Warum die Kamera zur Johanneskirche guckt
Die Kritik am Brennpunkt Johanneskirche schließt die Videoüberwachung ein. Die Polizei beruft sich auf gute Gründe, die Kamera aufzustellen. Sie findet durchaus, dass dieses Auge des Gesetzes etwas bringt. Einen gewissen Verdrängungseffekt bestreitet die
Schmutz, Drogenhandel, Fixer, Vandalismus: Kritiker wie Maxim Karpalyuk haben sich in einer Bürgerinitiative gegen diese Missstände im Umfeld der Johanneskirche organisiert. Sie belegen die Szenen aus ihrem Alltag mit Fotos und Videos. Und sie zweifeln am Nutzen der Videoüberwachung für die Saarbahn-Haltestelle an der Johanneskirche, warnen vor einem folgenschweren Verdrängungseffekt, den das Gerät auslösen könne.
Eine SZ-Nachfrage bei der saarländischen Polizei soll Antworten liefern, warum die Super-Kamera überhaupt die Haltestelle Johanneskirche überwacht. Polizeisprecher Stephan Laßotta erinnert an die Gründe für die Montage der Videoanlage: „Seit Jahresende 2015 wurde eine Verschlechterung der Sicherheitslage in der Landeshauptstadt festgestellt. Es ergingen wiederholt Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern sowie aus Handel und Gewerbe über eine sich verfestigende, offene Drogenszene an der Haltestelle Johanneskirche.“
Und zwar mit „mannigfaltig öffentlich wahrnehmbaren Störungen und Straftaten aus dem Bereich der Betäubungsmittel- und Straßenkriminalität“. Demnach waren Verunreinigungen, Belästigungen der Allgemeinheit, Sachbeschädigungen sowie Gewaltdelikte dort an der Tagesordnung.
Betrunkene und Täter im Drogenrausch hätten insbesondere an Wochenenden Raubüberfälle begangen und mit Messerstechereien sowie Landfriedensbrüchen für „gravierende Einsatzanlässe“gesorgt. Die Belastung durch „Straßenund Rauschgiftkriminalität“sei an der Johanneskirche deutlich höher gewesen als in der gesamten sonstigen Innenstadt.
Sprecher Laßotta erinnert nicht zuletzt an die Jahre 2019 und 2020, als es viele Polizeieinsätze gab an der Kirche und in deren Umfeld. Oft nach Mitteilungen aus der Bevölkerung. Vertreter der Inspektion Saarbrücken-Stadt nahmen im vorigen Jahr wegen der Beschwerden an Gesprächsrunden der von Anwohnern gegründeten Initiative teil. Es gab Treffen sowohl im Rathaus mit Oberbürgermeister Uwe Conradt als auch im Landtag mit dem CDU-Abgeordneten Timo Mildau.
Innenminister Klaus Bouillon verstärkte die Maßnahmen der Polizei in der Stadtmitte. Es gab und gibt Brennpunktkontrollen mit viel Personal und mehr Polizisten, die zu Fuß verstärkt Präsenz zeigen. Zudem sollte die Polizeiabteilung des Innenministeriums prüfen, ob am Kriminalitätsbrennpunkt Johanneskirche eine Videoüberwachung möglich ist.
Polizeisprecher Laßotta sagt, dieser Videoschutz stelle heute einen Bestandteil von vielen – nicht ausschließlich polizeilichen – Maßnahmen für mehr Sicherheit in der Innenstadt dar. Seit der Inbetriebnahme im August 2020 wurde demnach dank der Kamera-Aufnahmen mit vielen „Gefahrenabwehrmaßnahmen“Schlimmeres verhindert. Und die Aufnahmen halfen in Bußgeld- sowie Strafverfahren.
Auf die Frage, ob eine solche Überwachungsanlage Straftäter in das nicht videokontrollierte Umfeld abdrängt, antwortet Laßotta, eine „objektive Aussage“zu einem Verdrängungseffekt durch den Video-Schutz
an der Johanneskirche könne die Polizei nicht machen. „Subjektiv lässt sich derzeit durch die örtlich zuständige Polizeiinspektion kein konkreter, neu gebildeter Hotspot im umliegenden Bereich der Johanneskirche außerhalb des Überwachungsareals feststellen.“
Laßotta fügt aber an: „Vereinzelt ereignen sich – wie in den vergangenen Jahren auch – immer wieder Delikte der Betäubungsmittelkriminalität in den umliegenden Straßenzügen der Johanneskirche. BtM-Straftäter, welche im Hinblick auf den polizeilichen Videoschutz sensibilisiert sind, weichen nach den Erfahrungen der örtlich zuständigen Polizeiinspektion vereinzelt in den nicht überwachten Bereich aus.“
Grundsätzlich sei dieses Phänomen
der Verdrängung, zumindest für geplante Straftaten im öffentlichen Raum, wie zum Beispiel den Handel mit Drogen, in gewissem Maße möglich und bei der Maßnahme berücksichtigt.
Die Videoüberwachung in anderen Städten und die Erfahrungen, seit die Kamera am Rathaus läuft, zeigen Laßotta zufolge, dass es Taten im Affekt oder aus besonderen Situationen heraus sogar weiterhin in den Überwachungsbereichen gibt.
Als Ergänzung zur Videoüberwachung gebe es denn auch regelmäßig zivile, dezentrale Kontrollen an der Johanneskirche und in den umliegenden Straßen. Und die Polizei ändere ihr Vorgehen, sollte sich die Kriminalität in diesem Bereich der Stadt verändern oder verlagern.
Im Blick hat die Polizei die Haltestelle
Johanneskirche nach wie vor wegen ihrer zentralen Lage und der vielen Menschen, die Tag für Tag dorthin kommen. Werden sie mit teilweise offensichtlichen Straftaten wie Betäubungsmittelkriminalität, Raub- oder Körperverletzungsdelikten konfrontiert, dann wirke sich das wesentlich auf das Sicherheitsempfinden aus.
Deshalb sei eine Verdrängung potentiell krimineller Gruppen weg von Verkehrsknotenpunkten mitunter ein Teilziel der Videobeobachtung – neben der Gefahrenabwehr und besserer Beweisführung in Strafverfahren. Etwa um Passanten vor Begleitstraftaten aus dem Drogenmilieu wie Diebstählen und Überfällen zu schützen.
Andererseits dürfe die von den Kritikern der Zustände an der Kirche
erwähnte „Randständigenszene“nicht pauschal als kriminelle Gruppe angesehen werden. Deren Verdrängung sei somit kein primäres Ziel des Videoschutzes.
Zum Schluss: Was ist zu tun, wenn trotz der Videokamera eine Straftat geschieht und schnell Hilfe her muss? Laßotta: „Grundsätzlich können sich Bürger aus dem Umfeld der Johanneskirche bei akuten Notfällen per Notruf 110 an die Führungsund Lagezentrale der saarländischen Vollzugspolizei und bei allen anderen Fällen per Amtsleitung (06 81) 9 32 12 33 an die örtlich zuständige Polizeiinspektion Saarbrücken-Stadt wenden. Für etwaige Beschwerden, bei denen es sich nicht um Notrufe handelt, steht das Bürgertelefon der Dienststelle unter der (06 81) 9 32 16 66 zur Verfügung.“ „Es ergingen wiederholt Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern sowie aus Handel und Gewerbe über eine sich
verfestigende, offene Drogenszene an
der Haltestelle Johanneskirche.“
Stephan Laßotta
Landespolizeipräsidium