Woche haben. Wir sind dann voraussichtlich schon in der Priorität 3 und können die 60- bis 69-Jährigen und alle impfen, die chronische Krankheiten haben. Nach dem Mai wird die Priorisierung voraussichtlich fallen, so dass dann alle geimpft werden können. Man kann den Ärzten nur den Rat geben: Macht es dann wie bei Vorsorge-Untersuchungen und vergebt schon Termine bis in den Juni hinein.
Wann wollen Sie mit dem Impfen durch sein?
MEISER Die Arztpraxen können in der Woche 80.000 Impfungen machen, ich gehe konservativ von 40.000 bis 50.000 aus. 150.000 Menschen haben ihre Erstimpfungen schon in den Impfzentren bekommen. Wenn die Lieferzusagen eingehalten werden und keine Komplikationen mit Astrazeneca mehr dazwischenkommen, können wir bis Ende Juni, spätestens im Juli jedem eine Erstimpfung anbieten. Das wäre ein Riesenschritt. Dann kommen noch die Zweitimpfungen, und dann wären wir im dritten Quartal durch.
Ab wann können sich Menschen von sich aus in den Praxen melden?
MEISER Wenn es gut geht, in der ersten oder zweiten Mai-Woche. Dann schalten wir online auch die Liste der Impfärzte frei. Darauf stehen Ärzte, die bereit sind, auch fremde Patienten zu impfen. Es gibt ja Menschen, die nicht krank sind und keinen Hausarzt haben. Die können dann einfach schauen, wer sie in ihrer Region impfen kann.
Braucht man dann die Impfzentren überhaupt noch?
MEISER Wir haben vereinbart, dass die Zweitimpfung immer dort stattfindet, wo die Erstimpfung war. Das heißt, die Impfzentren braucht man allein schon deshalb noch, um die Zweitimpfungen durchzuführen. Aber man wird sie nicht mehr in der Ausprägung benötigen.
Was passiert, wenn in den Praxen eine Impfdosis übrig ist?
MEISER Dann wird geschaut, wer als nächstes in der Prioritätsstufe steht. Im Ort ist das ja kein Problem, der Arzt kennt ja seine Patienten, die können direkt kommen. Wenn es wirklich mal ganz schwierig ist und niemand erreichbar ist, sagt man einfach: Der nächste, der vorbeikommt, wird gefragt, ob er geimpft werden will. Es wird nichts weggeschüttet.
Erwarten Sie Diskussionen, wenn ab übernächster Woche Astrazeneca in den Praxen eingesetzt werden soll?
MEISER Da rechnen wir mit großen Diskussionen. Wobei es ganz viele gibt, die sagen, ich bin über 60, ich kenne das Risiko. Aber es gibt einen großen Diskussionsbedarf. Ich rate unseren Ärzten dringend, offensiv aufzuklären. Der Nutzen ist um ein vielfaches höher. Das wird manchmal aber schon 10 oder 20 Minuten dauern. Das ist eigentlich kaum zumutbar. Für den Komplettvorgang gibt es 20 Euro, das ist bei weitem nicht kostendeckend. Die Ärzte machen es trotzdem gerne und aus Überzeugung. Aber es hat schon für Unmut gesorgt, als man gehört hat, dass in den Impfzentren Kosten entstehen, die zehn Mal so hoch sind.
Und ein Patient, der eine Impfung mit Astrazeneca ablehnt?
MEISER Der muss dann wieder gehen. Es gibt keine Impfstoff-Auswahl.
„Nach dem Mai wird die Priorisierung voraussichtlich fallen, so dass dann alle geimpft wer
den können.“
Dr. Joachim Meiser
Kassenärztliche Vereinigung