„Man versucht mit allen Mitteln, dass möglichst wenig bezahlt wird“
Steffen Balzert bringt seine Firma Music & Media Service nur dank eines Nebenjobs im Landtag über die Runden.
Wer mit dem Einzelunternehmer Steffen Balzert, Inhaber der Riegelsberger Eventfirma Music & Media Service (MMS) spricht, stellt fest, dass sich der 48-Jährige intensiv mit der Coronapandemie beschäftigt hat. Infektions- und Inzidenzzahlen kommen da wie aus der Pistole geschossen, ob die nun das Saarland, Luxemburg oder die Region Grand-Est betreffen.
Dass Balzert so gut informiert ist, liegt nur teilweise daran, dass er jetzt mehr Zeit hat als vor der Krise. Er profitiert auch davon, dass er als Techniker im Gesundheitsausschuss des Landtages sitzt – „da kriege ich sehr genau mit, was läuft.“Der Job im Landtag sei sein großes Glück, meint Balzert, das helfe seiner Firma beim Überleben.
2019 hatte er den Auftrag, die Tonanlage im sogenannten Restaurant zu installieren. Als es mit dem ersten Lockdown und den Videokonferenzen
losging, wurde er gefragt, ob er sich das zutraue. In kürzester Zeit habe er sich da reingearbeitet und sagt heute: „Ich war früher mal Tontechniker mit etwas Anwandlung ans Licht, aber mittlerweile bin ich nur noch Informationstechniker und Video-Mensch.“
„Früher“, das meint die Zeitspanne von 1999 bis zur Krise. Balzert ist eigentlich gelernter Radiound Fernsehtechniker und studierte nach der Ausbildung Technische Betriebswirtschaft. Tontechnik betrieb er lange nur nebenher. Das hing mit dem Saarbrücker Gospelchor zusammen, bei dem er schon mit 13 Jahren anfing mitzusingen. „Wir haben irgendwann mal eine Technik gebraucht. Ich war dann derjenige, der ins kalte Wasser gesprungen ist und hab gesagt, ich mach’s.“
1997 gründete er die Firma, 2000 kaufte er sich eigene Bühnentechnik, um sich nichts mehr leihen zu müssen. Häufig arbeitete er mit dem Veranstalter Frank Schulz zusammen, der sich auf Mittelalter-Rock spezialisiert hat. „Beim Hexentanz-Festival 2010 hatten wir Unheilig,
da waren 10 000 Leute vor der Bühne.“Mit der Band Schandmaul habe er auch private Kontakte aufgebaut.
Ansonsten sei MMS vor Corona „die klassische Firma für alles, von Stadtfest über Konzert bis Konferenz und Messe“gewesen. Als der erste Lockdown kam, habe es zwei Möglichkeiten gegeben: „Entweder steckt man den Kopf in den Sand – was einige Kollegen getan haben, was ich nachvollziehen kann.“Oder man sattelt eben um, so wie Balzert das getan hat.
Geholfen habe ihm dabei, dass er schon seit 2010 immer mehr Veranstaltungen des Business-Bereichs ausstattete. „Der Bereich Veranstaltungen ist in Deutschland der sechstgrößte Wirtschaftszweig mit einem Jahresumsatz von 132 Milliarden Euro in 2019. Davon sind fünf Prozent Kultur und zwei Prozent Sport. Der Rest ist Business: Messen, Vorträge, Kongresse, Tagungen, Seminare. Das darf man nicht vergessen.“
Obwohl seine Branche also ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, fühle sie sich derzeit von der Politik vergessen. Balzert ist in der Initiative „Alarmstufe Rot“engagiert, einem bundesweiten Netzwerk der Veranstaltungsbranche, das auf deren angespannte Lage aufmerksam machen möchte. Auch ist er Mitglied des saarländischen Poprats.
Zusammen mit dessen Mitgliedern Jens Spallek und Julian Blomann habe er Gespräche mit Jürgen Barke, Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums, geführt. Bei ihm habe man „offene Türen eingerannt“. Ministerin Anke Rehlinger habe danach Druck auf den Bund ausgeübt. Allerdings seien dem Saarland durch die Vorgaben des Bundes oft die Hände gebunden.
Zunächst habe die Politik der Branche viel versprochen und davon wenig gehalten, meint Balzert. Jetzt aber säßen die Initiatoren von Alarmstufe Rot mit den Bundespolitikern zusammen zu Gesprächen. Ein großes Thema sei dabei, dass bei den Hilfen ein Gießkannenprinzip herrsche, „ohne dass auf die Problematik der verschiedenen Unternehmensgrößen eingegangen wird“.
Gerade als Einzelunternehmer fühle er sich stark benachteiligt. Balzert führt dafür viele Beispiele an, die ihn letztlich zur Schlussfolgerung kommen lassen: „Man versucht mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass möglichst wenig ausbezahlt wird.“Ausdrücklich heraus aus dieser Kritik nimmt er die Soforthilfe des ersten Lockdowns: „Das ging ganz schnell, dafür ein ganz großes Lob ans Land!“
Im Moment beschäftige er nur noch eine 450-Euro-Kraft und eine Teilzeitbeschäftigte, die zu 80 Prozent in Kurzarbeit ist. Seit sechs Monaten lebt der Unternehmer selbst nur von seinen Rücklagen. „Im Moment können wir uns als Firma halten unter den gegebenen Umständen, auch wenn wir auf einer ganz heißen Schiene rutschen.“
Was ihn unglaublich gefreut habe, sei die Zuwendung des Keyboarders einer Band gewesen, die Balzert oft gemischt hatte. „Da kam ein Brief zu Weihnachten mit 200 Euro drin. Drin stand so was wie: Euch geht’s im Moment schlecht, also geb ich euch einfach mal etwas. Das war Wahnsinn, irre! Das hat wirklich sehr gut getan.“
„Beim Hexentanz-Festival hatten wir Unheilig, da waren 10 000 Leute
vor der Bühne“
Steffen Balzert
über selige Vor-Corona-Zeiten „Der Bereich Veranstaltungen ist in Deutschland der sechstgrößte Wirtschaftszweig mit einem Jahresumsatz von
132 Milliarden Euro“
Steffen Balzert