Drogenszene sorgt für Ärger im Nauwieser Viertel
Die Kamera für die Haltestelle an der Johanneskirche wirkt. Welcher Dealer lässt sich schon gern beim Handel mit seiner illegalen Ware filmen. Anwohner warnen jedoch, dass das Verbrechen nur umgezogen sei.
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Maxim Karpalyuk wirkt erschöpft. Zwar schwingt in seiner Stimme noch viel Selbstsicherheit mit. Zugleich lässt sie aber vermuten, dass ihn auslaugt, was sich, wie er sagt, vor seiner Wohnung und vor seiner Kampfsportschule in der Saarbrücker Johannisstraße abspielt.
Er spricht von den Dealern. Er sehe, wie sie regelmäßig in ihren Autos mit Kennzeichen aus Luxemburg und Frankreich kommen. Und wie sie ihre Kundschaft in Hauseingängen versorgen. Karpalyuks Sätze fügen sich zu einem düsteren Bild von diesem Teil der Innenstadt.
Er spricht vom kaum verhohlenen Rauschgifthandel, vom Gegröle, wenn wieder mal ein Suchtkranker, vom Alkohol erhitzt, mitten auf der Fahrbahn geht und seine Sicht der Welt herausschreit. Nichts hätten die Bewohner hier von den Maßnahmen der Behörden gegen die Kriminalität am nahen Brennpunkt Johanneskirche. Im Gegenteil.
„Die Drogenszene hat sich in die
Johannisstraße verlagert.“Karpalyuk sagt, die Kamera am Rathaus treibe das Verbrechen regelrecht von der Kirche weg. Dorthin, wo ihr starkes Objektiv nicht reicht und das Geschäft mit der Sucht schnell vonstatten geht. Oft vor Zeugen. Doch meist unbehelligt. „Viele haben hier einfach Angst, die Polizei zu rufen.“Karpalyuk sagt, selbst jene, die sich wie er in einer Bürgerinitiative für das Viertel einsetzen, schreckten vor einem Anruf zurück. „Die Dealer wissen ja, wo wir wohnen.“
Die laute Problemgruppe, die trotz der Kamera tagein, tagaus noch an der Kirche bleibt, lasse sich von dem Ding sowieso nicht beeindrucken. Abgeschreckt seien von den Zuständen an der Haltestelle nur die Eltern, die ihre Kinder nicht mehr dort aussteigen, geschweige denn warten lassen. „Nicht jeder kann ja sein Kind mit dem Auto zu uns bringen.“Das koste ihn, Karpalyuk, junge Kunden.
Ihn stört, dass jene nicht mehr kommen, die das Viertel immer noch mögen. Und dass die bleiben, die anderen auf die Nerven gehen. Bis hin zur Bedrohung der Anwohner und zum Einbruch für den nächsten Drogenkauf, wie Karpalyuk anfügt. „Zwei Einbrecher wurden sogar in flagranti erwischt. Sie sehen: Wir sind in dieser Straße ständig belagert. Selbst Teenager holen sich hier ihr Rauschgift. Um das zu erkennen, brauche ich keine kriminalistische Analyse.“
Er präsentiert Fotos über Fotos und Videos, gemacht von Augenzeugen. Darauf zu sehen sind die Überreste einer Fensterscheibe. Ein
Mann hat sie vor Zeugen mit dem Kopf zertrümmert. Einfach so. Und da ist ein Fixer, der sich im Freien einen Schuss setzt, sind Männer, die mit ihren Gürteln an der Kirche aufeinander einprügeln. Da wütet ein Schläger, der an der Haltestelle sein Opfer zu Boden drischt, bis seine Waffe, eine Flasche, zersplittert. Einfach so. Und dann ist da noch der
Kot, den ein Mann auf einer Bank hinterlassen hat. Einfach so.
Karpalyuk zieht aus all dem Folgerungen, was geschehen müsse. Bald! An der Haltestelle? Ein Zaun, der an der Kirche nicht mehr zum Verweilen einlädt. Die Wartehäuschen? Weg damit! Und der Pavillon an der Ecke Johannisstraße/Richard-Wagner-Straße? Genauso. „Selbst jetzt, während er zu ist, bleibt das Umfeld ein Treffpunkt. Hier ist ein internationaler Umschlagplatz für Drogen.“
Und die Polizei? Immerhin ist deren Inspektion Saarbrücken-Stadt in der Karcherstraße nur ein paar hundert Meter weg. „Klar, helfen die Beamten uns. Doch so viele Einsätze, wie hier nötig wären, können die gar nicht fahren.“Was Karpalyuk am meisten schmerzt? Das sei die Unterstellung, die Bürgerinitiative wolle die „Randständigen“nur loswerden, weil sie nicht zum Lebensstil im Viertel passen. „Es geht einfach um die ständige, dauerhafte Belästigung und die Ordnungswidrigkeiten, die die ganze Zeit da sind. Das ist eine Gefahr, und dieser Zustand nervt.“
„Es geht einfach um die dauerhafte Belästigung und die Ordnungswidrigkeiten, die die ganze Zeit da sind. Das ist eine Gefahr, und dieser
Zustand nervt.“ Maxim Karpalyuk Anwohner und Mitglied der Bürgerinitiative, die wegen der Zustände im Umfeld
der Johanneskirche entstanden ist