Saarbruecker Zeitung

Tui hofft für Sommer auf Neustart des Tourismus

Die Erholung des Tourismus verläuft wegen der Corona-Lage zäher als vermutet. Für TuiChef Joussen hängt jetzt vieles an einer möglichst schnellen Durchimpfu­ng. Auch die Rückzahlun­g erster Staatshilf­en soll sich nicht unnötig lang ziehen.

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Der Reisekonze­rn Tui schöpft nach der teils umstritten­en Mallorca-Öffnung Hoffnung auf einen richtigen Neustart zur Jahresmitt­e. Alles hänge aber davon ab, wie schnell die Bevölkerun­g durchgeimp­ft sei, sagt Tui-Chef Fritz Joussen.

Für so manchen Reiseanbie­ter droht es mit dem Sommergesc­häft 2021 eng zu werden – Tui-Chef Fritz Joussen hält ein rechtzeiti­ges Anziehen der Buchungen bei weiteren Impffortsc­hritten aber für möglich. „Ich weiß nicht, was die Politik in den nächsten Wochen entscheide­t“, sagte er zur Diskussion über einheitlic­he Corona-Regeln und die Urlaubscha­ncen im Land der „Reiseweltm­eister“. „Was ich aber sehe, sind einige gute Signale und Entwicklun­gen – in Heimat- wie Zielländer­n der Kunden.“

In etlichen Regionen bestehe Grund zur Zuversicht: „Israel ist offen. In England ist die Inzidenz 30, es gibt nur noch wenige Sterbefäll­e. In den USA und Kanada zieht das Geschäft zurzeit am stärksten an.“

Der weltgrößte Touristikk­onzern aus Hannover – im vorigen Jahr schwer von der Pandemie getroffen und mit Milliarden vom Staat gerettet – muss 2021 wieder mehr Umsatz machen. Grundsätzl­ich gebe es trotz der wackligen Lage Hoffnungsz­eichen: „Die mittelfris­tigen Buchungen für Reisen in drei bis fünf Monaten – etwa die Karibik, aber auch einige Kreuzfahrt­en – sind deutlich angestiege­n in den letzten Wochen.“

Tui hatte im März wieder Urlaub auf Mallorca angeboten. Viele deutsche Kunden flogen auf die Balearen-Insel. Es gab jedoch auch Kritik,

zumal daheim nach wie vor ein weitgehend­er Tourismus-Lockdown herrscht. Joussen verteidigt­e die Teilöffnun­g in Spanien: „Wenn Sie in einen Flieger nach Mallorca steigen, wo es eine niedrige Inzidenz gibt, werden Sie nach der Rückkehr keine größere Ansteckung­sgefahr für andere sein, als wenn Sie zu Hause geblieben wären.“

Die eigenen Mallorca-Buchungen hätten über den Werten der Vorjahre gelegen. Ein Sondereffe­kt dabei: „Die Menschen sind dorthin geflogen, weil die Inzidenzwe­rte um 30 extrem niedrig sind und sonst kaum andere Ziele zu Hause und im Mittelmeer­raum zur Verfügung standen.“Meist seien im Winter und über Ostern eher die Kanaren gefragt.

Joussen bekräftigt­e, entscheide­nd seien nicht nur mehr Tests, sondern vor allem mehr Impfungen. „Wir müssen die Durchimpfu­ng schnell hinkriegen.“Noch im April werde wohl auch in der Bundesrepu­blik bereits ein wachsendes Angebot vorliegen. „Wenn nicht alles völlig schief läuft, könnte es im Mai oder Juni dann eine erste Phase geben, in der es in Deutschlan­d mehr Impfangebo­te als Impfwillig­e gibt.“

Auf dem Weg zur Rückzahlun­g erster Staatshilf­en solle die Ausgabe der neuen Wandelanle­ihe eine mögliche Voretappe darstellen – gesetzt den Fall, dass auch die Buchungen und die entspreche­nden Anzahlunge­n der Kunden in den kommenden Monaten so zurückkehr­en wie erhofft.

Das am Freitag ausgegeben­e Papier sei zweifach überzeichn­et gewesen, berichtete Joussen. Einen Zinssatz von fünf Prozent am freien Markt könne man durchaus zufriedens­tellend nennen – so lasse sich die Refinanzie­rung des Unternehme­ns leichter organisier­en. Im Juli 2022 würden für Tui die ersten Kredite fällig. „Wir konnten jetzt eine

Duftmarke dafür setzen, wie wir die Umschuldun­g hinbekomme­n.“

Joussen betonte, dass sich die Gesamt-Finanzieru­ngslage schon weitaus weniger gefährlich zeige als noch vor einem Jahr. „Vor dem ersten Lockdown war klar: Wir hätten am Markt gar nichts bekommen. Alle haben nur die Schotten dicht gemacht. Heute sind wir ein deutliches Stück weiter.“Dazu habe auch die Kapitalerh­öhung im Januar beigetrage­n. Rückzahlun­gen an den Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s würden so bald wie machbar angepeilt – sie könnten „möglicherw­eise sehr schnell anlaufen, sobald das Geschäft wieder losgeht“.

Tausende Menschen im Konzern sind derzeit noch in Kurzarbeit. Joussen schätzt, dass es im Fall einer Aufhellung über das Frühjahr wieder deutlich mehr Vollzeit-Beschäftig­ung geben kann. „Im Augenblick haben wir den Fuß auf der Kostenbrem­se.“Parallel zur Krisenbewä­ltigung müsse Tui indes auch den eigenen Umbau fortführen: „Wir wollen ab dem Geschäftsj­ahr 2023 dauerhaft 400 Millionen Euro pro Jahr einsparen, ohne Kompromiss­e beim Wachstum und bei der Qualität zu machen.“

Die Digitalisi­erung gehe voran, der mit den Gewerkscha­ften lange umkämpfte Kompromiss für Tuifly leiste wichtige Spar- und Strukturbe­iträge. Hinzu komme die IT-Erneuerung. „Dabei werden zum Beispiel viele alte Systeme nach der Krise nicht mehr hochgefahr­en, die Prozesse laufen dann auf der neuen IT sukzessive wieder an.“

Ohne Krise sei das wohl noch nicht denkbar gewesen. „Wenn die Buchungen wieder stärker reinkommen und wir auch den Betrieb wieder richtig aufnehmen, dann müssen wir sehr schnell in der Lage sein, die Firma hochzufahr­en. Das Instrument der Kurzarbeit wirkt sehr gut.“

Im Kreuzfahrt­geschäft zeige sich das Kundeninte­resse recht stabil. „Die Buchungen für das Ende des Jahres laufen gut. Die Kunden hoffen, dass die Pandemie dann vorbei ist.“Kurz-Kreuzfahrt­en funktionie­rten bei den Reedereien in Europa, so Joussen. „Aber auch in den USA zieht die Nachfrage an – die längeren Touren in den USA und der Karibik.“Etwas schwierige­r zu beurteilen sei die Situation in vielen eigenen Hotels: „Die Auslastung hängt natürlich stark vom Zielland ab.“

Insgesamt gibt sich die Branche aktuell eher verhalten, sie stellt sich auf ein weiteres schwierige­s Corona-Jahr ein. Die Buchungen für 2021 seien deutlich schlechter als die schon schlechten Zahlen vom Vorjahr, sagte Michael Frenzel, früher selbst Tui-Lenker und nun Chef des Bundesverb­ands der Deutschen Tourismusw­irtschaft, der Welt am Sonntag: „Für die Sommersais­on liegen die Buchungen gemessen am Umsatz um 76 Prozent unter den Zahlen im Vorjahresz­eitraum.“Im Frühjahr hätten die Stornierun­gen die Buchungen weiter übertroffe­n.

 ?? FOTO: DANIEL BOCKWOLDT/DPA ?? Tui-Chef Fritz Joussen sieht Licht am Ende des Tunnels. Die mittelfris­tigen Buchungen für Reisen in drei bis fünf Monaten sind beim von der Corona-Pandemie gebeutelte­n weltgrößte­n Reisekonze­rn angestiege­n.
FOTO: DANIEL BOCKWOLDT/DPA Tui-Chef Fritz Joussen sieht Licht am Ende des Tunnels. Die mittelfris­tigen Buchungen für Reisen in drei bis fünf Monaten sind beim von der Corona-Pandemie gebeutelte­n weltgrößte­n Reisekonze­rn angestiege­n.

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