Ein Jahrhundertbauwerk nimmt Gestalt an
Die Arbeiten an der Autobahn 6 kommen voran: Die neue Grumbachtalbrücke bei Schafbrücke erhält schon bald Fahrbahnen.
Eisenflechter haben, da sind sich Baufachleute einig, den übelsten Job auf dem Bau. Im Winter frieren ihre Handschuhe am Baustahl fest, im Sommer verbrennen sie sich die Hände, wenn sie nicht aufpassen. Und Eisen kann verdammt widerspenstig sein. Aber der Job ist überaus wichtig, denn der Baustahl gibt dem Beton die Festigkeit, die er braucht. Die er zum Beispiel braucht, um eine 380 Meter lange Autobahnbrücke zusammenzuhalten. Zurzeit kann man einer Eisenflechterkolonne zusehen, wie sie in schwindelnder Höhe über dem Grumbachtal arbeitet.
Es ist eine eigentümliche Stimmung dort. Hier grasen Rinder, Schafe und Ziegen, daneben stehen ein Containerdorf, Bauzäune und Kamerabrücken. Eine Tankstelle und eine Waschanlage für riesenhafte Baumaschinen. Und als Geräuschkulisse
ein metallisches Krachen, meist im Sekundentakt. Das kommt von der alten Grumbachtalbrücke, die das Tal vierspurig überspannt. Jedes Auto, jeder LKW führt zu diesem Geräusch. Es ist nicht gefährlich, aber es klingt auch alles andere als harmlos in diesem ansonsten friedlichen Tal.
Diese alte Brücke, die vor exakt 60 Jahren in Betrieb ging, sieht zwar recht solide aus, aber das ist sie schon lange nicht mehr. Wer sich die betagten Brückenpfeiler genau ansieht, erkennt Versteifungen. Die hindern den Beton daran, weiter nachzugeben. Die über dreihundert Meter lange Brücke zeigte bei Routineüberprüfungen deutliche Schäden. Eine Sanierung schied aus, so entschloss man sich für einen Neubau. Damit für eine der spektakulärsten Baustellen des Saarlandes.
Nach wie vor rollt der Verkehr vierspurig über die alte Grumbachtalbrücke. Verlangsamt, und etwas vom Rand verschwenkt, um die alte Konstruktion zu schonen. Aber das totale Verkehrschaos, das vor fünf Jahren im Bliesgau herrschte, als die Fechinger Talbrücke, ebenfalls wegen altersbedingter Schäden, von einem Moment zum anderen gesperrt wurde, bleibt hier aus. Die Brückenplaner haben sich ein ehrgeiziges
Ziel gesetzt: Die neue Grumbachtalbrücke wird gebaut ohne nennenswerte Autobahnsperrungen. Ab und zu muss stundenweise der Verkehr umgeleitet werden, weil große Teile bewegt werden müssen, die für den fließenden Verkehr eine Gefahr wären. Aber solche Arbeiten werden auf verkehrsarme Zeiten gelegt. Und das ganz spektakuläre Ende des Brückenbaus wird ebenfalls eine Sperrung für kurze Zeit erfordern – doch dazu später.
Weil die neue Brücke in einem naturschutzrechtlich besonders sensiblen Bereich gebaut wird, der zudem noch Wasserschutzzone 3 ist und an ein FFH-Gebiet grenzt, wird sehr hoher Aufwand betrieben. Wären die Rahmenbedingungen einfacher, könnte man die neue Brücke neben die alte bauen, die Straße etwas verschwenken, dann die alte Brücke abreißen. Das wäre hier zu einfach. Stattdessen wird die neue Brücke gebaut, einschließlich Fahrbahn, Leitplanken, Geländer – dann wird der Verkehr über dieses neue Bauwerk geleitet. Danach beginnen die Abrissarbeiten an der alten Brücke. An ihrer Stelle werden neue Pfeiler errichtet. Nicht einfach, weil man lange in die Tiefe bohren muss, um auf festen Untergrund zu stoßen. Torsten Oehrig, Bauleiter in Diensten der bundeseigenen Autobahn-GmbH: „Wir erstellen Bohrpfähle von zwanzig Metern Länge mit einem Durchmesser von 1,2 Metern. Acht Pfeiler müssen wir neu errichten.“
Sobald diese neuen Brückenpfeiler stehen, kommt der spektakulärste Teil des Brückenbaus. Dann wird die Fahrbahn, die jetzt gerade errichtet wird, quer auf die neuen Brückenpfeiler geschoben. Sie verläuft dann wieder genau dort, wo auch jetzt der Verkehr fließt. Das bedeutet konkret, dass ein Bauwerk, das aus zwei 380 Meter langen, jeweils 16,5 Meter breiten Fahrbahnen besteht, in 23 Metern Höhe verschoben wird. 6500 Kubikmeter Beton mit 1500 Tonnen Baustahl darin, werden verarbeitet, 2500 Tonnen Stahl-Konstruktionsteile sind verbaut.
Die Eisenflechter, die derzeit zugange sind, werden in den kommenden Tagen vom Brückenkopf – wo sie noch gewachsenen Boden unter sich haben – auf den so genannten Schalwagen umziehen. Das ist eine riesige Konstruktion, die als Arbeitsplattform dient, um das Gießen der Fahrbahn vorzubereiten. In 16 Teilabschnitten von jeweils etwa zwei Wochen Dauer geht diese Arbeit voran. Im Spätsommer wird also, gutes Wetter vorausgesetzt, die neue Fahrbahn gegossen sein. Parallel werden die Fahrbahnverschwenkungen asphaltiert, über die gegen Jahresende der Verkehr fließen wird. Torsten Oehrig: „Wir werden noch im April damit anfangen, da gibt es ab und zu ein paar Beeinträchtigungen für den fließenden Verkehr.“
Oehrig, der gemeinsam mit seinem Kollegen Peter Schlarb die Bauleitung innehat, geht davon aus, dass das Projekt planmäßig in etwa vier Jahren fertig sein wird. „Wir liegen zeit- und kostenmäßig voll im Plan“, erklärt er unserer Zeitung.
Drei Firmen haben eine Arbeitsgemeinschaft gebildet. Züblin übernimmt den Hochbau, Donges die Stahlarbeiten und Strabag die Gelände
und Erdarbeiten. Sie arbei- ten Hand in Hand zusammen, spek- takulär waren dabei insbesondere die gigantischen Brückenteile, die Donges in Wiesbaden zusammen- schweißte und mit Spezialtransportern nach St. Ingbert brachte, bevor dann ein Großaufgebot von Mobilkränen nach einer perfekten Choreografie die zig Tonnen schweren Teile millimetergenau montierte. Auch ansonsten ist der Aufwand riesig. Thorsten Oehrig: „Wir haben, damit die Natur keinen dauerhaften Schaden nimmt, für die Betankung der Baufahrzeuge eine versiegelte Fläche angelegt. Um das Baufeld ist ein Biotopschutzzaun errichtet worden. Für Spaziergänger und Radfahrer, die das Tal passieren, wurden Umleitungen angelegt. Schließlich wird die Baustelle rund um die Uhr bewacht, um für Sicherheit zu sorgen.“