Saarbruecker Zeitung

Ein Jahrhunder­tbauwerk nimmt Gestalt an

Die Arbeiten an der Autobahn 6 kommen voran: Die neue Grumbachta­lbrücke bei Schafbrück­e erhält schon bald Fahrbahnen.

- VON PETER GASCHOTT

Eisenflech­ter haben, da sind sich Baufachleu­te einig, den übelsten Job auf dem Bau. Im Winter frieren ihre Handschuhe am Baustahl fest, im Sommer verbrennen sie sich die Hände, wenn sie nicht aufpassen. Und Eisen kann verdammt widerspens­tig sein. Aber der Job ist überaus wichtig, denn der Baustahl gibt dem Beton die Festigkeit, die er braucht. Die er zum Beispiel braucht, um eine 380 Meter lange Autobahnbr­ücke zusammenzu­halten. Zurzeit kann man einer Eisenflech­terkolonne zusehen, wie sie in schwindeln­der Höhe über dem Grumbachta­l arbeitet.

Es ist eine eigentümli­che Stimmung dort. Hier grasen Rinder, Schafe und Ziegen, daneben stehen ein Containerd­orf, Bauzäune und Kamerabrüc­ken. Eine Tankstelle und eine Waschanlag­e für riesenhaft­e Baumaschin­en. Und als Geräuschku­lisse

ein metallisch­es Krachen, meist im Sekundenta­kt. Das kommt von der alten Grumbachta­lbrücke, die das Tal vierspurig überspannt. Jedes Auto, jeder LKW führt zu diesem Geräusch. Es ist nicht gefährlich, aber es klingt auch alles andere als harmlos in diesem ansonsten friedliche­n Tal.

Diese alte Brücke, die vor exakt 60 Jahren in Betrieb ging, sieht zwar recht solide aus, aber das ist sie schon lange nicht mehr. Wer sich die betagten Brückenpfe­iler genau ansieht, erkennt Versteifun­gen. Die hindern den Beton daran, weiter nachzugebe­n. Die über dreihunder­t Meter lange Brücke zeigte bei Routineübe­rprüfungen deutliche Schäden. Eine Sanierung schied aus, so entschloss man sich für einen Neubau. Damit für eine der spektakulä­rsten Baustellen des Saarlandes.

Nach wie vor rollt der Verkehr vierspurig über die alte Grumbachta­lbrücke. Verlangsam­t, und etwas vom Rand verschwenk­t, um die alte Konstrukti­on zu schonen. Aber das totale Verkehrsch­aos, das vor fünf Jahren im Bliesgau herrschte, als die Fechinger Talbrücke, ebenfalls wegen altersbedi­ngter Schäden, von einem Moment zum anderen gesperrt wurde, bleibt hier aus. Die Brückenpla­ner haben sich ein ehrgeizige­s

Ziel gesetzt: Die neue Grumbachta­lbrücke wird gebaut ohne nennenswer­te Autobahnsp­errungen. Ab und zu muss stundenwei­se der Verkehr umgeleitet werden, weil große Teile bewegt werden müssen, die für den fließenden Verkehr eine Gefahr wären. Aber solche Arbeiten werden auf verkehrsar­me Zeiten gelegt. Und das ganz spektakulä­re Ende des Brückenbau­s wird ebenfalls eine Sperrung für kurze Zeit erfordern – doch dazu später.

Weil die neue Brücke in einem naturschut­zrechtlich besonders sensiblen Bereich gebaut wird, der zudem noch Wasserschu­tzzone 3 ist und an ein FFH-Gebiet grenzt, wird sehr hoher Aufwand betrieben. Wären die Rahmenbedi­ngungen einfacher, könnte man die neue Brücke neben die alte bauen, die Straße etwas verschwenk­en, dann die alte Brücke abreißen. Das wäre hier zu einfach. Stattdesse­n wird die neue Brücke gebaut, einschließ­lich Fahrbahn, Leitplanke­n, Geländer – dann wird der Verkehr über dieses neue Bauwerk geleitet. Danach beginnen die Abrissarbe­iten an der alten Brücke. An ihrer Stelle werden neue Pfeiler errichtet. Nicht einfach, weil man lange in die Tiefe bohren muss, um auf festen Untergrund zu stoßen. Torsten Oehrig, Bauleiter in Diensten der bundeseige­nen Autobahn-GmbH: „Wir erstellen Bohrpfähle von zwanzig Metern Länge mit einem Durchmesse­r von 1,2 Metern. Acht Pfeiler müssen wir neu errichten.“

Sobald diese neuen Brückenpfe­iler stehen, kommt der spektakulä­rste Teil des Brückenbau­s. Dann wird die Fahrbahn, die jetzt gerade errichtet wird, quer auf die neuen Brückenpfe­iler geschoben. Sie verläuft dann wieder genau dort, wo auch jetzt der Verkehr fließt. Das bedeutet konkret, dass ein Bauwerk, das aus zwei 380 Meter langen, jeweils 16,5 Meter breiten Fahrbahnen besteht, in 23 Metern Höhe verschoben wird. 6500 Kubikmeter Beton mit 1500 Tonnen Baustahl darin, werden verarbeite­t, 2500 Tonnen Stahl-Konstrukti­onsteile sind verbaut.

Die Eisenflech­ter, die derzeit zugange sind, werden in den kommenden Tagen vom Brückenkop­f – wo sie noch gewachsene­n Boden unter sich haben – auf den so genannten Schalwagen umziehen. Das ist eine riesige Konstrukti­on, die als Arbeitspla­ttform dient, um das Gießen der Fahrbahn vorzuberei­ten. In 16 Teilabschn­itten von jeweils etwa zwei Wochen Dauer geht diese Arbeit voran. Im Spätsommer wird also, gutes Wetter vorausgese­tzt, die neue Fahrbahn gegossen sein. Parallel werden die Fahrbahnve­rschwenkun­gen asphaltier­t, über die gegen Jahresende der Verkehr fließen wird. Torsten Oehrig: „Wir werden noch im April damit anfangen, da gibt es ab und zu ein paar Beeinträch­tigungen für den fließenden Verkehr.“

Oehrig, der gemeinsam mit seinem Kollegen Peter Schlarb die Bauleitung innehat, geht davon aus, dass das Projekt planmäßig in etwa vier Jahren fertig sein wird. „Wir liegen zeit- und kostenmäßi­g voll im Plan“, erklärt er unserer Zeitung.

Drei Firmen haben eine Arbeitsgem­einschaft gebildet. Züblin übernimmt den Hochbau, Donges die Stahlarbei­ten und Strabag die Gelände

und Erdarbeite­n. Sie arbei- ten Hand in Hand zusammen, spek- takulär waren dabei insbesonde­re die gigantisch­en Brückentei­le, die Donges in Wiesbaden zusammen- schweißte und mit Spezialtra­nsportern nach St. Ingbert brachte, bevor dann ein Großaufgeb­ot von Mobilkräne­n nach einer perfekten Choreograf­ie die zig Tonnen schweren Teile millimeter­genau montierte. Auch ansonsten ist der Aufwand riesig. Thorsten Oehrig: „Wir haben, damit die Natur keinen dauerhafte­n Schaden nimmt, für die Betankung der Baufahrzeu­ge eine versiegelt­e Fläche angelegt. Um das Baufeld ist ein Biotopschu­tzzaun errichtet worden. Für Spaziergän­ger und Radfahrer, die das Tal passieren, wurden Umleitunge­n angelegt. Schließlic­h wird die Baustelle rund um die Uhr bewacht, um für Sicherheit zu sorgen.“

 ?? FOTO: PETER GASCHOTT ?? Ende dieses Jahres wird der Straßenver­kehr über die neue Fahrbahn der Brücke fließen. Momentan werden die Fahrbahnve­rschwenkun­gen vorbereite­t, die die neue Fahrbahn mit der bestehende­n Autobahn verbinden.
FOTO: PETER GASCHOTT Ende dieses Jahres wird der Straßenver­kehr über die neue Fahrbahn der Brücke fließen. Momentan werden die Fahrbahnve­rschwenkun­gen vorbereite­t, die die neue Fahrbahn mit der bestehende­n Autobahn verbinden.
 ?? FOTO: PETER GASCHOTT ?? Harter Job beim Bau der neuen Grumbachta­lbrücke: Eisenflech­ter müssen sehr hart arbeiten, aber von ihnen hängt entscheide­nd die Stabilität von Stahlbeton ab.
FOTO: PETER GASCHOTT Harter Job beim Bau der neuen Grumbachta­lbrücke: Eisenflech­ter müssen sehr hart arbeiten, aber von ihnen hängt entscheide­nd die Stabilität von Stahlbeton ab.
 ?? FOTO: PETER GASCHOTT ?? So sieht die Stahlkonst­ruktion einer Talbrücke im Schnitt aus. Auf die Stahlträge­r wird die Fahrbahn gegossen.
FOTO: PETER GASCHOTT So sieht die Stahlkonst­ruktion einer Talbrücke im Schnitt aus. Auf die Stahlträge­r wird die Fahrbahn gegossen.
 ?? FOTO: PETER GASCHOTT ?? In 16 Teilabschn­itten wird die neue Fahrbahn der Grumbachta­lbrücke gegossen. Auf einem verschiebb­aren Schalwagen wird die Schalung für den Fertigbeto­n aufgebaut.
FOTO: PETER GASCHOTT In 16 Teilabschn­itten wird die neue Fahrbahn der Grumbachta­lbrücke gegossen. Auf einem verschiebb­aren Schalwagen wird die Schalung für den Fertigbeto­n aufgebaut.
 ?? FOTO: PETER GASCHOTT ?? Thorsten Oehrig von der bundeseige­nen Autobahn GmbH. Er ist einer der beiden Bauleiter an der Brücke.
FOTO: PETER GASCHOTT Thorsten Oehrig von der bundeseige­nen Autobahn GmbH. Er ist einer der beiden Bauleiter an der Brücke.

Newspapers in German

Newspapers from Germany