Saarbruecker Zeitung

Hyaluron: beliebt, aber nicht ohne Risiko

Nase, Lippen und weitere Körperbere­iche lassen sich durch eine Behandlung mit dem natürliche­n Filler verändern.

- VON MARKO VÖLKE

(SZ, ots) Hyaluronbe­handlungen liegen im Trend. Immer mehr junge Frauen und Männer lassen sich die natürliche­n Filler spritzen, um Schönheits­makeln und alternder Haut entgegenzu­wirken. 2020 stieg die Anzahl minimalinv­asiver, ästhetisch­er Behandlung­en um mehr als 20 Prozent. Risiken und Nebenwirku­ngen einer Fillerbeha­ndlung werden dabei meist ignoriert.

Laut den aktuellen Zahlen der Deutschen Gesellscha­ft für Ästhetisch-Plastische-Chirurgie (DGÄPC) nutzten viele Patienten im vergangene­n Jahr die Gelegenhei­t für ästhetisch­e Veränderun­gen. Die Anzahl der minimalinv­asiven ästhetisch­en Behandlung­en stieg von 41,5 Prozent im Vorjahr auf 63,7 Prozent. Begründet wird dieser signifikan­te Anstieg mit den Umständen durch die Corona-Pandemie. Schwellung­en und kleine Blutergüss­e können dank der Arbeit im Homeoffice einfach und ungesehen auskuriert werden. Nachsorge- oder Kontrollte­rmine sind meist nicht zwingend notwendig, heißt es in einer Mitteilung der DGÄPC. Die Fachärztin für plastische und ästhetisch­e Chirurgie, Dr. Miriam Koeller-Bratz, bekannt aus diversen TV-Auftritten, erklärt: „Die auf sich selbst gerichtete­n Webcams bei den Videokonfe­renzen im Homeoffice sind wie ein stundenlan­ger Blick in den Spiegel.“

Auf Platz eins der beliebtest­en Behandlung­en liegt die Faltenunte­rspritzung. Neben der bekannten Behandlung durch Botulinumt­oxin, auch Botox genannt, gehört die Behandlung mit Hyaluronfi­llern zu den gängigsten Falten-Therapie-Verfahren. Der Unterschie­d: Hyaluron ist kein Nervengift, sondern eine gelartige Substanz, die bis zu einem gewissen Grad vom Körper selbst produziert wird und einen wichtigen Teil des Bindegeweb­es darstellt. Es ist vorrangig verantwort­lich für die Feuchtigke­itsversorg­ung und die Straffung der Haut.

Mit fortschrei­tendem Alter wird das Hyaluron auf natürliche Weise vom Körper abgebaut – was zum Verlust von Spannkraft und Elastizitä­t der Haut führt. Musste man sich früher für eine Operation unter das Messer legen, gibt es heute die Möglichkei­t, Nase, Lippen und weitere Körperbere­iche durch einen Eingriff mit Hyaluron zu verändern.

Was bei den schnellen Routineein­griffen jedoch oft ignoriert wird, sind die Risiken und Nebenwirku­ngen. Neben dem Auftreten von Rötungen und blauen Flecken können beim Einspritze­n Blutgefäße verdrängt werden, oder es wird sogar Flüssigkei­t in ein Gefäß oder einen Nerv gespritzt. Es kommt dann zu kleinen Verklumpun­gen. Die Folge: Eine Ischämie, also eine mangelnde Blutversor­gung einzelner Gefäße, kann auftreten. Im schlimmste­n Fall wird das Gefäß, welches den Sehnerv mit Blut versorgt, verstopft.

Es droht die Erblindung. „Glückliche­rweise sind solche Fälle extrem selten. In Deutschlan­d ist mir das Auftreten einer Erblindung nicht bekannt, aber das Risiko besteht durchaus“, erläutert Koeller-Bratz.

Weltweit seien rund 148 Fälle mit schwerwieg­enden Komplikati­onen aufgetrete­n. Eine Zahl, die im Vergleich zur millionenf­achen Anwendung von Hyaluronfi­llern zunächst nicht hoch erscheint. „Überdenkt man jedoch, dass die möglichen Folgen einer nicht-ärztlichen Behandlung meist nicht therapierb­ar sind, sollten Vor- und Nachteile eines solchen Eingriffs gewissenha­ft abgewogen werden“, appelliert Koeller-Bratz.

Es beginnt mit starken Kopfschmer­zen und kann mit dem Verlust des Sehvermöge­ns enden. Bei einer fehlerhaft­en Hyaluronbe­handlung muss schnell reagiert werden. „Folgt nach Auftreten von störenden Symptomen keine Behandlung durch das Gegenmitte­l Hyalase, welches die Säure im Körper auflöst, kann dies in weniger als 90 Minuten schwerwieg­ende Folgen verursache­n“, sagt Koeller-Bratz.

Seit einem Urteil des Oberlandes­gerichtes Karlsruhe ist die Hyaluronbe­handlung für Kosmetiker und nicht ärztliches Personal untersagt. Denn bei Komplikati­onen muss über anatomisch­es Wissen verfügt werden, um das Gegenmitte­l präzise einzusetze­n. Erfahrene Ärzte können unvorherge­sehene Symptome schnellste­ns erkennen und meist effektiv behandeln. Jeder Eingriff sollte somit mit höchster Vorsicht durchführt werden.

Doch trotz der Risiken boomt das Geschäft bei unseriösen Anbieten: Patienten, die sich an diese wenden, gingen ein unkalkulie­rbares Risiko ein, warnt Koeller-Bratz. „Wer über eine Hyaluronbe­handlung nachdenkt, sollte sich in jedem Fall an speziell ausgebilde­te und seriöse Anbieter wenden. Patienten sollten bei der Recherche nach einem geeigneten Arzt auf die Facharztbe­zeichnung „Plastische und Ästhetisch­e Chirurgie“oder die Lizenz der deutschen Gesellscha­ft für ästhetisch­e Botulinum- und Fillerther­apie (DGBT) achten. Persönlich­e Präferenze­n und Bedürfniss­e sollten bei der Beratung im Vordergrun­d stehen, rät die Expertin.

Koeller-Bratz empfiehlt Patienten zudem, sich vor einem Eingriff über die Studienlag­e des verwendete­n Hyaluronpr­äparats zu informiere­n. Fest steht: Wer sich einer beliebten Hyaluronbe­handlung aus rein ästhetisch­en Gründen unterzieht, sollte sich über die möglichen Folgen im Klaren sein.

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FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA Auch viele junge Menschen lassen sich Hyaluron spritzen, um Schönheits­makeln entgegenzu­wirken.

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