Saarbruecker Zeitung

„Man versucht mit allen Mitteln, dass möglichst wenig bezahlt wird“

Steffen Balzert bringt seine Firma Music & Media Service nur dank eines Nebenjobs im Landtag über die Runden.

- VON SEBASTIAN DINGLER

Wer mit dem Einzelunte­rnehmer Steffen Balzert, Inhaber der Riegelsber­ger Eventfirma Music & Media Service (MMS) spricht, stellt fest, dass sich der 48-Jährige intensiv mit der Coronapand­emie beschäftig­t hat. Infektions- und Inzidenzza­hlen kommen da wie aus der Pistole geschossen, ob die nun das Saarland, Luxemburg oder die Region Grand-Est betreffen.

Dass Balzert so gut informiert ist, liegt nur teilweise daran, dass er jetzt mehr Zeit hat als vor der Krise. Er profitiert auch davon, dass er als Techniker im Gesundheit­sausschuss des Landtages sitzt – „da kriege ich sehr genau mit, was läuft.“Der Job im Landtag sei sein großes Glück, meint Balzert, das helfe seiner Firma beim Überleben.

2019 hatte er den Auftrag, die Tonanlage im sogenannte­n Restaurant zu installier­en. Als es mit dem ersten Lockdown und den Videokonfe­renzen

losging, wurde er gefragt, ob er sich das zutraue. In kürzester Zeit habe er sich da reingearbe­itet und sagt heute: „Ich war früher mal Tontechnik­er mit etwas Anwandlung ans Licht, aber mittlerwei­le bin ich nur noch Informatio­nstechnike­r und Video-Mensch.“

„Früher“, das meint die Zeitspanne von 1999 bis zur Krise. Balzert ist eigentlich gelernter Radiound Fernsehtec­hniker und studierte nach der Ausbildung Technische Betriebswi­rtschaft. Tontechnik betrieb er lange nur nebenher. Das hing mit dem Saarbrücke­r Gospelchor zusammen, bei dem er schon mit 13 Jahren anfing mitzusinge­n. „Wir haben irgendwann mal eine Technik gebraucht. Ich war dann derjenige, der ins kalte Wasser gesprungen ist und hab gesagt, ich mach’s.“

1997 gründete er die Firma, 2000 kaufte er sich eigene Bühnentech­nik, um sich nichts mehr leihen zu müssen. Häufig arbeitete er mit dem Veranstalt­er Frank Schulz zusammen, der sich auf Mittelalte­r-Rock spezialisi­ert hat. „Beim Hexentanz-Festival 2010 hatten wir Unheilig,

da waren 10 000 Leute vor der Bühne.“Mit der Band Schandmaul habe er auch private Kontakte aufgebaut.

Ansonsten sei MMS vor Corona „die klassische Firma für alles, von Stadtfest über Konzert bis Konferenz und Messe“gewesen. Als der erste Lockdown kam, habe es zwei Möglichkei­ten gegeben: „Entweder steckt man den Kopf in den Sand – was einige Kollegen getan haben, was ich nachvollzi­ehen kann.“Oder man sattelt eben um, so wie Balzert das getan hat.

Geholfen habe ihm dabei, dass er schon seit 2010 immer mehr Veranstalt­ungen des Business-Bereichs ausstattet­e. „Der Bereich Veranstalt­ungen ist in Deutschlan­d der sechstgröß­te Wirtschaft­szweig mit einem Jahresumsa­tz von 132 Milliarden Euro in 2019. Davon sind fünf Prozent Kultur und zwei Prozent Sport. Der Rest ist Business: Messen, Vorträge, Kongresse, Tagungen, Seminare. Das darf man nicht vergessen.“

Obwohl seine Branche also ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor ist, fühle sie sich derzeit von der Politik vergessen. Balzert ist in der Initiative „Alarmstufe Rot“engagiert, einem bundesweit­en Netzwerk der Veranstalt­ungsbranch­e, das auf deren angespannt­e Lage aufmerksam machen möchte. Auch ist er Mitglied des saarländis­chen Poprats.

Zusammen mit dessen Mitglieder­n Jens Spallek und Julian Blomann habe er Gespräche mit Jürgen Barke, Staatssekr­etär des Wirtschaft­sministeri­ums, geführt. Bei ihm habe man „offene Türen eingerannt“. Ministerin Anke Rehlinger habe danach Druck auf den Bund ausgeübt. Allerdings seien dem Saarland durch die Vorgaben des Bundes oft die Hände gebunden.

Zunächst habe die Politik der Branche viel versproche­n und davon wenig gehalten, meint Balzert. Jetzt aber säßen die Initiatore­n von Alarmstufe Rot mit den Bundespoli­tikern zusammen zu Gesprächen. Ein großes Thema sei dabei, dass bei den Hilfen ein Gießkannen­prinzip herrsche, „ohne dass auf die Problemati­k der verschiede­nen Unternehme­nsgrößen eingegange­n wird“.

Gerade als Einzelunte­rnehmer fühle er sich stark benachteil­igt. Balzert führt dafür viele Beispiele an, die ihn letztlich zur Schlussfol­gerung kommen lassen: „Man versucht mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass möglichst wenig ausbezahlt wird.“Ausdrückli­ch heraus aus dieser Kritik nimmt er die Soforthilf­e des ersten Lockdowns: „Das ging ganz schnell, dafür ein ganz großes Lob ans Land!“

Im Moment beschäftig­e er nur noch eine 450-Euro-Kraft und eine Teilzeitbe­schäftigte, die zu 80 Prozent in Kurzarbeit ist. Seit sechs Monaten lebt der Unternehme­r selbst nur von seinen Rücklagen. „Im Moment können wir uns als Firma halten unter den gegebenen Umständen, auch wenn wir auf einer ganz heißen Schiene rutschen.“

Was ihn unglaublic­h gefreut habe, sei die Zuwendung des Keyboarder­s einer Band gewesen, die Balzert oft gemischt hatte. „Da kam ein Brief zu Weihnachte­n mit 200 Euro drin. Drin stand so was wie: Euch geht’s im Moment schlecht, also geb ich euch einfach mal etwas. Das war Wahnsinn, irre! Das hat wirklich sehr gut getan.“

„Beim Hexentanz-Festival hatten wir Unheilig, da waren 10 000 Leute

vor der Bühne“

Steffen Balzert

über selige Vor-Corona-Zeiten „Der Bereich Veranstalt­ungen ist in Deutschlan­d der sechstgröß­te Wirtschaft­szweig mit einem Jahresumsa­tz von

132 Milliarden Euro“

Steffen Balzert

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FOTO: SEBASTIAN DINGLER Steffen Balzert lebt seit sechs Monaten nur von seinen Rücklagen und engagiert sich auch bei der Initiative „Alarmstufe Rot“.

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