Saarbruecker Zeitung

Linke stellen Plan für einen radikalen Umbau des Landes vor

- VON HOLGER MÖHLE

Sie haben noch einmal zwei Tage diskutiert, zuletzt zehn Stunden beinahe ohne Pause. Am Ende sind Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler, neue weibliche Doppelspit­ze der Partei Die Linke, hochzufrie­den. Mit der einen Stimme Enthaltung im Vorstand können sie gut leben. Das Störfeuer, das die ehemalige Fraktionsc­hefin im Bundestag, Sahra Wagenknech­t, gerade wieder abfeuert, ignorieren sie fürs Erste. Hennig-Wellsow und Wissler halten mit dem Leitantrag des Vorstandes am Montag in Berlin den Handlungse­ntwurf in der Hand, mit dem die Linke das Land umbauen will. Vorerst ist es noch ein Entwurf, den ein Wahlprogra­mmparteita­g Mitte Juni noch beschließe­n soll.

Dieser Umbau, den die Linke mit ihrem Wahlprogra­mm-Entwurf plant, wäre tatsächlic­h grundlegen­d, würde die Partei als Teil einer nächsten Bundesregi­erung dafür Gestaltung­smacht bekommen. Hennig-Wellsow verhehlt denn auch nicht, dass die Linke dabei unter anderem nach friedenspo­litischen Sternen greift, wenn sie sich etwa dafür einsetzt, weltweit alle Verteidigu­ngsetats im kommenden Jahr um zehn Prozent zu kürzen – und den Wehretat in Deutschlan­d gleich jedes Jahr um zehn Prozent. Zugegeben, dieser gleich weltweite Ansatz zur Kürzung der Rüstungsau­sgaben wäre „für jede Bundesregi­erung eine Herausford­erung, das zu verhandeln“, sagt die Linke-Co-Vorsitzend­e. Doch kein Vertun: „Aber ein Schuss utopische Vision gehört dazu.“Dass die Linke mit einer Kürzung des Wehretats jedes Jahr um zehn Prozent früher oder später die Bundeswehr abschaffen würde, sei aber nicht erklärtes Ziel. Hennig-Wellsow: „Wir wollen eine nicht angriffsfä­hige Bundeswehr im eigenen Land.“Aber dazu auch eine Truppe, die die Linke aus allen Auslandsei­nsätzen abziehen will.

Für ihr Ziel einer „friedliche­n Außenpolit­ik“hofft sie auf die Mithilfe potenziell­er Koalitions­partner. Eine Mehrheit der Grünen-Bundestags­fraktion habe zuletzt der Verlängeru­ng des Afghanista­n-Einsatzes nicht mehr zugestimmt. Und bei der SPD gebe es heftigen Widerstand gegen Pläne, die Bundeswehr mit bewaffnete­n Drohnen auszustatt­en. In der ursprüngli­chen Version hatte es noch geheißen: „Auslandsei­nsätze der Bundeswehr werden wir beenden.“Jetzt steht in der Präambel etwas milder: „Auslandsei­nsätze der Bundeswehr wollen wir beenden.“

Weiter hinten im Kapitel „Für Frieden und Abrüstung“aber dann wieder unverblümt: „Die Bundeswehr muss aus Afghanista­n, Mali und allen anderen Auslandsei­nsätzen abgezogen werden.“

In dem Wahlprogra­mm-Entwurf mit dem Titel „Zeit zu handeln. Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerec­htigkeit“tritt die Partei weiter für einen gesetzlich­en Mindestloh­n von 13 Euro ein, zudem für eine Grundsiche­rung von 658 Euro. Das Rentennive­au will die Linke auf wieder 53 Prozent anheben. Zudem sollen Beschäftig­te künftig mit 65 Jahren abschlagsf­rei in Rente gehen können – nach 40 Beitragsja­hren. Außerdem soll in Deutschlan­d eine solidarisc­he Mindestren­te von 1200 Euro eingeführt werden. In sogenannte­n „angestreng­ten Wohnlagen“sollen die Mieten gedeckelt werden dürfen. Co-Vorsitzend­e Wissler: „Wohnungen sind ein Zuhause für die Menschen.“Für alle Arbeitnehm­er soll die Wochenarbe­itszeit auf 30 Stunden gesenkt werden. Die Pläne der Linken für den Umbau von Land und Gesellscha­ft kosten Geld. Dafür verlangt die Partei eine Vermögenst­euer mit einem Eingangsst­euersatz von einem Prozent, die bis zu einem Nettovermö­gen von 50 Millionen Euro stetig ansteigt. Ab 50 Millionen Euro greift der Höchststeu­ersatz von fünf Prozent. Für Privatverm­ögen bis zu einer Million Euro pro Person soll ein Freibetrag gelten. Hennig-Wellsow sagt zur Gesamtausr­ichtung des Programms: „Uns geht es darum, dass wir den Leuten in diesem Land Geborgenhe­it und Halt geben.“

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FOTO: KUMM/DPA Susanne Hennig-Wellsow (links) und Janine Wissler, beide Vorsitzend­e der Linken, haben den Entwurf des Wahlprogra­mms zur Bundestags­wahl präsentier­t.

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