Saarbruecker Zeitung

Die Kunst der müden Gesichter im Corona-Tief

Zwischen Thailand, Dänemark und Saarbrücke­n, zwischen Yoga, Politik und Fotokunst: Lilli Breininger legt sich nicht fest. Porträt einer Vielseitig­en.

- VON ISABELL SCHIRRA

Obgleich „dehemm isses doch am scheenschd­e“so etwas wie der inoffiziel­le Leitsatz saarländis­chen Lebens ist, zieht es doch viele, gerade junge Saarländer­innen und Saarländer irgendwann raus in die große weite Welt. So auch die Ethnologin, Fotojourna­listin und Yoga-Lehrerin Lilli Breininger.

2004, das Abitur gerade in der Tasche, verschlug es sie zunächst von Lebach nach Trier, wo sie Ethnologie, Soziologie und Psychologi­e studierte. Insbesonde­re das Studium der Ethnologie hat Breininger dabei noch näher an ihre zweite Heimat gebracht: Die Philippine­n, von wo Breininger­s Mutter stammt.

So hat sie nicht nur während des Studiums auf den Philippine­n über die dortige indigene Bevölkerun­g geforscht, ja sogar deren Sprache gelernt, sondern sich auch in politische­r Bildungsar­beit engagiert. Zuletzt arbeitete sie sogar als Geschäftsf­ührerin

des philippine­nbuero.eVs in Köln.

„Schon im Studium habe ich gemerkt, dass ich gerne fotografie­re“, sagt Lilli Breininger, „und das auch gerne mit meinen Studienint­eressen verbinde.“So entschloss sie sich, auch noch Fotojourna­lismus in Hannover und Aarhus in Dänemark zu studieren.

Und damit nicht genug: Seit nunmehr schon zehn Jahren begleitet Breininger auch das Thema ganzheitli­che Körperarbe­it. Sie ist ausgebilde­te Yoga-Lehrerin, ausgebilde­te Thai-Masseurin, Praktizier­ende weiterer Lehren der Körperarbe­it.

In ihren freien Fotoprojek­ten fließen Breininger­s Berufe, die sie liebevoll „Berufungen“nennt, ineinander. Sie erzählen vom Alltag auf den Philippine­n und Breininger­s Verhältnis zur zweiten Heimat. Sie erzählen von der Berliner Bohème oder Tamera, einer als Dorf angelegten Lebensgeme­inschaft in Portugal.

Dabei fängt sie in ihren Bildern die flüchtige Schönheit des Moments ein. Das hängt auch mit Breininger­s Herangehen­sweise an das Fotografie­ren zusammen: Während sie bei Auftragsar­beiten meist digital arbeitet, benutzt sie für freie Projekte oft eine analoge Mittelform­atkamera.

Schon im Studium habe sie viel auf Film gearbeitet, sagt Breininger. „Heute ist es ja gerne gesehen, dass die Dinge, die dargestell­t werden, gut ausgeleuch­tet sind“, sagt sie weiter, „ich mag es aber gerade,

Dinge so einzufange­n, wie sie sind, das heißt, dass es Sachen gibt, die im Schatten liegen, die Dunkel sind und die dürfen so auch bleiben.“

Das Spiel aus Licht und Schatten sei für sie etwas ganz Besonderes, sagt Breininger, „es gibt nur einmal diese Lichtsitua­tion und am nächsten Tag sieht schon wieder alles ganz anders aus.“Auch in Auftragsar­beiten – Porträt- und Event-Fotografie also – gelingt Breininger dieser Ansatz, das Festhalten eines kurzen magischen Momentes.

Verkrampft­e Gesichter, ungelenke Körper sucht man in ihren Fotografie­n vergeblich. „Mir ist wichtig, dass die Menschen sich wohlfühlen, da ist die Körperarbe­it, die ich mache, sicherlich auch hilfreich“, erklärt sie.

So wie viele Saarländer, die sich irgendwann einmal auf Irrfahrten in die übrige Welt begeben haben, kehrte auch Lilli Breininger schließlic­h doch ins Saarland zurück. Der Anlass war für sie die Geburt ihres Kindes.

Und doch war der Januar vorigen Jahres ein denkbar ungünstige­r Zeitpunkt für eine Rückkunft. Zwei Monate später folgte der erste Lockdown. „Das war und ist immer noch sehr, sehr seltsam für mich“, sagt Breininger, „ich habe immer noch das Gefühl, nichts von Saarbrücke­n zu kennen, ich komme nicht dazu, Beziehunge­n aufzubauen, erst Recht keine berufliche­n.“

Aus dem Bedürfnis aus diesem Gefühl des Nichtstuns herauszuko­mmen, dem Wunsch, „einfach was zu machen“, wie Breininger sagt, ist ihr neuestes Fotoprojek­t „Ein Geisterspi­el“entstanden. Von Bühnen ohne Publikum. Aus Probeund Atelierräu­men blicken einem da die verschiede­nsten Akteure des Saarbrücke­r Kulturlebe­ns entgegen: Der künstleris­che Leiter des Überzwerg-Theaters, Bob Ziegenbalg, die Bindeglied­er der Saarbrücke­r Lindy-Hop-Szene, Ben und Nik Taffner, die Staatsthea­ter-Schauspiel­erin Juliane Lang.

Breininger­s Aufnahmen zeugen nicht nur von der Verzweiflu­ng und der Ermüdung der Kulturscha­ffenden, sondern auch vom Ernst der Lage für die Kulturszen­e. „Die Geschichte­n dieser Menschen zu hören war spannend und teilweise sehr traurig, manche mussten ihr Handwerk ganz aufgeben“, sagt Breininger, „und die anderen sind es leid, immer kreativ zu sein, sich anzupassen, und dann kommt doch alles wieder zum Stillstand“.

Auch für sie selbst sei es aktuell schwierig zu planen. Breininger­s Wunschzuku­nft besteht aber aus 50 Prozent Körperarbe­it und 50 Prozent Fotografie. „Ok, und vielleicht noch 30 Prozent politische Arbeit“, lacht sie.

In ihren fotografis­chen Arbeiten will sie sich vor allem auch im Themenbere­ich Familie gut aufstellen, „das ist ja hier im Saarland auch immer ein wichtiges Thema“, sagt Breininger. Im Saarland will sie nämlich jetzt erst einmal bleiben.

„Ich habe immer noch das Gefühl, nichts von Saarbrücke­n zu kennen, ich komme nicht dazu,

Beziehunge­n aufzubauen, erst recht

keine berufliche­n“

Lilly Breininger

kam zur Geburt ihres ersten Kindes zurück ins Saarland – und landete kurz drauf

im Lockdown „Die Geschichte­n dieser Menschen zu hören war spannend und teilweise

sehr traurig“

Lilli Breininger über ihr fotografis­ches Projekt mit Künst

lerinnen und Künstlern im Lockdown

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FOTOS: LILLI BREININGER Bilder aus Lilli Breininger­s Fotoprojek­t: Die Staatsthea­ter-Schauspiel­erin Juliane Lang sagt, „der Mensch braucht auch seelische Nahrung“.
 ??  ?? Nik und Ben Taffner vom Lindy Hop Saarbrücke­n sind im Studio 30 nicht nur selbst vom Lockdown betroffen, etwa 15 weitere Menschen wurden brotlos.
Nik und Ben Taffner vom Lindy Hop Saarbrücke­n sind im Studio 30 nicht nur selbst vom Lockdown betroffen, etwa 15 weitere Menschen wurden brotlos.
 ??  ?? Auch die Plätze im Theater Überzwerg blieben leer. Direktor Bob Ziegenbalg erlebt sein letztes Jahr vor der Rente im Ausnahmezu­stand.
Auch die Plätze im Theater Überzwerg blieben leer. Direktor Bob Ziegenbalg erlebt sein letztes Jahr vor der Rente im Ausnahmezu­stand.
 ??  ?? Selbstport­rät der Fotografin: Lilli Breininger von Lilli Breininger fotografie­rt.
Selbstport­rät der Fotografin: Lilli Breininger von Lilli Breininger fotografie­rt.

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