Die Kunst der müden Gesichter im Corona-Tief
Zwischen Thailand, Dänemark und Saarbrücken, zwischen Yoga, Politik und Fotokunst: Lilli Breininger legt sich nicht fest. Porträt einer Vielseitigen.
Obgleich „dehemm isses doch am scheenschde“so etwas wie der inoffizielle Leitsatz saarländischen Lebens ist, zieht es doch viele, gerade junge Saarländerinnen und Saarländer irgendwann raus in die große weite Welt. So auch die Ethnologin, Fotojournalistin und Yoga-Lehrerin Lilli Breininger.
2004, das Abitur gerade in der Tasche, verschlug es sie zunächst von Lebach nach Trier, wo sie Ethnologie, Soziologie und Psychologie studierte. Insbesondere das Studium der Ethnologie hat Breininger dabei noch näher an ihre zweite Heimat gebracht: Die Philippinen, von wo Breiningers Mutter stammt.
So hat sie nicht nur während des Studiums auf den Philippinen über die dortige indigene Bevölkerung geforscht, ja sogar deren Sprache gelernt, sondern sich auch in politischer Bildungsarbeit engagiert. Zuletzt arbeitete sie sogar als Geschäftsführerin
des philippinenbuero.eVs in Köln.
„Schon im Studium habe ich gemerkt, dass ich gerne fotografiere“, sagt Lilli Breininger, „und das auch gerne mit meinen Studieninteressen verbinde.“So entschloss sie sich, auch noch Fotojournalismus in Hannover und Aarhus in Dänemark zu studieren.
Und damit nicht genug: Seit nunmehr schon zehn Jahren begleitet Breininger auch das Thema ganzheitliche Körperarbeit. Sie ist ausgebildete Yoga-Lehrerin, ausgebildete Thai-Masseurin, Praktizierende weiterer Lehren der Körperarbeit.
In ihren freien Fotoprojekten fließen Breiningers Berufe, die sie liebevoll „Berufungen“nennt, ineinander. Sie erzählen vom Alltag auf den Philippinen und Breiningers Verhältnis zur zweiten Heimat. Sie erzählen von der Berliner Bohème oder Tamera, einer als Dorf angelegten Lebensgemeinschaft in Portugal.
Dabei fängt sie in ihren Bildern die flüchtige Schönheit des Moments ein. Das hängt auch mit Breiningers Herangehensweise an das Fotografieren zusammen: Während sie bei Auftragsarbeiten meist digital arbeitet, benutzt sie für freie Projekte oft eine analoge Mittelformatkamera.
Schon im Studium habe sie viel auf Film gearbeitet, sagt Breininger. „Heute ist es ja gerne gesehen, dass die Dinge, die dargestellt werden, gut ausgeleuchtet sind“, sagt sie weiter, „ich mag es aber gerade,
Dinge so einzufangen, wie sie sind, das heißt, dass es Sachen gibt, die im Schatten liegen, die Dunkel sind und die dürfen so auch bleiben.“
Das Spiel aus Licht und Schatten sei für sie etwas ganz Besonderes, sagt Breininger, „es gibt nur einmal diese Lichtsituation und am nächsten Tag sieht schon wieder alles ganz anders aus.“Auch in Auftragsarbeiten – Porträt- und Event-Fotografie also – gelingt Breininger dieser Ansatz, das Festhalten eines kurzen magischen Momentes.
Verkrampfte Gesichter, ungelenke Körper sucht man in ihren Fotografien vergeblich. „Mir ist wichtig, dass die Menschen sich wohlfühlen, da ist die Körperarbeit, die ich mache, sicherlich auch hilfreich“, erklärt sie.
So wie viele Saarländer, die sich irgendwann einmal auf Irrfahrten in die übrige Welt begeben haben, kehrte auch Lilli Breininger schließlich doch ins Saarland zurück. Der Anlass war für sie die Geburt ihres Kindes.
Und doch war der Januar vorigen Jahres ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für eine Rückkunft. Zwei Monate später folgte der erste Lockdown. „Das war und ist immer noch sehr, sehr seltsam für mich“, sagt Breininger, „ich habe immer noch das Gefühl, nichts von Saarbrücken zu kennen, ich komme nicht dazu, Beziehungen aufzubauen, erst Recht keine beruflichen.“
Aus dem Bedürfnis aus diesem Gefühl des Nichtstuns herauszukommen, dem Wunsch, „einfach was zu machen“, wie Breininger sagt, ist ihr neuestes Fotoprojekt „Ein Geisterspiel“entstanden. Von Bühnen ohne Publikum. Aus Probeund Atelierräumen blicken einem da die verschiedensten Akteure des Saarbrücker Kulturlebens entgegen: Der künstlerische Leiter des Überzwerg-Theaters, Bob Ziegenbalg, die Bindeglieder der Saarbrücker Lindy-Hop-Szene, Ben und Nik Taffner, die Staatstheater-Schauspielerin Juliane Lang.
Breiningers Aufnahmen zeugen nicht nur von der Verzweiflung und der Ermüdung der Kulturschaffenden, sondern auch vom Ernst der Lage für die Kulturszene. „Die Geschichten dieser Menschen zu hören war spannend und teilweise sehr traurig, manche mussten ihr Handwerk ganz aufgeben“, sagt Breininger, „und die anderen sind es leid, immer kreativ zu sein, sich anzupassen, und dann kommt doch alles wieder zum Stillstand“.
Auch für sie selbst sei es aktuell schwierig zu planen. Breiningers Wunschzukunft besteht aber aus 50 Prozent Körperarbeit und 50 Prozent Fotografie. „Ok, und vielleicht noch 30 Prozent politische Arbeit“, lacht sie.
In ihren fotografischen Arbeiten will sie sich vor allem auch im Themenbereich Familie gut aufstellen, „das ist ja hier im Saarland auch immer ein wichtiges Thema“, sagt Breininger. Im Saarland will sie nämlich jetzt erst einmal bleiben.
„Ich habe immer noch das Gefühl, nichts von Saarbrücken zu kennen, ich komme nicht dazu,
Beziehungen aufzubauen, erst recht
keine beruflichen“
Lilly Breininger
kam zur Geburt ihres ersten Kindes zurück ins Saarland – und landete kurz drauf
im Lockdown „Die Geschichten dieser Menschen zu hören war spannend und teilweise
sehr traurig“
Lilli Breininger über ihr fotografisches Projekt mit Künst
lerinnen und Künstlern im Lockdown