Saarbruecker Zeitung

Auf dem Weg in die Woche der Entscheidu­ngen

Das Bundeskabi­nett will die Corona-Notbremse zügig beschließe­n. Aber es ruckelt. Eine Einigung gibt es derweil bei der Testpflich­t für Betriebe.

- VON STEFAN VETTER Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Martin Wittenmeie­r

Wann kommt die bundesweit einheitlic­he Notbremse im Kampf gegen Corona? Nach der Vereinbaru­ng von Bund und Ländern Ende der Woche will das Bundeskabi­nett bereits diesen Dienstag entspreche­nde Änderungen beim Infektions­schutzgese­tz beschließe­n. Über die Details wurde bis zu zuletzt gestritten. Klar ist aber, dass es eine Testpflich­t für Unternehme­n geben wird.

Kern des Vorhabens sind einheitlic­he Restriktio­nen in Landkreise­n mit mehr als 100 wöchentlic­hen Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner. Dazu plant die Bundesregi­erung unter anderem zusätzlich private Kontaktein­schränkung­en, eine Ausgangssp­erre zwischen 21 und fünf Uhr, weitere Auflagen für den Einzelhand­el sowie ein generelles Öffnungsve­rbot für Restaurant­s. Der Verkauf von Speisen und Getränken außer Haus soll aber möglich bleiben. Bei einer Inzidenz von mehr als 200 sollen die Schulen schließen. Von den Restriktio­nen wären derzeit weit mehr als die Hälfte aller Kreise in Deutschlan­d betroffen. Erst wenn die Inzidenzen jeweils an drei Tagen hintereina­nder unterschri­tten würden, sollen die Maßnahmen wieder außer Kraft treten.

Aus einzelnen Bundesländ­ern kam Kritik. So forderte Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU), Ausgangsbe­schränkung­en erst bei einer Inzidenz von 200 einzuführe­n. Auch beim Thema Schule meldete er Vorbehalte an. Das sei Ländersach­e. Im rot-rot-grün regierten Berlin sieht man Ausgangsve­rbote grundsätzl­ich mit Skepsis.

Die Opposition im Bundestag ging am Montag ebenfalls auf Distanz. „Der Gesetzentw­urf ist in der Sache dringend nachbesser­ungsbedürf­tig“, sagte die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen, Britta Haßelmann, unserer Redaktion. Die Ausgangsbe­schränkung­en seien verfassung­srechtlich bedenklich. Gleichwohl sei man aber bereit, „eine zügige Beschlussf­assung zu ermögliche­n“.

Ursprüngli­ch wollte die Bundesregi­erung das Gesetzesve­rfahren noch in dieser Woche abschließe­n. Dazu wäre auch eine Sondersitz­ung des Bundesrats nötig. Ein solches Eilverfahr­en braucht jedoch eine Zweidritte­lmehrheit im Bundestag. Dafür bringen die Koalitions­fraktionen von Union und SPD gemeinsam mit den Grünen aber nicht genug Stimmen auf die Waage. AfD und Linke lehnen die Regierungs­pläne ab. Bliebe nur noch die FDP. In einem Schreiben an seine Amtskolleg­en von Union, SPD und Grünen wandte sich der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Freidemokr­aten, Marco Buschmann, am Montag allerdings gegen ein „Eilverfahr­en“. Der Bundestag dürfe nicht die „Fehler der Ministerpr­äsidentenk­onferenz wiederhole­n“und „übereilte und undurchdac­hte Entscheidu­ngen treffen“, heißt es in dem Brief. Der Regierungs­entwurf enthalte Maßnahmen, die bereits durch Verwaltung­s- und Oberverwal­tungsgeric­hte als rechtswidr­ig verworfen worden seien. Damit riskiere man auch „eine Flut von Verfassung­sbeschwerd­en“, warnte der Liberale.

Nach den Worten von Regierungs­sprecher Steffen Seibert stand bis Montagnach­mittag außerdem noch nicht fest, ob die Gesetzesvo­rlage in der Länderkamm­er zustimmung­spflichtig ist oder nur einspruchs­berichtigt. Im letzteren Fall könnte der Bundesrat das Verfahren zumindest verzögern. Die FDP sitzt in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein mit am Kabinettst­isch.

Bei einem wichtigen Punkt indes konnte am Montag eine Einigung erzielt werden: Den SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zufolge haben die Genossen der Union nun doch ein verpflicht­endes Angebot für Schnelltes­ts von Beschäftig­ten in Unternehme­n abgerungen. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) zog damit den Kürzeren. Er hatte eine solche Pflicht zuletzt klar abgelehnt. Das Thema war koalitions­intern ein Teil der Verhandlun­gsmasse für die Novellieru­ng des Infektions­schutzgese­tzes. Die Test-Verordnung soll ebenfalls am heutigen Dienstag im Kabinett auf den Weg gebracht werden.

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SYMBOLFO TO: MICHAEL/DPA Deutschlan­d in Corona-Zeiten – und wie geht es jetzt weiter? Mit der Notbremse will der Bund Tempo machen, aber einigen geht es zu schnell.

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