Saar-Hausärzte wollen nicht nur Astrazeneca impfen
(SZ) Die saarländischen Hausärzte sehen sich bei der Impfkampagne ausgebremst. Denn der umstrittene Impfstoff Astrazeneca soll laut Bundesregierung vor allem in den Arztpraxen gespritzt werden. Dies hätte zur Folge, dass die Hausärzte allein die aufwendige Aufklärungsarbeit für diesen Impfstoff zu tragen hätten, beklagt der Saarländische Hausärzteverband. Er fordert, dass die Impfstoffe gleichmäßig an Impfzentren und Praxen verteilt werden.
Die Impfungen in den Hausarztpraxen sind erfolgreich gestartet. In der ersten Woche nach Impfstart hätten die 850 saarländische Ärztinnen und Ärzte 12 140 Impfungen durchgeführt, wie die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Saar am Montag mitteilte. Doch das hohe Tempo beim Impfen droht ins Stocken zu geraten. Der Grund: Der umstrittene Impfstoff von Astrazeneca soll nach Plänen des Bundesgesundheitsministeriums künftig überwiegend nur noch in den Hausarztpraxen verimpft werden.
Dies hätte zur Folge, dass die Hausärzte die damit verbundene enorm zeitaufwendige Aufklärungsarbeit zukünftig alleine zu tragen hätten, kritisierte jetzt der Saarländische Hausärzteverband in einer Mitteilung. Dabei hätten die Impfzentren
mit ihren ärztlichen Leitern und Personal gerade dafür die notwendigen Ressourcen. Doch diese sollen künftig ausschließlich mit den mRNA-Impfstoffen der Hersteller Biontech und Moderna beliefert werden. Eine Entscheidung, die der Vorsitzende des Saarländischen Hausärzteverbands, Dr. Michael Kulas, nicht nachvollziehen kann: „Wer mit solchen taktischen Manövern die Impfmöglichkeiten in den Hausarztpraxen ausbremst, verspielt auch das letzte Vertrauen in die Coronapolitik der Regierung“, so Kulas. Damit werde fahrlässigerweise nicht nur das Vertrauen in den eigenen Hausarzt gefährdet, sondern auch die gesamte Impfstrategie aufs Spiel gesetzt. Laut Kulas sollen die Praxen im Saarland voraussichtlich ab Mai überwiegend mit Astrazeneca beliefert werden.
Auch der Impfkoordinator der KV Saar, Dr. Joachim Meiser, zeigte sich auf SZ-Anfrage kritisch, dass Astrazeneca jetzt ausschließlich an die Arztpraxen geliefert werden soll. Dies erwecke bei vielen den Eindruck, dass es sich bei Astrazeneca um einen „Impfstoff zweiter Wahl“handele. „Im Sinne einer schnellen Durchimpfung der Bevölkerung ist das natürlich nicht hilfreich“, sagt Meiser. Aufgrund des hohen Aufklärungsbedarfes
bestehe zudem die Gefahr, dass einzelne Arztpraxen generell von sich aus keine Corona-Schutzimpfung mehr anbieten würden, da der Arbeitsaufwand dann zu groß wäre.
Angekündigt hatte sich diese Entwicklung bereits eine Woche zuvor auf Bundesebene, nachdem die Ständige Impfkommission (Stiko) empfahl, Astrazeneca nur noch bei Personen, die über 60 Jahre alt sind, zu verimpfen. Impfberechtigte Personen unter 60 Jahren sollen sich jedoch nach ärztlichem Ermessen und einer sorgfältigen Aufklärung auch weiterhin mit Astrazeneca impfen lassen können. In diesem Zusammenhang erklärte Gesundheitsminister Spahn, dass das Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers nur noch durch die niedergelassenen Ärzte verimpft werden soll.
Für die kommenden drei Wochen rechnet die KV Saar mit je 12 000 Impfdosen für die Arztpraxen im Land. Weitaus weniger, als zunächst gedacht, wie der stellvertretende Vorsitzende Meiser erklärt. Dabei seien die Praxen im Saarland in der Lage, dass drei- bis vierfache dieser Menge zu verimpfen. Sowohl die Kassenärztliche Vereinigung als auch der Hausärzteverband fordern daher, die zugesagten Impfstoffmengen gleich- und anteilsmäßig auf Impfzentren und Hausarztpraxen zu verteilen.
Erste Unterstützung für diese Forderungen gab es am Montagnachmittag bereits von Seiten der FDP Saar. Durch die Maßnahme in Sachen Impfstoffverteilung bestehe „die Gefahr, dass Impfstoff verfällt“, warnte der stellvertretende Landesvorsitzende, Helmut Isringhaus. Gleichzeitig kritisiert der FDP-Politiker den bisherigen Ausschluss von privaten Arztpraxen von den Impfungen.