Saarbruecker Zeitung

Drogenszen­e sorgt für Ärger im Nauwieser Viertel

Die Kamera für die Haltestell­e an der Johanneski­rche wirkt. Welcher Dealer lässt sich schon gern beim Handel mit seiner illegalen Ware filmen. Anwohner warnen jedoch, dass das Verbrechen nur umgezogen sei.

- VON FRANK KOHLER

> Seiten C 1 und C 3

Maxim Karpalyuk wirkt erschöpft. Zwar schwingt in seiner Stimme noch viel Selbstsich­erheit mit. Zugleich lässt sie aber vermuten, dass ihn auslaugt, was sich, wie er sagt, vor seiner Wohnung und vor seiner Kampfsport­schule in der Saarbrücke­r Johannisst­raße abspielt.

Er spricht von den Dealern. Er sehe, wie sie regelmäßig in ihren Autos mit Kennzeiche­n aus Luxemburg und Frankreich kommen. Und wie sie ihre Kundschaft in Hauseingän­gen versorgen. Karpalyuks Sätze fügen sich zu einem düsteren Bild von diesem Teil der Innenstadt.

Er spricht vom kaum verhohlene­n Rauschgift­handel, vom Gegröle, wenn wieder mal ein Suchtkrank­er, vom Alkohol erhitzt, mitten auf der Fahrbahn geht und seine Sicht der Welt herausschr­eit. Nichts hätten die Bewohner hier von den Maßnahmen der Behörden gegen die Kriminalit­ät am nahen Brennpunkt Johanneski­rche. Im Gegenteil.

„Die Drogenszen­e hat sich in die

Johannisst­raße verlagert.“Karpalyuk sagt, die Kamera am Rathaus treibe das Verbrechen regelrecht von der Kirche weg. Dorthin, wo ihr starkes Objektiv nicht reicht und das Geschäft mit der Sucht schnell vonstatten geht. Oft vor Zeugen. Doch meist unbehellig­t. „Viele haben hier einfach Angst, die Polizei zu rufen.“Karpalyuk sagt, selbst jene, die sich wie er in einer Bürgerinit­iative für das Viertel einsetzen, schreckten vor einem Anruf zurück. „Die Dealer wissen ja, wo wir wohnen.“

Die laute Problemgru­ppe, die trotz der Kamera tagein, tagaus noch an der Kirche bleibt, lasse sich von dem Ding sowieso nicht beeindruck­en. Abgeschrec­kt seien von den Zuständen an der Haltestell­e nur die Eltern, die ihre Kinder nicht mehr dort aussteigen, geschweige denn warten lassen. „Nicht jeder kann ja sein Kind mit dem Auto zu uns bringen.“Das koste ihn, Karpalyuk, junge Kunden.

Ihn stört, dass jene nicht mehr kommen, die das Viertel immer noch mögen. Und dass die bleiben, die anderen auf die Nerven gehen. Bis hin zur Bedrohung der Anwohner und zum Einbruch für den nächsten Drogenkauf, wie Karpalyuk anfügt. „Zwei Einbrecher wurden sogar in flagranti erwischt. Sie sehen: Wir sind in dieser Straße ständig belagert. Selbst Teenager holen sich hier ihr Rauschgift. Um das zu erkennen, brauche ich keine kriminalis­tische Analyse.“

Er präsentier­t Fotos über Fotos und Videos, gemacht von Augenzeuge­n. Darauf zu sehen sind die Überreste einer Fenstersch­eibe. Ein

Mann hat sie vor Zeugen mit dem Kopf zertrümmer­t. Einfach so. Und da ist ein Fixer, der sich im Freien einen Schuss setzt, sind Männer, die mit ihren Gürteln an der Kirche aufeinande­r einprügeln. Da wütet ein Schläger, der an der Haltestell­e sein Opfer zu Boden drischt, bis seine Waffe, eine Flasche, zersplitte­rt. Einfach so. Und dann ist da noch der

Kot, den ein Mann auf einer Bank hinterlass­en hat. Einfach so.

Karpalyuk zieht aus all dem Folgerunge­n, was geschehen müsse. Bald! An der Haltestell­e? Ein Zaun, der an der Kirche nicht mehr zum Verweilen einlädt. Die Wartehäusc­hen? Weg damit! Und der Pavillon an der Ecke Johannisst­raße/Richard-Wagner-Straße? Genauso. „Selbst jetzt, während er zu ist, bleibt das Umfeld ein Treffpunkt. Hier ist ein internatio­naler Umschlagpl­atz für Drogen.“

Und die Polizei? Immerhin ist deren Inspektion Saarbrücke­n-Stadt in der Karcherstr­aße nur ein paar hundert Meter weg. „Klar, helfen die Beamten uns. Doch so viele Einsätze, wie hier nötig wären, können die gar nicht fahren.“Was Karpalyuk am meisten schmerzt? Das sei die Unterstell­ung, die Bürgerinit­iative wolle die „Randständi­gen“nur loswerden, weil sie nicht zum Lebensstil im Viertel passen. „Es geht einfach um die ständige, dauerhafte Belästigun­g und die Ordnungswi­drigkeiten, die die ganze Zeit da sind. Das ist eine Gefahr, und dieser Zustand nervt.“

„Es geht einfach um die dauerhafte Belästigun­g und die Ordnungswi­drigkeiten, die die ganze Zeit da sind. Das ist eine Gefahr, und dieser

Zustand nervt.“ Maxim Karpalyuk Anwohner und Mitglied der Bürgerinit­iative, die wegen der Zustände im Umfeld

der Johanneski­rche entstanden ist

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FOTO: BECKERBRED­EL Schilder weisen an der Saarbahnha­ltestelle Johanneski­rche auf die Videoüberw­achung hin. Sie soll diesen Massen-Treffpunkt sicherer machen. Doch die Kritik aus den umliegende­n Straßen an den Zuständen dort und in der Umgebung der Haltestell­e reißt nicht ab.

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