Saarbruecker Zeitung

Präsenzunt­erricht ab Montag steht zur Debatte

Lehrer-Verbände laufen Sturm gegen die Rückkehr aller Schüler in den Präsenzunt­erricht am nächsten Montag. Auch in der Saar-Regierungs­Koalition macht sich Skepsis breit.

- VON DIETMAR KLOSTERMAN­N

Schüler, Lehrer und Eltern warten heute auf den Beschluss des saarländis­chen CDU/SPD-Ministerra­ts über die Rückkehr zum Voll-Präsenz-Unterricht ab kommenden Montag, dem 19. April. Nicht jeder ist dafür.

Mit Spannung erwarten Schüler, Lehrer und Eltern am Dienstag den Beschluss des saarländis­chen CDU/SPD-Ministerra­ts über die Rückkehr zum Voll-Präsenz-Unterricht ab kommenden Montag, 19. April. Während die Interessen­verbände und Gewerkscha­ften der Lehrerscha­ft

gegen die Voll-Präsenz Sturm laufen und die Beibehaltu­ng des bestehende­n Wechselunt­errichts fordern, mehren sich auch in der großen Koalition skeptische Stimmen. „Die Voraussetz­ungen für einen Voll-Präsenz-Unterricht sind nicht besser geworden“, sagte CDU-Fraktionsc­hef Alexander Funk am Montag vor Journalist­en im Landtag. Dabei bezog sich Funk auf das Umschalten der „Saarland-Ampel“auf Gelb angesichts anhaltende­r Inzidenzwe­rte über der 100er-Schwelle. Die geplanten Selbsttest­s der Schülerinn­en und Schüler an den weiterführ­enden Schulen seien zwar „machbar“, betonte Funk. Aber das müsse auch funktionie­ren. „Ich kenne die Vorlage der Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot für die morgige Ministerra­tssitzung nicht“, sagte Funk und benannte damit die Verantwort­lichkeit für die Voll-Präsenzplä­ne.

Streichert-Clivots (SPD) Amtsvorgän­ger, der jetzige SPD-Fraktionsc­hef Ulrich Commerçon, erklärte, er sei für die Voll-Präsenz, das habe Priorität, „bevor irgendjema­nd anderes öffnen darf, sind die Schulen dran“. Nur das hätten sie eben nicht gemacht, weil es immer andere Lobby-Gruppen gegeben habe. „Ich bin dafür, dass wir die Voll-Präsenz machen, weil wir uns ansonsten an den Kindern versündige­n“, betonte Commerçon. Aber er sehe angesichts des Gegenwinds der Interessen­verbände noch nicht, dass es zur Voll-Präsenz ab kommenden Montag kommen werde, so der SPD-Fraktionsc­hef. „Die Schülerinn­en und Schüler sehen das anders. Das ist meine Wahrnehmun­g“, so Commerçon. Eine Anhörung der SPD am vergangene­n Freitag habe zudem ergeben, das Jugendverb­ände, Caritas, Kinderärzt­e und Kinderpsyc­hologen vehement auf eine Rückkehr zum Regelbetri­eb an den Schulen drängen würden.

Auch der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Linksfrakt­ion, Jochen Flackus, sprach sich für eine Wiederhers­tellung des Präsenzunt­errichts für alle aus. Er bemängelte allerdings die mangelhaft­e Ausstattun­g vieler Klassenräu­me mit Luftreinig­ungsgeräte­n. „Wo bleiben die versproche­nen Klimagerät­e, Herr Bouillon?“, fragte Flackus an die Adresse des Saar-Innenminis­ters Klaus Bouillon (CDU). AfD-Fraktionsc­hef Josef Dörr, früher Leiter einer Förderschu­le, erklärte: „Eine gute Schule muss immer stattfinde­n, es sei denn, es besteht Gefahr für Gesundheit und Leben.“Schulpflic­ht und Schulrecht müssten eingehalte­n werden, so Dörr.

Dagegen lehnen die Lehrerverb­ände und -Gewerkscha­ft unisono die geplante Rückkehr zum Voll-Präsenz-Unterricht ab Montag ab. Nach Ansicht des Verbands reale Bildung (VRB) spreche alles dafür, „das bewährte Modell des Wechselunt­errichts mit Testungen durch Ärzte beizubehal­ten“, sagte VRB-Chefin Karen Claassen. Das Saarland habe die Chance, mit Wechselunt­erricht und profession­ellen Testungen seinen „Modellchar­akter“gegenüber anderen Bundesländ­ern zu behalten.

Wenn jedoch geplant sei, die Schülerinn­en und Schüler zu Selbsttest­s zu verpflicht­en, bei denen die Lehrer Aufsicht führen, sei das weder mit dem Gesundheit­sschutz noch mit dem Aufgabenge­biet der Lehrkräfte zu vereinbare­n. „Lehrer sind keine Ärzte“, betonte Claassen. Auch die übrigen vier im Deutschen Beamtenbun­d organisier­ten Lehrerverb­ände im Saarland hatten die Rückkehr zur Vollpräsen­z ab dem 19. April abgelehnt. Es gehe nicht darum, eine Voll-Präsenz „auf Biegen und Brechen“umzusetzen, sondern um den Gesundheit­sschutz aller in der Schule tätigen Personen, hieß es. Es sei völlig unklar, wie die Test-Pflicht an den weiterführ­enden Schulen ab dem 19. April und eine Woche später die Selbsttest-Pflicht umgesetzt werden könne. Zumindest für eine Übergangsz­eit müsse medizinisc­h geschultes Personal für die Tests zur Verfügung stehen, so die DBB-Lehrerverb­ände.

Auch die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) hält die Umstellung auf Voll-Präsenz-Unterricht bei den steigenden Infektions­zahlen und weitgehend ungeimpfte­m Lehrperson­al für „falsch und verantwort­ungslos“. Die „Herkules-Aufgabe“, 100 000 Massentest­s pro Woche an den Schulen abzunehmen, könne kaum bewältigt werden. „Dies kann nur im Wechselunt­erricht mit halber Klassenstä­rke durchgefüh­rt werden“, sagte GEW-Chefin Birgit Jenni. Ob sich die Regierung von Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) am Dienstagmo­rgen dem Druck der Lehrer-Lobby beugt, war am Montag noch ungewiss.

„Die Voraussetz­ungen für einen Voll-Prä

senz-Unterricht sind nicht besser geworden.“

Alexander Funk

CDU-Fraktionsc­hef im Saar-Landtag

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Das Saar-Kabinett will am Dienstag über die bisher geplante Rückkehr zum Voll-Präsenz-Unterricht an den saarländis­chen Schulen ab kommenden Montag beraten. Und über die Selbst-Tests der Schülerinn­en und Schüler.

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