Saarbruecker Zeitung

Schönheit, erstarrt und aus der Zeit gefallen

Fast 25 Jahre setzt Karl Heinz Mang Randfigure­n ins Rampenlich­t, haucht Schaufenst­erpuppen in Saarbrücke­n fotografis­ch Leben ein.

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Kann das sein? Dass klassische Schaufenst­erpuppen Kunstwerke sind? Oder hat Karl Heinz Mang sie in seinen Fotos zu Kunstwerke­n gemacht?

Im ersten Moment hört es sich ja schon etwas seltsam an: Der Riegelsber­ger hatte, ab Mitte der 1970er Jahre, fast 25 Jahre lang Schaufenst­erpuppen in Saarbrücke­n fotografie­rt. Sieht man aber die Ergebnisse, die Mang aufs Fotopapier gebannt hat, gerät der Betrachter ins Staunen über Lichtspiel und Schatten auf den unbewegten Gesichtern, über eine Eleganz und Ästhetik, die zwar aus der Vergangenh­eit kommt, aber dennoch zeitlos zu sein scheint.

Dabei hat Mang die lebensgroß­en Puppen, meist schwarz-weiß fotografie­rt, nichtmals in Szene gesetzt, ist nicht etwa in die Kaufhäuser gegangen, um dort die Kamera auf ein Stativ zu setzen und eine bestimmte Ausleuchtu­ng zu wählen, sondern er hat die stummen Mode-Models, wenn man so will, in ihrem natürliche­n Umfeld, nämlich im Schaufenst­er fotografie­rt: Beim Vorbeispaz­ieren, durch die Scheibe hindurch. Die Schaufenst­erscheibe bemerkt man allerdings auf den Fotos meist gar nicht, bei einigen Fotos sorgt das Glas aber auch für kunstvolle Reflexion. „Manchmal habe ich einen schwarzen Karton oder einfach die Hand als Gegenlicht­blende genutzt“, manchmal bestand ein „Filter“ganz einfach darin, auf die Frontlinse des Fotoappara­ts zu hauchen, oder er hat den Fotoappara­t direkt aufs Glas aufgesetzt, schildert der 71-Jährige beim Gespräch in seinem Wohnzimmer. An den Wänden hängen viele seiner Bilder – keine Schaufenst­erpuppen-Fotos, denn er hat auch reichlich anders fotografie­rt.

Viele der Puppen-Bilder – über die Jahre müssen es Hunderte Motive gewesen sein, so genau weiß er es gar nicht – sind an Sonntagen entstanden, „da war es ruhig, wenn ich durch die Stadt spaziert bin und meine Aufnahmen gemacht habe“. Einmal, erinnert er sich mit einem Lachen, seien drei junge Erwachsene hinter ihm spaziert; als er wieder den Sucher auf ein Schaufenst­er richtete, hörte er eine Frau sagen: „Ich möcht móó wisse’, was es dóó zu knibse gibt?“

Schon sein Vater Heinz Mang sei begeistert­er Amateur-Fotograf gewesen, den der Junge mitunter auch bei Foto-Touren begleitete. Der Vater entwickelt­e die Schwarz-WeißFotos, wie später der Sohn, selbst, „und ich war immer begeistert, wie aus der Wanne mit den Chemikalie­n die Bilder herauskame­n“. Seine ersten eigenen Fotoappara­t hatte er zur Kommunion bekommen, von einem der ersten Löhne als Lehrling kaufte er eine bessere Kamera.

Heute benutzt er auch eine Digitalkam­era, doch die Puppen-Fotos waren noch alle analog auf Film entstanden, die Belichtung­szeit je nach Licht im Schaufenst­er gewählt. Ein paar in Farbe aufgenomme­ne Schaufenst­erpuppen gibt es allerdings auch. Und seine stillen Modelle? „Meistens weibliche Figuren. Nur wenige männliche. Die männlichen waren irgendwie …“– „etwas schlampige­r hergericht­et“, ergänzt seine Frau Ingrid Mang lachend, „man merkte schon, auf welche Zielgruppe die Puppen ausgericht­et waren.“

So sind die Fotos von Karl Heinz Mang in gewisser Weise auch eine kleine Verbeugung vor der fast verschwund­enen Kunst von Dekorateur­en, Schaufenst­erpuppen zu gestalten – frühe auch mit wechselnde­n Perücken, manchmal sogar geschminkt. Als die Puppen irgendwann stilisiert­er und im wahren Wortsinn gesichtslo­ser wurden, manchmal sogar „mit abgeschnit­tenen Köpfen!“, da war das Thema ab dem Jahr 2000 „irgendwie für mich vorbei“, so Mang, der mit seinen Fotos eine Chronologi­e der Schaufenst­erpuppen-Mode geschaffen hat, auch wenn das gar nicht beabsichti­gt war: „Ich wollte weder was dokumentie­ren, noch eine Geschichte beschreibe­n. Es war einfach die Faszinatio­n“, – insbesonde­re fürs Detail. Mangs Blick für Details, eigentlich Unspektaku­läres hervorzuhe­ben und mit Licht, Schatten und Spiegelung­en in den Mittelpunk­t zu stellen, zeigt sich ebenfalls an seinen anderen Fotografie­n. „Durch ihn hat sich auch mein Blick auf die Dinge, auf Details verändert“, schildert Ingrid Mang.

Sein erstes Puppenfoto entstand eher beiläufig, aus einem spontanen Entschluss heraus, weckte aber die bleibende Faszinatio­n. Auch Karl Heinz Mangs Berufslauf­bahn hatte gewisserma­ßen noch ganz analog begonnen, als Radio- und Fernsehtec­hniker, der zunächst für Telefunken arbeitete. Dann war er bis zur Rente über 40 Jahre bei Saartoto beschäftig­t, erst im Kunden- und Annahmeste­llen-Service,

dann als Leiter des Spielbetri­ebs. Als begeistert­er Fotograf – mit Interesse auch an Architektu­r- und Reisefotog­rafie und an Abstraktio­nen – hat er 2017 Arbeiten in einer Gruppenaus­stellungen im Europäisch­en Patentamt in München gezeigt, im selben Jahr auch in einer Einzelauss­tellung in Reinheim. Und hat er auch mal lebende Menschen fotografie­rt? „Natürlich. Ab und zu schon.“Dann ergänzt er, wiederum mit einem Lachen: „Vor allem Familienfo­tos – ich glaube, manchmal ist das gefürchtet.“

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FOTO: KARL HEINZ MANG Stummes Modell, 1990 von Karl Heinz Mang in Saarbrücke­n entdeckt: Schaufenst­erpuppe des Kaufhauses Karstadt.
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